Duisburg. Die Prostituierten in Duisburg arbeiten unter den schlechtesten Bedingungen: Oft sprechen die Frauen kein Deutsch und müssen sich für immer weniger Geld verkaufen. Es fehlt eine Krankenversicherung und die nötige Aufklärung über Verhütung. In Folge dessen steigt die Zahl der Geschlechtskrankheiten.

Mit über 400 genehmigten Räumen für Prostitution hat Duisburg im Rotlichtviertel zwischen Vulkan-, Charlotte- und Julius-Weber-Straße eines der größten Laufhäuser Europas. Die Mehrheit der Frauen, die dort arbeiten, sprechen kaum oder nur ungenügend Deutsch, bieten aufgrund der vielzähligen Konkurrenz ihre Dienste zu immer niedrigeren Preisen an, haben oft keine Krankenversicherung und sind in den seltensten Fällen für ihre Arbeit ausreichend aufgeklärt über Verhütung und Vermeidung von sexuell übertragbaren Krankheiten.

Finanzierung fehlt

Diese Situation der Sex-Arbeiterinnen hat sich seit Jahren nicht gebessert, eher noch verschlechtert durch die Ausweitung des Rotlichtviertels in den vergangenen Jahren. „Es fehlt einfach eine ortsnahe Beratungs- und Anlaufstelle.“ Diplom-Sozialarbeiterin Iris Sperg, die seit gut 20 Jahren als Prostitutierten-Beraterin in den Bordellen unterwegs ist, wird nicht müde, auf diesen Miss-Stand hinzuweisen und um eben diese szenenahe Beratungsstelle zu kämpfen. „Der Sinn und Nutzen, einer solchen Beratungsstelle wird schon eingesehen. Politiker in Duisburg würden das unterstützen. Doch es fehlt die Finanzierung“, fasst Iris Sperg das Dilemma zusammen.

Noch im März vergangenen Jahres hatten Grüne und Linke in der Bezirksvertretung Mitte gemeinsam beantragt, die Stadtverwaltung solle prüfen, ob sich für die Einrichtung einer solchen Stelle Mittel und entsprechede Räumlichkeiten finden lassen. Geschen ist indes nichts. Auch ein zuvor gemeinsam mit dem Verein „Bürger für Bürger“ unternommener Versuch, auf reiner Spendenbasis die dringend notwendige milieunahe Beratungsstelle in einem Container an der Vulkanstraße aufzubauen, ist gescheitert.

Frauen sprechen oft kein Deutsch

Nach wie vor müssen Prostituierte, die Rat bei sozialen Schwierigkeiten, Schulden oder bei gesundheitlichen Problemen suchen, nach Ruhrort fahren, wo 2011 alle Dienstleistungen des Gesundheitsamtes gebündelt wurden.

Und das ist ein Problem; eines, dass sich mittelbar auch auf die Allgemeinbevölkerung auswirken kann. Das Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken wächst. „Über 60 % der Frauen, die in den Laufhäusern des Rotlichtviertels arbeiten, kommen aus Bulgarien oder Rumänien. Die meisten sprechen gar kein Deutsch oder nur unzureichend, und nicht wenige sind Analphabetinnen. Das sehen wir oft daran, wie sie mit unserem gedruckten Info-Material umgehen, das wir dort verteilten“, schildert Iris Sperg die Situation.

Weil sie in der Regel auch keine muttersprachlichen Dolmetscher als Begleitung habe, werde die Verständigung mit den Frauen oft von anderen Prostitutierten übernommen, die ein wenig mehr der deutschen Sprache mächtig seien. Wobei auch da nicht sicher sei, ob diese alles richtig verstünden. „Und die Frauen, die kaum Deutsch sprechen geschweige denn lesen können, nutzen natürlich auch nicht die öffentlichen Verkehrsmittel, um zu uns nach Ruhrort zu kommen, um sich etwa auf sexuell übertragbare Krankheiten untersuchen zu lassen.“

Häufig bestehe auch kein Krankenversicherungsschutz. Iris Sperg: „Wenn die Frauen alle paar Monate mal in ihr Heimatland fahren, lassen sich einige dort dann untersuchen. Das hängt aber davon ab, ob sie in ihrem Heimatland krankenversichert sind. Und das ist auch nicht bei allen der Fall.“

Huckepack-Infektionen

Die Folge: Krankheiten können sich ungehinderter und auch unerkannt ausbreiten. Eine Chlamydien-Infektion etwa, die zu den in Deutschland häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten zählt. Sie verursachen kaum bis gar keine Beschwerden, können aber unbehandelt zu Unfruchtbarkeit führen. Auch eine Trichomonaden-Infektion verläuft bei Männern meist symptomlost. Freier, die sich mit Trichomonaden infiziert haben, könne diese aber weiter übertragen.

Höhen- und Tiefenverläufe habe es beim Auftreten der Gonorrhö (Tripper) immer schon gegeben, sagt Iris Sperg: „ Aber sie greift jetzt wieder mehr um sich.“ Auch diese sexuell übertragbare Infektion verursacht oft keinerlei Beschwerden und bleibt deshalb unentdeckt. All diese Erkrankungen können auch weiteren Infektionen einen Nährboden bieten, sind Wegbereiter für sogenannte „Huckepack-Infektionen“, auch HIV.

Mangelnder Schutz

Eindämmen und unter Kontrolle bringen ließen sich solche Infektionen durch regelmäßige Untersuchungen und vor allem durch gezielte Aufklärung auch über schützende Maßnahmen wie etwa den Gebrauch von Kondomen. Doch bei den derzeitigen Preisen ab 20 € mit Kondom, ab 50 € ohne ist es denkbar, dass es so einige Frauen gibt, die bereit sind, auf das schützende Gummi zu verzichten.