Duisburg.. Tausende Besucher erkundeten Industriekultur. Über 700 Gäste pilgerten ins Landesarchiv: Beschwerden über die Einlass-Praxis. Feuerwerke im Innenhafen und Landschaftspark als krönender Abschluss
Auch der Dauerregen konnte die Besucher nicht abhalten: Rund 150.000 Menschen kamen zur „Extraschicht“ und entdeckten die Orte der Industriekultur in der Metropole Ruhr. In Duisburg pilgerten Tausende zu Veranstaltungen in den Landschaftspark Nord, das Binnenschifffahrtsmuseum sowie ins Landesarchiv und den Innenhafen.
Mit dabei war erstmals das Landesarchiv NRW im Innenhafen und gewährte zu später Stunde Einblicke in die dort lagernden Unterlagen zur Geschichte des Landes. Der Andrang in der großen Schatzkammer war enorm – ebenso wie der Ärger bei einigen Besuchern. Verwirrung stiftete zumindest kurzzeitig die Einlass-Praxis: Die Architektenkammer NRW hatte anlässlich des Tags der Architektur kostenlose Führungen durch das Archiv für den gleichen Tag angekündigt. Die Mitteilung sei allerdings laut einer Sprecherin nicht mit dem Landesarchiv abgesprochen worden. Dort sei man von der Stadt instruiert worden, nur Gäste mit kostenpflichtigen Karten für die Extraschicht einzulassen. Vielen Besuchern stieß das sauer auf und es kam zu einigen Beschwerden. Im Laufe des Abends entschied das Landesarchiv, alle Besucher doch kostenfrei einzulassen. Insgesamt erkundeten über 700 Besucher die Archiv-Schätze. Wer an einer der Führungen durch das imposante Gebäude teilnahm, brauchte Geduld: Wartezeiten von bis zu anderthalb Stunden waren keine Seltenheit.
Landschaftspark lockte nach Meiderich
Szenenwechsel: Mit einem bunten Musikprogramm und Mitmachaktionen lockte das Industriedenkmal Landschaftspark nach Meiderich. Unter den Besuchern waren sowohl junge Pärchen als auch Familien und Rentner. Je später der Abend, desto lauter wurde es. Musiker Eddie Arndt und später Laith Al-Deen verzückten zu fortgeschrittener Stunde die Zuhörer auf der Open-Air-Bühne. Insgesamt konten die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden.
Fast ebenso musikalisch war es im Binnenschifffahrtsmuseum, in das zahlreiche Gäste zur Extraschicht ihren Weg fanden. Dort genossen die Besucher neben Besichtigungstouren durch das ehemalige Schwimmbad die Klänge des Bläser-Oktetts der Duisburger Philharmoniker und auch maritime Musik eines Hafenchors.
Großes Feuerwerk am Hafen
Zurück im Innenhafen zu vorgerückter Stunde: Nicht weit vom Landesarchiv strömten die Gäste ins Kultur- und Stadthistorische Museum oder ins Explorado – Deutschlands größtes Kindermuseum. Krönender Abschluss für eine verregnete, aber dennoch gelungene Extraschicht waren große Feuerwerke im Hafen und über den Hochöfen im Meidericher Landschaftspark Nord. Besucher waren von den bunten Bildern, die den Abendhimmel erstrahlen ließen, begeistert.
Ein Streifzug durch die Nacht
Irene Ebert (50) ist mit dem Schiff vom Innenhafen nach Ruhrort gekommen. Mit vielen anderen geht sie von Bord und bahnt sich ihren Weg zum Binnenschifffahrtsmuseum. Auf dem Rücken einen Rucksack und in der Hand ein Fotoapparat. Ehemann Gerd (52) hält derweil den Regenschirm. Die beiden sind bestens ausgerüstet für die „Extraschicht“. Sie möchten viele Erinnerungen sammeln in dieser Nacht der Industriekultur: Im Landesarchiv waren sie bereits, im Binnenschifffahrtsmuseum wollen sie maritime Musik hören und zum Schluss wieder im Innenhafen das Feuerwerk bestaunen.
Mit Bussen zu den Spielorten
So wie das Ehepaar Ebert sind vielerorts die Menschen unterwegs. Sie fahren in Bussen oder mit Schiffen von Spielort zu Spielort, besuchen Konzerte und Erkunden die Geschichte des Ruhrpotts. Es scheint, als schlafe Duisburg nicht in dieser Nacht. Der Dauerregen – für viele halb so wild. „So einen Abend lassen wir uns nicht vom Regen nehmen. Schließlich kann man sich überall unterstellen – im Innenhafen und auch sonst“, sagt Irene Ebert. Die Neuenkämperin freut sich schon seit Wochen auf die Extraschicht. „Ich finde, dass ist eine wirklich tolle Idee.“ Gleich soll es wieder in den Innenhafen gehen – mit dem Bus. „Das wird bestimmt ganz schön voll“, fürchtet Gerd Ebert und ergänzt: „Man hätte noch mehr Busse einsetzen sollen.“
Vor dem Binnenschifffahrtsmuseum stehen Lars Wintgen und Freundin Nadine Friemer. „Wir fahren jetzt in den Innenhafen, bummeln über die Promenade und genießen hinterher das Feuerwerk“, sagt Wintgen.
Führungen in das Herz des Archivars
Wer in Richtung Innenhafen fährt – ganz gleich, ob mit dem Auto, einem Schiff oder mit dem Bus – sieht schon aus der Ferne das imposante Landesarchiv. Für viele ist der Besuch dort eines der Highlights der Extraschicht. Führungen in das Herz des Archivars, wo Jahrhunderte alte Schriften bei konstanten 18 Grad und nicht mehr als 50 Prozent Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden, und auch Mitmachaktionen begeistern dort die Besucher: Hoch oben in der fünften Etage untersucht Archiv-Mitarbeiter Matthias Frankenstein mit Besuchern alte Schriftrollen. Der 13-jährige Sebastian Lind hat sich dort mit Papa Daniel ein Dokument aus dem 16. Jahrhundert zeigen lassen. „Das war echt spannend“, sagt Sebastian.
Einige Stunden später blitzt das Feuerwerk im Innenhafen in Michaela Tennens Augen: „Krass“, sagt sie nur. Ein toller Abschluss für einen spannenden Abend. Sie wusste zuerst nicht, ob sie die Raketen im Hafen oder im Landschaftspark beobachten soll. „Ist sicher beides gleich gut“, sagt sie.