Duisburg. . Die Anfragen von Ahnenforschern machen mittlerweile einen Großteil der Arbeit im Stadtarchiv aus. Viele Familiengeschichten sind dort gut zu ergründen. Standesamtsregister und Kirchenbücher reichen nahezu lückenlos bis 1610 zurück und sind durch Namenslisten gut erschlossen.

In Kirchenbüchern und Meldeakten, Steuerlisten und Adressbüchern schlummern abertausende Duisburger Familiengeschichten und Schicksale. Bei der Suche nach historischen Spuren der eigenen Sippe zu helfen, macht mittlerweile einen Großteil der Publikumsarbeit im Stadtarchiv aus. Das Aktenlager am Innenhafen ist dafür mit gut erschlossenen und reichen Beständen gerüstet.

2009 öffnete der Gesetzgeber die Standesamtsregister im Archiv über Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle für jedermann (natürlich mit Fristen). Die Reform habe einen Boom ausgelöst, sagt Archivarin Monika Nickel.

500 Bürger nutzten das Archiv im vergangenen Jahr persönlich, im Schnitt an drei Tagen, drei Viertel davon Familienforscher. Weitere 1500 schickten Anfragen nach Familiendaten per E-Mail. „Noch haben wir keinen Rückstau, beantworten Anfragen relativ zügig in ein bis zwei Wochen”, ergänzt Archivchef Dr. Andreas Pilger.

Frieda, das Duisburger Findelkind

Wie viel historischer Stoff in den Familienakten steckt, erfuhr der Historiker und angehende Archivar Marinko Jelusic, als er das Schicksal eines kleinen Mädchens recherchierte. Ein Findelkind. Die erste Spur: Die Geburtsurkunde von Frieda Hohlbein. Angezeigt von der Hebamme Meta Schöppe am 1. September 1898.

Geboren wurde Frieda schon im Februar des Jahres. Die Eltern (Mutter Lydia sei nur „angeblich die Ehefrau“ eines reisenden Kleinhändlers, heißt es in der Urkunde) seien verschwunden.

Im Waisenhaus gestorben

In der zugehörigen Sammelakte findet Jelusic mehr über das Schicksal des Säuglings, nämlich den Strafantrag eines Gastwirts an der Unterstraße, bei dem die Eltern Hohlbein wohl gewohnt und das Kind entbunden hatten. Er habe das Kind in Pflege, die Eltern hätten sich nach der Niederkunft „heimlich davon gemacht”, gibt er zu Protokoll. Er fordert Pflegegeld und Abholung des Kindes. Als Spur zu den leiblichen Eltern überlässt er der Polizei Packungen von „Harzer Gebirgsthee”, geliefert aus Berlin, die Schachteln platt und säuberlich in die Akte eingeklebt. Mit dem Tee war der Vater wohl als Vertreter unterwegs.

Frieda stirbt, nur fünf Monate alt, in einem Essener Waisenhaus. Als die Hebamme ihre Geburt anzeigt, ist das Mädchen schon tot. Die Eltern bleiben wohl verschwunden. „Wir wissen leider nicht, wie die Geschichte weitergeht”, sagt Jelusic. Nur so viel aus heutiger Sicht: „Da kriegt man Gänsehaut.”

Das Stadtarchiv bietet umfangreiche Datenschätze. In dicken Folianten (Geburten weiß markiert, Hochzeiten rot, Sterbefälle gelb) sind die preußischen Standesamtsregister ab 1874 und aus den früher selbstständigen Stadtteilen vorhanden: 3600 Bände bisher, jedes Jahr kommen 120 hinzu. Seit drei Jahren werden die Folianten digitalisiert, 15 % sind bisher erfasst.

Kirchenbücher bis 1610

Ahnenforscher kennen nur eine Richtung: rückwärts! Vor 1874 helfen Kirchenbücher weiter, die in Kopie aus allen Gemeinden vorliegen. 430 Bände, die ältesten aus Liebfrauen (katholisch) und Salvator (evangelisch) reichen bis 1610 zurück, die Bestände sind durch Namenslisten erschlossen. „Bis ins 17. Jahrhundert können wir Familiengeschichten sehr gut recherchieren”, erklärt Pilger.

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Daneben gibt es viele Akten, in denen sich Namen, Daten und Details finden: Adressbücher ab 1861, Listen zu Volkszählungen, militärische Erhebungen, Abgabenrechnungen über die Produktion von Tabak, Schiffsdienstbücher oder Feuerversicherungen. Wer wissen will, ob Opa ein Schwänzer war, wird womöglich in Schulversäumnislisten fündig. Aus Holten und Beeck gibt es ein Armenkataster, aus Huckingen Jagdpachtkataster, aus Hochemmerich Deichschauregister und Impflisten. Ein Findbuch mit allen Quellen zur Familienforschung füllt 300 Seiten.

Weitergehende Infos zu Personen finden – das ist die Kür für Ahnenforscher 

Die nackten Daten für die Äste eines Stammbaums sind schnell zu finden, weitergehende Infos zu Personen in den Papierbergen aufzustöbern, wird schwieriger. „Das ist die Kür für Ahnenforscher”, lacht Andreas Pilger.

Manchmal stecken Schicksale in den staubigen Akten. Eine Finnin – wohl die Tochter einer Kriegsliebelei – suchte nach ihrem Vater. Sie wusste nur, dass er aus Duisburg kam. Die Archivare fanden Einträge, er war inzwischen verstorben. „Es gab aber noch Halbgeschwister”, erzählt Andreas Pilger. Solche Familienzusammenführungen gebe es häufiger, ergänzt Monika Nickel. „Dann ist die Arbeit natürlich nicht so nüchtern.”

Ahnenforschung im Stadtarchiv Duisburg

  • Das Stadtarchiv (Karmelplatz 5 am Innenhafen) ist Di, Mi und Fr 9-13 sowie Do 13-18 Uhr geöffnet. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Nur wer komplexe Zusammenhänge ergründen will, sollte vorher anfragen.
  • Anfänger sollten vorm Besuch im Archiv bekannte Daten und Anhaltspunkte zur Familie notieren. Die Akten beziehen sich nicht auf die Gesamtstadt, sondern auf die früher selbstständigen Gemeinden. „Ruhrort müssen wir woanders suchen als Hamborn”, sagt Andreas Pilger.
  • Besuch und Aktenlektüre sind kostenlos. Kopien sind teuer und bei Archivaren wenig beliebt, digitale Fotos sind gegen eine geringe Gebühr möglich.
  • Wer die Archivare forschen lässt, zahlt dafür je halbe Stunde 11, als Profi (z.B. Erbenermittler) 25 Euro.

Die Duisburger Archivare machen Sippensuchern die Wühlarbeit leicht. Eine Anmeldung ist nicht nötig, gewünschte Akten liegen meist binnen zehn Minuten auf dem Tisch. Selbst lesen und Daten abschreiben ist kostenlos. Wer Urkunden mit dem Handy abfotografieren möchte, zahlt fünf Euro pro Tag. Im Laufe des Jahres soll der Lesesaal mit Computern ausgestattet werden, um Zugriff auf digitalisierte Bestände zu ermöglichen.

Manchmal eine Hürde: die Schrift. Während die Standesbeamten meist Schönschreiber waren (trotzdem bringt mancher Forscher seine Großmutter mit, um die Sütterlinschnörkel zu entziffern), sind die Kirchenbücher eine Herausforderung. Ein Pfarrer der Gemeinde Liebfrauen aus dem 19. Jahrhundert ist unter Ahnenforschern besonders berüchtigt für seine furchtbare Schrift.