Duisburg. Duisburg bildet keine Ausnahme. Auch in Hamburg, Braunschweig und Nürnberg werden Asylbewerber vorübergehend in Zelten untergebracht. München behilft sich mit Lkw-Garagen und Fahrzeughallen. Der Duisburger Sozialethiker Wolf-Dieter Just sieht in der Zeltstadt-Diskussion Risiken für die Betroffenen.

Bei der Debatte um die Duisburger Zeltstadt müsse man über den eigenen Tellerrand schauen, sagt Wolf-Dieter Just. Der emeritierte Professor und Sozialethiker aus Duisburg betont, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten längst kein Thema mehr ist, dass sich nur auf Duisburg beschränkt.

„Es besteht doch die Gefahr, das die Unterbringungsstandards für Flüchtlinge in Land und Bund durch das Duisburger Beispiel nach unten gezogen werden“, sagt Just und reagiert damit auch auf die innerkirchliche Kritik des Diakonie-Leiters Stephan Kiepe-Fahrenholz, der sich am „billigen Populismus“ gegen die Unfähigkeit der Stadt nicht beteiligen wollte.

Zeltstadt in Nürnberg, Hamburg und Braunschweig

„Zum Glück hat die Kritik dazu geführt, dass jetzt doch Flüchtlings-Zeltlager vermieden werden sollen. Das ist ein wichtiger Erfolg für die Flüchtlinge“, sagt Just. Aus seiner Sicht habe sich die Kirche immer zu äußern, wenn eine Verletzung der Würde von Menschen droht: „Wenn jetzt nicht gegen diese menschenunwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Duisburg laut protestiert wird, wird dies bald auch in anderen Kommunen eine Option werden.“

Zur Wahrheit gehört aber: Flüchtlinge müssten längst nicht nur in Duisburg in Zelten leben. Denn längst stoßen auch andere städtische und landesweite Behörden, vor allem viele Erstaufnahme-Einrichtungen, an ihre Grenzen und sehen nur noch einen Ausweg: Zelte aufstellen.

Ein Blick über den Tellerrand: In Nürnberg müssen rund 100 Flüchtlinge vorübergehend in einem Bierzelt mit Holzboden leben, das auf einer Industriebrache aufgestellt wurde. Wie in Duisburg stellt auch dort das DRK die Feldbetten auf. In Kürze werde wohl noch ein zweites Zelt folgen müssen, hieß es aus dem Nürnberger Sozialamt.

Auch in Braunschweig können sich Behörden nur noch mit Zelten behelfen, ebenso in Hamburg: Dort sind neben zwei Erstaufnahmen bereits Zelte aufgebaut, jetzt soll an einem dritten Standort eine weitere Zeltstadt entstehen.

Parallelen zu Duisburg

In Hamburg gibt es Parallelen zu Duisburg: Die Not besteht, weil das Verfahren für neue Unterkünfte „mit hohem Aufwand, Unwägbarkeiten und langen Vorlaufzeiten“ verbunden sei, sagte ein Sprecher der Sozialbehörde dem „Hamburger Abendblatt“: Die Prüfung von Flächen würde mindestens sechs Monate dauern, es folge ein Anhörungsverfahren, dann müsse das zuständige Amt über den Bauantrag entscheiden, bevor die Bauarbeiten beginnen könnten.

Und neu sind die Zelte als Notmaßnahme in Hamburg im Übrigen auch nicht: Schon vor zwei Jahren hat die Hamburger Innenbehörde im Norden der Stadt Zelte mit Etagenfeldbetten aufgestellt, weil die Erstaufnahmeeinrichtung überfüllt war. Das war damals Ende Oktober, kurz vor Wintereinbruch. Zu dieser Jahreszeit soll die Zeltstadt in Walsum bekanntlich wieder verschwunden sein.

Selbst München war bereits in der Not, mit Zelten planen zu müssen, hatte dann aber noch eine Alternative gefunden: Jetzt leben rund 500 Flüchtlinge in Lkw-Garagen und früheren Fahrzeughallen, wo auf die Schnelle Betten aufgestellt wurden.

Wenige Kilometer weiter, hinter der Bundesgrenze, droht den Flüchtlingen ebenfalls eine Zeltplane über dem Kopf: Wie es gestern aus dem Innenministerium in Österreich hieß, habe man Zeltstädte wie in Duisburg bisher abgelehnt, könne diese Lösung wegen des massiv angestiegenen Flüchtlingsstroms aber nun auch nicht mehr ausschließen.

Sozialethiker Just wird sich womöglich in seiner Befürchtung bestätigt sehen, dass die Walsumer Zelte in anderen Städten Schule machen. Klar ist aber auch: Duisburg hat die Zeltstadt als Notmaßnahme zur Unterbringung keineswegs erfunden.