Duisburg. Zwei Alkoholiker aus Duisburg erzählen von ihrer Sucht. Mit in den Abgrund wird die Familie gezogen. So haben sie ihr Leben zurückerobert:

„Ich möchte nie mehr meine Würde verlieren“, sagt Wolfgang. Der 73-Jährige ist Alkoholiker und seit über 30 Jahren trocken. Als die Sucht sein Leben bestimmte, kippte der Duisburger anderthalb Flaschen Schnaps am Tag in sich hinein. Karin kennt das Problem: Sie war sieben Jahre dem Alkohol verfallen. „Man hätte mir damals das Kind wegnehmen müssen“, ist die 70-Jährige rückblickend über ihr Handeln schockiert. Sie erzählen, wie sich der Alkohol in ihre Leben geschlichen, den Willen gebrochen hat und sie es trotzdem geschafft haben, sich ins Leben zurück zu kämpfen.

Karin: 70 Jahre alt, trockene Alkoholikerin

„Wenn ich gesoffen habe, habe ich nicht geträumt“, sagt Karin über ihren Schlaf. Mit dem Alkohol will die Duisburgerin ihre Alpträume bekämpfen: Eine Fehlgeburt in jungen Jahren, der Tod ihres Vaters, den sie so sehr geliebt hat. Selbst die Geburt ihrer Tochter kann sie nicht über den Verlust hinwegtrösten.

„Sieben Jahre habe ich die Flasche nicht aus der Hand gegeben.“ Zwei Liter harten Alkohol am Tag soll sie getrunken haben. Vor ihrem Mann versucht sie ihre Sucht zu vertuschen. „Ich hatte in allen Flaschen im Haushalt Alkohol versteckt.“ In Reinigungsmitteln etwa, die sie vorher sorgfältig ausgespült hat. „Meine Kneipe war mein Zuhause.“

Unter Alkoholeinfluss vernachlässigt sie ihr Kind

Bei der Versorgung ihrer Tochter verliert sie die Kontrolle. „Ich habe das Schreien ignoriert.“ Zum Wohle des Kindes fällt sie aber eine Entscheidung: „Schließ mich drei Tage ein. Kümmere dich um das Kind“, soll sie ihrer Mutter gesagt haben. Ohne Alkohol bleibt sie in der Wohnung zurück. „Ich habe in der Zeit um mein Leben geschrien und hatte Wahnvorstellungen“, erinnert sie sich an den kalten Entzug. Nach drei Tagen öffnet ihre Mutter die Tür, der erste Schritt ist getan.

Durch einen Zeitungsartikel wird Karin auf Treffen der Anonymen Alkoholiker (AA) aufmerksam. Sie geht hin und lernt, mit ihrer Sucht umzugehen. Seit 44 Jahren ist sie trocken. Ihre neue Liebe unterstützt sie, auch der Kontakt zur Tochter ist sehr gut.

Wolfgang: 73 Jahre alt, trockener Alkoholiker

Auch interessant

Den ersten Kontakt mit Alkohol hat Wolfgang mit 12 Jahren. Später in der Lehre und beim Bund greift er in geselligen Runden zur Flasche. „Ich wollte vor Kollegen und Kameraden ein Held sein. Ich wollte jemand sein, der ich nicht bin.“ Mit Alkoholeinfluss verspürt er eine große Erleichterung. Das Gefühl der Minderwertigkeit – im Suff verschwindet es.

Schleichend verliert er die Kontrolle über sein Leben, fährt sogar betrunken Auto. Ein Alkoholproblem leugnet er und flüchtet sich stattdessen in Ausreden: „Alkoholiker sind sehr erfinderisch – ich hätte beim Stadttheater anfangen können.“

Drei Jahre rund um die Uhr getrunken

Statt alleine am Abgrund des Lebens zu stehen, reißt er seine kleine Familie mit. „Mit drei Jahren hat mir mein Sohn die Bierflasche gebracht“, erinnert sich Wolfgang. Da war er 35 Jahre alt. „Ich war morgens nicht in der Lage, seine Windeln zu wechseln.“ Nach außen aber wird heile Welt gespielt. „Ich weiß nicht, ob ich es so lange mit mir ausgehalten hätte“, bewundert er rückblickend seine damalige Frau.

Auch interessant

Drei Jahre lang hat er „rund um die Uhr gesoffen.“ Morgens ging es mit Schnaps los, „nachts musste ich nachkippen, um schlafen zu können.“ Für seine Frau ist der Zustand unerträglich: Ihr musste er versprechen, ein Treffen der AA zu besuchen.

Ein Wendepunkt. Er fühlt sich erstmals verstanden und arbeitet sein Leben auf. Seit 38 Jahren hat er keinen Alkohol mehr getrunken. Gerade in der ersten Zeit seiner Abstinenz ist er täglich bei den Treffen. „Die Gefahr des Rückfalls ist groß, vor allem für diejenigen, die keine Hilfe haben“, sagt er. Denn eines steht für den 73-Jährigen fest: „Man kann die Sucht nicht heilen, sondern nur stoppen.“

>>> Anonyme Alkoholiker in Duisburg

In Duisburg gibt es zwölf Treffen der Anonymen Alkoholiker in der Woche. Miteinander werden Erfahrungen und Hoffnungen geteilt, um gemeinsam das Problem „Alkoholsucht“ zu lösen und anderen zur Genesung vom Alkoholismus zu verhelfen. Einzige Voraussetzung: Der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören.

Interessierte können sich auf der Internetseite www.anonyme-alkoholiker.de informieren oder unter der Rufnummer 0157/36959229 Kontakt zu Gruppen aufnehmen. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Gruppen erhalten sich durch eigene Spenden: Der Hut geht herum und jeder gibt, was er möchte.