Duisburg.. Wenn der reguläre Nahverkehr spätabends endet, beginnt die Zeit der Nachtbusse für die letzten Heimkehrer. Leere Straßen ermöglichen dann schnelle Verbindungen. Vier innerstädtische Nachtexpress-Linien unterhält die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG). Unser Kollege ist mitgefahren.

Er rechnet mit Pöbeleien, Schlägereien und ärztlichen Notfällen. Vielleicht muss sich auch wieder jemand übergeben. Trotzdem freut sich Ali Jaliliyan auf seine Nachtschicht. Der 46-jährige Busfahrer steuert heute einen Nachtexpress in Duisburg. „Ich mache meine Arbeit gerne, mit Liebe für Kinder, Toleranz für Jugendliche und Respekt vor älteren Leuten.“ Weil das so ist, sagt er, seien einige seiner Fahrgäste bereits zu Freunden geworden, mit denen er sich ab und zu auf ein Bier trifft.

Vier innerstädtische Nachtexpress-Linien unterhält die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG). Fahrer und Fahrzeuge stellen lokale Subunternehmen. Zwar ist Jaliliyans Mercedes-Bus in dem Weiß-Rot der Duisburger Verkehrsgesellschaft DVG lackiert, doch an der Seite prangt groß der Firmenname „Der Homberger“, und unter der Frontscheibe klebt das Wappen dieses Stadtteils.

600 Kunden nutzen das Nachtnetz pro Wochenende

Knapp 600 Kunden nutzen laut DVG das Nachtnetz pro Wochenende – mehr als dreimal so viele wie in den 90er Jahren. Hinzu kommen zwei weitere Linien nach Mülheim und Krefeld sowie Fahrgäste, die nach Mitternacht noch die letzten regulären Busse nehmen. Seit 2004 fahren aufgrund der hohen Nachfrage die Nachtbusse dreimal statt wie zuvor zweimal in den Nächten auf Samstag und Sonntag. Pläne, das Netz auszubauen, gibt es derzeit nicht.

Alt-Punker sitzt vor dem erschöpften Schichtarbeiter

Der NE1 hat die längste Strecke aller DVG-Nachtlinien, 53 Minuten dauert es, bis er wieder die 26,5 Kilometer der Ringlinie zurückgelegt hat und wieder am Hauptbahnhof hält – tagsüber wäre das so schnell nicht zu schaffen. Er fährt hoch in den Duisburger Norden, bis an die Grenze zu Oberhausen. Dabei durchquert er einige Stadtteile, die als Problemviertel gelten. An der König-Brauerei in Beeck düst der Bus vorbei, in Bruckhausen am Thyssen-Stahlwerk mit rauchenden Schloten und entlang der berühmten Brautmoden-Meile in Marxloh, nahe der Merkez-Moschee.

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In dieser Nacht sitzt ein Alt-Punker vor einem erschöpften Schichtarbeiter in neonbuntem Overall. Und angeheiterte Partylöwen fläzen sich neben konzentrierte Handyzocker. Redselig sind die wenigsten, die Jaliliyan durchs nächtliche Duisburg chauffiert. Wer nicht schon die Augen geschlossen hat, hört Musik über Ohrstecker oder lässt die Finger über sein Smartphone-Display huschen. Pärchen kuscheln in den Sitzen und Studenten blicken gedankenverloren aus dem Fenster.

Plötzlich ist das Dösen im Schummerlicht vorbei. Geigenklänge und Elektrobeats lärmen durch den Bus, weil der Punker sein Handy an kleine Lautsprecher angeschlossen hat. Der Fahrer blickt missbilligend über seine Schulter, auch als wenig später ein Betrunkener zu laut über seinen Spruch lacht, den nur er selbst lustig findet.

„Manchmal ist es besser, dass ich mich zurückhalte“

Jaliliyan bleibt dennoch gelassen. Wann er einschreiten muss und wie, weiß er dank fast 19 Dienstjahren hinterm Steuer sehr genau. „Manchmal ist es besser, dass ich mich zurückhalte.“ Ein unbedachter Tadel könnte eine unangenehme Situation auch verschlimmern – besonders, wenn mal keine Security im Bus ist. Muss er handeln, sagt Jaliliyan, zögere er allerdings nicht. Wie damals, als er einem Epileptiker während eines schlimmen Anfalls half. Oder als eine Schlägerei im Bus ausbrach und er die Polizei rief.

„Der Großteil der Fahrgäste sind gute Leute“, sagt ein Mitarbeiter der Stadttochter Octeo mit russischen Zungenschlag. Er patrouilliert an den Bahnhöfen und in den Nachtbussen und ist mit seiner schwarzen Uniform sofort als Sicherheitskraft erkennbar. „Wir sind dafür da, dass alle ihre Ruhe haben und gemütlich nach Hause kommen“, ergänzt sein Kollege. Meistens gelinge das problemlos.

In Stress-Situationen versuchen beide natürlich, Streithähne zu beruhigen. Heute rechnen sie jedoch nicht mit Palaver. Sie mussten bislang nur einen schnarchenden Kneipengänger aufwecken, damit er seine Haltestelle nicht verpasst. Kommt es aber hart auf hart, etwa wenn jemand ein Messer zückt, rufen sie ohnehin die Polizei. Octeo-Mitarbeiter sind eben keine Hilfssheriffs.

Um sechs Uhr morgens beendet Busfahrer Ali Jaliliyan seine Nachtschicht. Bei ihm ist alles ruhig geblieben: kein Ärger, keine Schlägerei, auch ausgekotzte Currywurst musste er nicht von den Sitzen wischen. Was ihm nicht gefallen hat? „Ich begrüße jeden Fahrgast herzlich. Schade, dass nicht viele antworten.“