Duisburg. Der Druck auf die Stadt Duisburg, Flüchtlinge aufzunehmen, wächst: Weil die Kapazitäten erschöpft sind, sollen in Walsum Flüchtlinge aus Krisengebieten auf einer nicht mehr genutzten Sportanlage unterkommen. Am Freitag werden Anwohner und Politiker über die Notunterkunft informiert.
Exakt eine Woche ist es her, dass Sozialdezernent Reinhold Spaniel eine erste Notunterkunft für den wachsenden Zustrom an Asylbewerbern bekannt geben musste. Die Flüchtlinge sind noch nicht einmal in die Turnhalle an der Werthauser Straße in Rheinhausen eingezogen, da muss Spaniel bereits die zweite Notmaßnahme verkünden.
Am Freitag wird er die Bezirkspolitik und Anwohner über eine weitere „kurzfristige Überbrückungslösung“ informieren, diesmal in Walsum. Im Bezirksamt Walsum, Friedrich-Ebert-Straße 152, wird er am 15. August, um 15 Uhr, für eine „friedliche Aufnahmekultur“ werben. Details zum neuen Standort wollte die Stadt gestern noch nicht bekannt geben.
100 Flüchtlinge sollen untergebracht werden
Nach NRZ-Informationen handelt es sich um einen aufgegebenen Sportplatz an der Römerstraße. Die Maßnahme zeigt wie groß der Unterbringungsdruck inzwischen geworden ist: Auf dem alten Ascheplatz sollen Zelte aufgestellt werden, die das Deutsche Rote Kreuz zur Verfügung stellt. Der Aufbau soll in der kommenden Woche starten. Weil so schnell keine Leitungen verlegt werden können, sollen als sanitäre Anlagen erst einmal Container herhalten. Die Rede ist von bis zu 100 Flüchtlingen, die hier vorübergehend Platz finden sollen, maximal bis zum Winter oder bis die Stadt eine andere Lösung gefunden hat.
Der Ascheplatz gehörte zur „Kampfbahn am Römerhof“, auf dem die Sportfreunde Walsum 09 beheimatet sind, nebenan liegt das Allwetterbad Walsum.
Ascheplatz wird nicht mehr genutzt
Der Verein erhielt zum 100-jährigen Bestehen 2009 einen Kunstrasenplatz: Es war stadtweit der Erste, der aus dem damaligen Konjunkturpaket fertiggestellt wurde. Dafür wurde der benachbarte Aschenplatz komplett aufgegeben, die Fläche sollte eigentlich vermarktet werden. Zeitweise war eine Wohnbebauung oder Gewerbeansiedlung im Gespräch, die Politik hatte bereits vor vier Jahren beschlossen einen Bebauungsplan für das Gelände aufzustellen. Doch den gibt es bis heute nicht. Jetzt soll der Platz vorübergehend zur Unterbringung von Flüchtlingen aus Krisengebieten dienen.
Das Land soll die zeitnahe Zuweisung von rund 70 Flüchtlingen bereits angekündigt haben. Doch die Kapazitäten zur Unterbringung sind in Duisburg erschöpft. 1500 Asylbewerber leben in der Stadt, der Bau neuer Unterkünfte dauert noch Jahre. Monatlich wird das Land der Stadt rund 130 weitere Flüchtlinge zuweisen. Sozialdezernent Spaniel hatte bereits vergangene Woche in Rheinhausen weitere Notmaßnahmen angekündigt, es gebe bei der Suche „keine Tabus“.
Dazu gehören auch Überlegungen, dass die Stadt dem Land eine Fläche für eine zentrale Aufnahmestelle zur Verfügung stellt. Politisch wird darüber bereits diskutiert, zunächst vor allem hinter den Kulissen und nicht nur aus humanitären, sondern vor allem aus monetären Überlegungen. Denn die Diskussion wird durch den Spardruck befeuert: Rund 6,5 Millionen Euro könnte die Stadt durch die Großunterkunft des Landes einsparen. Damit wäre langfristig ein Teil des Acht-Millionen-Euro-Lochs im Haushalt aufgefangen.
Eine zentrale NRW-Aufnahmeeinrichtung für Duisburg?
Die Not der Menschen auf der Suche nach Asyl und Herberge, sie bringt die Stadt Duisburg zunehmend selber in Not: Wie soll eine arme Ruhrgebiets-Großstadt unter Haushaltssicherung die rapide steigenden Kosten für die vielen zusätzlichen Asyl-Unterkünfte bezahlen? Antwort: Das Land NRW könnte einspringen. Genau dies ist der Grund, warum derzeit nicht nur in Essen, sondern auch im Duisburger Rathaus die Verwaltungsspitze darüber nachgedenkt, ob man sich nicht eine zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes in die Stadt holt. Die Vorteile: Die Kosten für die Logis würde komplett das Land übernehmen, und die Zahl der in der Landeseinrichtung untergebrachten Asylbewerber würde auch noch auf die Pflichtquote der Kommune angerechnet werden.
„Wir wollen gegenüber potenziellen Standortgemeinden Anreize schaffen, einer Landesaufnahmeeinrichtung in ihrer Gemeinde zuzustimmen“, hatte dazu schon zum Jahresende 2013 Innenminister Ralf Jäger erklärt. „Angesichts steigender Asylbewerberzahlen brauchen wir eine hohe Akzeptanz solcher Einrichtungen, um Engpässe bei der Unterbringung zu vermeiden.“ Derzeit unterhält das Land in Dortmund, Bielefeld, Schöppingen, Hemer, sowie Neuss und Nieheim sechs zentrale Erstaufnahmeeinrichtungen. Alles Standorte, wo Asylbewerber anlanden, bevor die nach Prüfung ihrer Anträge dann bis zum endgültigen Entscheid auf Kommunen in NRW verteilt werden. Duisburg könnte Landes-Einrichtung Nummer 7 werden.
Leerstehende Kaserne als Notunterkunft
„Die Anforderungen an den Standort sind verhandelbar“, sagt Ministeriumssprecher Jörg Rademacher, „sie hängen stark von den Gegebenheiten vor Ort ab.“ Bevorzugt gesucht seien dauerhafte und nicht zeitlich befristete Aufnahmeeinrichtungen. Dort könnten wie in Bielefeld 250, oder in Dortmund 350 oder wie in Hemer 500 Asylbewerber untergebracht werden. „Es müssen menschenwürdige, angemessene Unterkünfte sein“, so der Sprecher, weswegen ein provisorischer Containerbau dafür eher nicht in Frage komme.
Aber auch das Land denkt seinerseits an Notunterkünfte: „Damit wir nicht etwa in die Verlegenheit kommen, Zelte aufschlagen müssen“, so der Sprecher. Im siegerländischen Burbach beispielsweise soll dafür für vier Monate eine leerstehende Kaserne reaktiviert werden. Der Sprecher: „Das Land hat in den vergangenen zwei Jahren seine Aufnahmekapazität von 2000 auf 4000 erhöht. Das reicht nicht aus. Wir suchen händeringend weiter.“ Könnte dies ein Ausweg für Duisburg sein?
Das sagen die vier größten Fraktionen in Duisburg zum Groß-Asyl
SPD-Fraktionschef Herbert Mettler hält eine Asyl-Unterkunft des Landes in Duisburg für einen möglichen Weg. Er hat dabei vor allem den Spareffekt als Beitrag zur Haushaltssanierung im Blick: „Wir müssten die Flüchtlinge ohnehin aufnehmen.“ Ein möglicher Standort müsste dabei „fein austariert werden“.
Die CDU hat sich damit noch nicht beschäftigt, Fraktionschef Enzweiler hält es auf Anfrage aber „im Prinzip für überlegenswert“ und erinnert daran: „Asyl ist ein Grundrecht.“
Asylbewerber auf Bezirke verteilen
Auch Grünen-Fraktionssprecherin Claudia Leiße erklärte: „Wir sind doch ohnehin gesetzlich dazu verpflichtet, die vom Land zugewiesenen Asylbewerber aufzunehmen. Warum also nicht in einer Zentralunterkunft, von wo aus sie dann weiter verteilt werden?“
„Wir möchten eigentlich keine Großunterkünfte, weil diese viel schwieriger zu handhaben sind“, sagt dagegen Carmen Hornung-Jahn, Ratsfrau der Linken. Sinnvoller halte die Fraktion es, die Asylbewerber gleichmäßig auf die Bezirke zu verteilen, wie es im Rat beschlossen wurde. (-er/ib)