Duisburg. Am 2. Jahrestag der Loveparade entschuldigte sich OB Link als erster Vertreter der Stadt. Die Katastrophe lähme seine Ämter heute nicht mehr.

Die Last der Loveparade vor zehn Jahren lähme die Duisburger Stadtverwaltung längst nicht mehr, meint ihr Chef, Oberbürgermeister Sören Link, auf Nachfrage. Häufiger haben Bürger den Ämtern nach 2010 vorgeworfen, seit der Genehmigung des katastrophalen Techno-Events ängstlich und übervorsichtig zu entscheiden, etwa wenn Veranstaltungen nicht gestattet wurden. Der OB sieht das anders: „Wir sind nicht strenger geworden, sondern führen meist Landes- und Bundesgesetze aus.“

Sein Werdegang als Oberbürgermeister ist eng mit der Loveparade verknüpft. Nachdem 129.626 Duisburgerinnen und Duisburger Adolf Sauerland im Februar 2012 abgewählt hatten, siegte Link bei der OB-Wahl. Wurde Chef einer verunsicherten Verwaltung. In einer Stadt in anhaltender Schockstarre.

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23 Tage nach seinem Wahlsieg, bei der Gedenkfeier am zweiten Jahrestag der Katastrophe, sagte der damals 36-Jährige vor Hinterbliebenen, Verletzten und 2500 Zuhörern als erster Vertreter der Stadtspitze öffentlich: Entschuldigung. „Ich bitte um Entschuldigung für das unfassbare Leid, das in dieser Stadt geschehen ist und für immer mit ihr verbunden sein wird.“

Sören Link: „Das Schwierigste, was ich als Repräsentant unserer Stadt erlebt habe“

Das neue Stadtoberhaupt hatte damals bereits vor der Rede, die viele Zuhörer bewegte und zu Tränen rührte, den Kontakt zu den Familien der Todesopfer gesucht. „Das war mir eine Herzensangelegenheit. Die Gespräche waren das Schwierigste, was ich als Repräsentant unserer Stadt bislang erlebt habe“, blickt Link zurück.

Es sei unabhängig von der Frage der juristischen Verantwortung sehr wichtig gewesen, sich für „das zu entschuldigen, was den Liebsten dieser Menschen in unserer Stadt zugestoßen ist“ – auch wegen der „unerträglichen Katastrophe nach der Katastrophe“, wie er es heute formuliert: „Die Opfer und Verletzten haben unter dem Schweigen gelitten, haben das als Gefühlskälte und fehlende Empathie wahrgenommen.“

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Heute macht vielen der Hinterbliebenen und 650 Verletzten zu schaffen, dass der Loveparade-Prozess im Mai ohne Urteile mit dem Hinweis auf kollektives Versagen endete. Auch deshalb seien „Mitgefühl und Anteilnahme für die Betroffenen auch nach so vielen Jahren weiter von großer Bedeutung“, so Link. Die Enttäuschung Betroffener über den Ausgang könne er nachvollziehen, aber das Gericht habe es „sich nicht leicht gemacht“, dennoch „keine ursächliche individuelle Schuld“ gefunden.

„Juristische Aufklärung unterstützt und würdevollen Umgang ermöglicht“

Im Februar 2019 bereits hatte es das Verfahren gegen die sechs angeklagten Bediensteten der Stadt wegen geringer Schuld eingestellt. Die Stadtverwaltung, bilanziert Link heute, habe ihren Beitrag zur Aufarbeitung geleistet. Sie habe „die juristische Aufklärung immer unterstützt und einen würdevollen Umgang mit den Hinterbliebenen ermöglicht“, die Stiftung für Opfer gegründet und den Unglücksort auf dem Güterbahnhofsgelände auf Dauer als Gedenkstätte erhalten.

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Für diese Stadt und ihre Spitze war und bleibt es ein besonders schwieriger Spagat, einerseits den Opfern und der eigenen Verantwortung gerecht zu werden, andererseits Aufbruchsstimmung für die ersehnten Erfolgsgeschichten erzeugen zu können. Wie das gelingen kann? Es sei allein schon wegen der „unterschiedlichen Erwartungshaltung vieler Zielgruppen“ schwierig, antwortet Link. „Wir wollen nicht vergessen, was passiert ist, und wollen es richtig einordnen in die Geschichte unserer Stadt.“

Fünfteiliger Podcast über die Loveparade-Katastrophe in Duisburg

Doch wie und warum kam es bei dem Techno-Festival zum tödlichen Gedränge? Wieso wurden die Sicherheitsbedenken ignoriert? Und wie gehen die Betroffenen heute mit dem Erlebten um? Der Podcast geht diesen Fragen nach. Ein Podcast ist quasi eine Reportage zum Hören, abrufbar über das Internet auf waz.de/loveparade und Streaming-Apps wie zum Beispiel Spotify, Apple Podcasts, Audio Now oder Deezer.

Ab dem 24. Juli zur erscheinen fünf Podcast-Folgen zur Loveparade-Katastrophe.