Duisburg. Täglich macht Kerstin Jurczynski im Duisburger Zoo ihre Runden. Die Tierärztin hat 2.500 Patienten. In manchen Gehegen drehen die Bewohner gleich ab, wenn sie die Veterinärin entdecken. Andere Zoo-Tiere lassen sich brav untersuchen. So wie Madeleine, die Seehund-Dame.
Madeleine hatte immer das rechte Auge zugekniffen. Salben und Antibiotikum blieben wirkungslos. Erst nach einer Narkose konnte man der Dame näher ins Auge schauen und die Diagnose stellen: Eine Birkenblüte lag auf der Hornhaut.
Madeleine ist im reifen Alter von 22, ein ansonsten agiler Seehund und einer von 2500 Patienten von Zoo-Tierärztin Kerstin Jurczynski.
Fast täglich gehen Hilferufe aus den zwölf Revieren bei der 34-Jährigen ein. Mal ist es der verletzte Rote Vari, der beim Kampf um die Rangordnung den Kürzeren zog und sich tiefe Wunden im Schwanz zuzog. Dann heißt es operieren und nähen. Oder in der Eselgruppe wurde Durchfall gemeldet, weil die Tiere Currywürste verdrückt hatten. Menschliche Speisereste vom klebrigen Gummibärchen bis zum Popcorn landen oft in den Gehegen.
Täglich macht Kerstin Jurczynski ihre Runden. Bei den hoch entwickelten Säugetieren wie Delphinen oder Gorillas trifft sie auf Patienten, die es der Tierärztin oft leicht machen. Bei der Ultraschall-Untersuchung etwa dreht sich „Daisy” im Wasser auf die Seite und lässt sich abtasten.
Das Vertrauen der Tiere ist groß
„Ich bin auf die Mithilfe der Pfleger ebenso angewiesen wie auf die Kooperation der Tiere”, sagt die Veterinärin. So leicht die Patienten in ihre Rolle schlüpfen, so viel steckt an Arbeit der Pfleger dahinter. So nehmen die Tümmler die Geräusche bei der Ultraschall-Untersuchung wahr, müssen sich erst an die fremden Töne gewöhnen. Das Vertrauen der Tiere ist groß. Auch wenn es nach Untersuchungen Extrahappen gibt, gilt für die Tierärztin immer die Freiwilligkeit. „Wenn sie nicht wollen, lassen wir's.”
Bei den Elefanten würde sich die Medizinerin nicht allein aufs Gehege trauen. „Wenn ich Blut abnehmen will, muss der Pfleger dabei sein.” Wie auch bei den Gorillas, die dank eines Medical-Trainings bereitwillig die Brust ans Gitter halten, „dann kann ich das Stethoskop ansetzen” oder den Kopf drehen, um im Ohr Temperatur messen zu können.
Als Geburtshelferin war Kerstin Jurczynski nur einmal gefragt. Ein Rentierkalb holte sie per Kaiserschnitt.
In manchen Gehegen drehen die Bewohner gleich ab, wenn sie die Frau entdecken, die mitunter auch mit Spritze oder Blasrohr anrückt. „Die haben mich nicht in guter Erinnerung”, weiß die 34-Jährige. Gelegentlich kann sie auch bei Menschen keine neuen Freunde gewinnen. Wenn einem Rekonvaleszenten im Gehege demnächst der Abflugtag bevorsteht, werden Teichbesitzer schon die Flinte laden: Kerstin Jurczynski hat einen Reiher aufgepäppelt, dem ein Luftgewehrprojektil im Bein steckte. Er wird wohl bald wieder die Teiche abfischen.