Düsseldorf/Duisburg. Loveparade-Veranstalter Schaller will die Duisburger Tragödie aufklären, erinnert sich aber nur vage. Und er verstrickt sich immer wieder in Widersprüche.

Angetreten war Rainer Schaller eigentlich, um zur Aufklärung des Loveparade-Unglücks beizutragen. Das versprach er vor seinem ersten Auftritt als Zeuge beim Loveparade-Prozess vor laufenden Kameras. Doch auch am zweiten Tag seiner Vernehmung gibt es Zweifel daran, ob der Lopavent-Chef viel zur Aufklärung der Ereignisse am 24. Juli 2010 beitragen kann. Auf viele Fragen zur Organisation der Loveparade gibt es noch immer keine Antworten.

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Denn wenn es um die konkreten Planungen zur Duisburger Loveparade geht, bleibt der 49-Jährige oft sehr vage. Er sagt häufig, dass er sich nicht erinnern könne, welche Verträge er unterschrieben und an welchen Besprechungen er teilgenommen hat. Schaller: „Sollte ich dabei gewesen sein, müsste es im Protokoll stehen“. Dort, wo sein Name in Gesprächsprotokollen oder Aussagen erwähnt wird, geht Schaller in nicht wenigen Fällen von einer Verwechslung aus. „In den Medien bin ich häufig mit Kersten S. verwechselt worden.“ Kersten S. trägt wie sein damaliger Chef Rainer Schaller Glatze, war Gesamtleiter der Duisburger Loveparade und ist einer der zehn Angeklagten im Loveparade-Prozess.

Schaller widerspricht sich bei Aussage selbst

Im Saal wurde am 32. Verhandlungstag auch ein Fernseh-Interview vom Unglückstag vorgeführt, in dem Schaller um 16.47 Uhr auch nach dem Gedränge auf dem bereits gesperrten Zugang zum Güterbahnhof-Gelände befragt wurde. Im Hintergrund waren zu diesem Zeitpunkt bereits Bilder zu sehen, auf denen Loveparade-Besucher die Lichtmasten hochkletterten, um dem Gedränge an der Rampe zu entkommen. Schaller sagte aus, dass er zum Zeitpunkt des Live-Interviews nichts von Problemen gewusst habe. Während er zunächst davon sprach, er sei während der Veranstaltung vom Informationsfluss abgeschnitten gewesen, sagte er später, dass sein Pressesprecher immer in seiner Nähe gewesen sei. Es ist nicht das einzige Mal, dass Schaller sich selbst widerspricht.

Wenig später habe er dann erfahren, dass es zwei Tote gebe – Schaller ging zunächst von einem Gerücht aus, da es bei den Loveparades in Berlin und Dortmund ebenfalls ähnliche Meldungen gegeben habe. Diese hätten sich jedoch als falsch erwiesen. Nicht so in Duisburg, wo Schaller nach und nach von immer mehr Toten erfuhr. Er sprach von einer „Tragödie“, die sich hier ereignet hat.

An ein Interview, in dem er zwei Tage nach dem Unglück den Umgang der Polizei mit den Schleusen zum Gelände kritisiert hatte, konnte Schaller sich nicht richtig erinnern. Alles, was er den Medien gesagt habe, habe er zuvor in seinem Team abgefragt. „Nach der Loveparade war ich nicht in der Lage, klar zu denken“, sagte der Lopavent-Chef aus. Deshalb wisse er auch nicht mehr, was er auf einer Pressekonferenz einen Tag nach dem Unglück gesagt habe. Er wisse aber, dass es furchtbar war.

Vertraute Rainer Schaller seinen Mitarbeitern wirklich blind?

Auch wenn Schaller immer wieder erwähnt, er wolle zur Aufklärung der Ereignisse bei der Loveparade beitragen, wird dies in seinen Aussagen vor Gericht nicht immer klar. Außerdem soll Schaller lange nicht zur Befragung durch die ermittelnden Staatsanwälte bereit gewesen sein, hält ihm die Vertreterin einer Nebenklägerin vor. Sein Rechtsbeistand hätte ihm geraten, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. So wurde Schaller erst sehr spät von den Ermittlern der Kölner Polizei, die das Loveparade-Unglück damals untersuchten, befragt. Bei der Staatsanwaltschaft sagte Schaller dann zur Rolle seiner Firma: „Manchmal glaube ich, wir haben nichts falsch gemacht. Manchmal glaube ich das auch nicht.“

Glaubt man Schaller, so vertraute er seinen Mitarbeitern blind. Um so gut wie nichts will sich der Geschäftsführer der Lopavent GmbH selbst gekümmert haben, was organisatorisch in seinem Namen als alleiniger Inhaber erledigt wurde. Kersten S. der Head of Operations bei der Duisburger Loveparade, hätte 2011 als Geschäftsführer bei Lopavent einsteigen sollen, erklärte der Berliner Kaufmann. Doch nach der Loveparade 2010 trennten sich die Wege der beiden. Offenbar im Schlechten, denn bis auf Kersten S. unterstützte die Lopavent GmbH die übrigen Angeklagten im Prozess finanziell bei der Strafverteidigung. Man mag es kaum glauben, als Schaller erklärt, er habe sein Firmenimperium größtenteils vom Smartphone aus gesteuert. Einen PC nutze er nie - und so stellte die Polizei seinerzeit bei der Durchsuchung der Lopavent GmbH auch keine E-Mails von Schaller sicher.

Nebenkläger: Eigentlich entschuldigen sich nur Schuldige

Am Donnerstag wird der Loveparade-Veranstalter sich dann abschließend den Fragen der Verteidiger stellen müssen. Bereits am ersten Tag hatte es unterschiedliche Aussagen darüber gegeben, wer bei den Loveparade-Planungen das letzte Wort und damit die Entscheidung. War Rainer Schaller wirklich nur Repräsentant und das Gesicht der Loveparade oder doch mehr in die Organisation eingebunden gewesen, als er bislang zugeben wollte? Die Anwälte der vier Angeklagten Lopavent-Mitarbeiter werden dies wissen wollen.

Auch Paco Zapater, er hatte bei der Loveparade seine Tochter Clara verloren, kann das, was Schaller an diesem Tag vor Gericht erzählt, nicht ganz nachvollziehen. Der Nebenkläger aus Spanien merkte zu Schallers Entschuldigung an, dass sich eigentlich nur Schuldige entschuldigten. Und auch für Schallers Begriff der "moralischen Verantwortung" zeigte er kein Verständnis.