Duisburg. . Das Institut Apeiros will in Duisburg mit einem Präventiv-Modell potenzielle Schulverweigerung frühzeitig erkennen und verhindern helfen. Notorische Schulschwänzer werden daheim abgeholt - und zur Not auch aus dem Bett geworfen.

Die roten und orangenen Kästchen machen sehr schnell deutlich, wo es brennt. Häufen sie sich, ist das Kind auf dem besten Weg, ein Schulverweigerer zu werden. Oder ist es schon. In Duisburg startet jetzt ein Projekt, das zum einen durch Präventionsmaßnahmen wie systematische Kontrolle die Zahl der Schulverweigerer verringern und zum anderen die härtesten Fälle zur Rückkehr in die Schule bewegen will.

Die Haniel-Stiftung hat dafür letztes Jahr zusammen mit dem Jugendamt Apeiros nach Duisburg geholt. Das Institut aus Wuppertal hat sich auf die soziale Integration von Schülern und jungen Arbeitslosen spezialisiert. In einem Schulungsraum im Evangelischen Gemeindezentrum in Ruhrort sollen ab August sechs Schulverweigerer intensiv betreut werden.

Fehltage haben sofort Konsequenz

Für das Präventionsprojekt konnten sechs Haupt- und sieben Gesamtschulen gewonnen werden. Vier Diplom-Pädagogen und Sozialarbeiter helfen den Schulen beim Aufbau des Kontroll-Systems. Und da kommen die roten und orangenen Kästchen ins Spiel. Fehlzeiten verschwanden im Schulalltag oft im Klassenbuch, wurden erst zu den Zeugnissen aufgerechnet, erklärt Apeiros-Geschäftsführer Stefan Schwall. Fiel ein Kind negativ auf, war es eher eine Frage des Bauchgefühls. An den Schulen werden die Fehlzeiten nun täglich systematisch erfasst. Auf einen Blick ist zu erkennen, ob ein Kind regelmäßig zu spät kommt, ganze Tage fehlt, entschuldigt ist oder nicht.

Das erste Ergebnis: „An sieben Schulen waren es über 60 Kinder, die über die Hälfte der Zeit fehlten“, sagt Schwall, der das Konzept entwickelt hat. Der ehemalige Gymnasiallehrer und Heimleiter will Ordnungsamt, Jugendamt und Schule so vernetzen, dass sie gemeinsam und vor allem sofort reagieren können. Eltern und Schüler sollen spüren, dass ihr Handeln Konsequenzen hat. Lehrer allein hätten nicht die Ressourcen dafür, hat Schwall beobachtet. Das Projekt läuft in fünf Städten und soll nach fünf Jahren messbare Effekte zeigen.

Die härtesten Fälle haben Fahrservice inklusive

Parallel dazu werden die härtesten Fälle in Ruhrort „beschult“, inklusive Fahrservice: Da schon das Aufstehen in manchen Familien ein Problem ist, stehen Apeiros-Mitarbeiter morgens auf der Matte und sammeln die Schulabbrecher ein, haben teils sogar Wohnungsschlüssel, um die Schwänzer aus dem Bett zu holen. In ganz kleinen Schritten werden dann aus Kindern wieder Schüler.

Das Kooperationsprojekt „Bildung als Chance“ will die Perspektiven von bildungsbenachteiligten Jugendlichen verbessern und zugleich für Bildungsgerechtigkeit sorgen. Dazu hat die Haniel-Stiftung die vier Sozialunternehmen Teach First Deutschland, Chancenwerk e.V., Apeiros e.V. und Ashoka Deutschland in Duisburg zusammengebracht. Sie sollen sich gegenseitig unterstützen, voneinander lernen, den Kindern Wege ebnen. Die Finanzierung übernimmt für die ersten Jahre die Welker Stiftung. Bis 2016 sollen 70 Prozent der Duisburger Gesamt-, Haupt-, und Realschulen erreicht werden.

Bußgelder für Schulschwänzer 

„Schulpflichtverletzungen“, wie die Schulschwänzerei im Amtsdeutsch heißt, müssen ordnungsrechtlich verfolgt werden. Für Förder-, Grund- und Hauptschulen ist die Kommune zuständig, für die anderen Schulformen die Bezirksregierung. Pro gemeldetem Fall (in der Regel ab drei Tage Fehlzeit) werden 200 Euro je Erziehungsberechtigtem verhängt. Im Wiederholungsfall verdoppelt sich der Betrag auf auf bis zu 1000 Euro. Die Bezirksregierung hat ihre Bußgelder ebenfalls gestaffelt - von zehn bis 1000 Euro.

In Duisburg werden jedoch nicht stringent Bußgelder verhängt, sagt Ralf Kalveram, der Leiter des Amtes für schulische Bildung. Zum einen seien viele Betroffene nicht zahlungsfähig, zum anderen sei dem Kind damit nicht geholfen. Im „Kompendium zum Schulabsentismus“ sei daher verabredet worden, Wege zu finden, um Schulverweigerer an die Schulen zurückzuholen.