Duisburg. Jobcenter-Chef Norbert Maul spricht im Interview über fehlende Jobs, Bemühungen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen und Älteren sowie Zuwanderung aus osteuropäischen Ländern, die ist für den Arbeitsmarkt in Duisburg „irrelevant“ ist.

Die Zahl der Arbeitslosen, die vom Jobcenter betreut werden, ist von knapp 26.000 auf 27.000 gestiegen. WAZ-Redakteur Ludger Böhne sprach mit Jobcenter-Chef Norbert Maul über die Ursachen, über Bemühungen, vor allem junge Leute in Arbeit zu bringen, über Sanktionen und über Zuwanderung.

Alle reden vom Jobwunder. In Duisburg scheint das nicht anzukommen. Woran liegt’s?

Norbert Maul: Wir hatten das so erwartet. Die Stahlindustrie hat nach wie vor Probleme. Das betrifft zwar nicht die Stammbelegschaften, aber es werden kaum Aufträge an Fremdfirmen vergeben. Wir hoffen immer noch auf die 2000 Jobs, die uns von Factory Outlet Center sowie den Möbelhäusern Höffner und Ostermann in Aussicht gestellt wurden. Hinzu kommt, dass wir weniger Geld für Maßnahmen und Eingliederung zur Verfügung haben. Wir hatten dafür mal fast 70 Millionen Euro, jetzt bekommen wir knapp 37 Millionen.

Wie entwickelt sich die Arbeitslosigkeit generell?

Maul: Wir erleben hier in Duisburg eher Stagnation. Woran wir zu knacken haben, ist der Sockel von über 13.000 Langzeitarbeitslosen.

Sorge bereitet vielen die Zuwanderung aus osteuropäischen Ländern in den deutschen Arbeitsmarkt und unsere Sozialsysteme. Wie kommt dieses Thema bei Ihnen an?

Maul: Es geht bei dieser Diskussion ja vor allem um Menschen aus Rumänien und Bulgarien. Deren Zahl hat im Februar mit fast 11.000 den Höchststand erreicht, ist danach aber wieder stark gesunken auf jetzt 9600. Davon sind 1206 Leistungsempfänger bei uns: 955 Bulgaren und 251 Rumänen. Für den Arbeitsmarkt ist diese Gruppe irrelevant. Bei einem Drittel handelt es sich um nicht erwerbsfähige Angehörige, etwa Kinder. Von denen, die arbeiten können, hat die Hälfte keine Ausbildung. Um deren Chancen zu erhöhen, bauen wir jetzt unsere Sprachberatung aus und beschäftigen eigene Dolmetscher.

Wie sieht die Situation für Jugendliche und junge Erwachsene aus?

Maul: 2320 junge Duisburger unter 25 Jahren sind arbeitslos und beziehen Leistungen vom Jobcenter. Davon haben 18 Prozent keinen Schulabschluss und 89 Prozent keine Berufsausbildung. Insbesondere für langzeitarbeitslose Jugendliche haben wir Projekte eingerichtet, in denen eine intensive Betreuung erfolgt: Hier kümmert sich ein Betreuer um acht Jugendliche.

„Die Beschäftigungsbasis ist zu gering für eine Stadt dieser Größe“

Umgekehrt betrachtet: Wie viel Arbeit gibt es in Duisburg?

Maul: Das ist unser Hauptproblem. Die Beschäftigungsbasis ist zu gering für eine Stadt dieser Größe. Wir haben seit Jahren rund 160.000 sozialversicherte Jobs, davon 28 000 geringfügig. Bis zur ersten Stahlkrise hatte Duisburg 220.000 Arbeitsplätze. Wenn es die noch gäbe, hätten wir nicht diese Probleme. Dann würden wir keine Bäder schließen und es wäre Kaufkraft da.

Wenn es keine Arbeit gibt, kann das Jobcenter wenig ausrichten?

Maul: Das Problem ist: Wir bringen Leute in Arbeit, aber sie bleiben bei uns in der Statistik, weil ihr Einkommen nicht reicht. Von 48.000 Leistungsempfängern sind über 10.000 erwerbstätig. Das heißt, sie bekommen ergänzende Leistungen und oft auch Unterstützung bei den Kosten der Unterkunft.

Das Jobcenter Duisburg gilt als streng bei Versäumnissen ...

Maul: Streng? Nein, wir sind konsequent. Jeden Monat gibt es etwa 900 Regelverstöße, meistens Meldeversäumnisse. Unsere Quote für Sanktionen beträgt im Mittel vier Prozent, bezogen auf alle Leistungsempfänger. Damit liegen wir im Landesvergleich im oberen Drittel. Allerdings haben wir einige Bereiche besonders im Blick. Mit dem Betreuungsschlüssel 1 zu 8 sitzen wir Jugendlichen konsequent im Nacken. Oder 2000 Kunden betreuen wir in der Sprachberatung. Wenn da einer mal nicht kommt, haken wir sofort nach.

„Die meisten unserer Sanktionen haben Bestand“

Wehren sich die Kunden gegen Sanktionen?

Maul: Natürlich, aber die meisten haben Bestand. Im letzten Jahr hatten wir 5600 Widersprüche gegen Sanktionen und andere Entscheidungen, etwa 1200 führten zu Klagen, die Hälfte haben wir gewonnen.

Wo sehen Sie Erfolge des Jobcenters?

Maul: Im Bereich der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer über 50 Jahren haben wir einen zukunftsweisenden Weg eingeschlagen. Unser Projekt „fitforjob“, in dem diese Personengruppe betreut wird, erzielt in diesem Jahr die 1500. Integration. Hier ist es uns gelungen, so erfolgreich Ausbildungsstellen zu besetzen, dass diese Kooperation mit dem Arbeitgeber auch 2015 fortgesetzt wird. Zudem bin ich davon überzeugt, dass wir es schaffen, jedem Suchenden einen Ausbildungsplatz oder eine Alternative zu bieten. Im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit haben wir die richtigen Weichen gestellt.