Duisburg. Fast jeder zweite Mitarbeiter im Duisburger Werk des Papier-Herstellers Norske Skog muss gehen. Die erste Schicht im neuen Jahr wurde für 200 Mitarbeiter zum schwarzen Tag, sie erhielten die Kündigung. Da ein Großteil der Beschäftigten über 50 ist, wird es schwer für sie, einen neuen Job zu finden.
Fast jeder zweite Mitarbeiter beim Walsumer Papier-Hersteller Norske Skog muss gehen. Nur wen es treffen sollte, das wusste keiner von ihnen. Unter dem Tannenbaum sollte jedenfalls keine Kündigung liegen, hatte der Betriebsrat versprochen. Und daher mit der Geschäftsleitung vereinbart, dass diese erst ab dem 2. Januar Kündigungen ausspricht.
Als die 460 Beschäftigten vor genau einer Woche schließlich ihre erste Schicht im neuen Jahr antraten, begleitete sie nicht nur die große Ungewissheit auf dem Weg zur Arbeit, sondern oft sogar die nackte Existenzangst. Denn wen es treffen würde, war kaum auszurechnen. Zwar gab es die übliche Sozialauswahl über Altersgruppen, doch einige Mitarbeiter hatte die Geschäftsführung wegen ihrer besonderen Qualifikationen ausgenommen. So ähnelte der erste Arbeitstag in 2014 bei Norske Skog einer Job-Lotterie.
„Ich habe an diesem Tag gestandene Männer weinen sehen“, sagt einer der Betroffenen, der seinen Namen nicht in den Medien lesen will. Viele Mitarbeiter wohnen im Duisburger Norden, viele arbeiten seit Jahrzehnten bei dem Papierhersteller, der Mitte der Achtziger noch 1250 Beschäftigte zählte. Dementsprechend hoch ist der Altersschnitt, 270 Mitarbeiter sind älter als 50 Jahre. Einige können die Zeit bis zum Ruhestand überbrücken. Andere sind dafür zu jung, aber mit Mitte 50 für einen Neuanfang zu alt. „Das sind doch alles gute Leute. Aber was haben die noch für eine Perspektive?“, fragt einer und sorgt sich auch um Kollegen wie den Familienvater, der mit seiner Frau und zwei Kindern gerade erst in der Nähe ein Häuschen gekauft hat.
Kein Einschreiben, sondern persönliche Gespräche
So wurde die erste Schicht im neuen Jahr für 200 Mitarbeiter zum schwarzen Tag. „Schlimm“ sei dieser Donnerstag vor einer Woche gewesen, sagte der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Strauß im Gespräch mit der NRZ. „Aber für so eine Nachricht gibt es einfach keinen guten Zeitpunkt.“ Dennoch: Er zollt der Führungsriege in Walsum Respekt dafür, wie es gelaufen ist. „Jeder Mitarbeiter hat ein persönliches Gespräch mit seinem Vorgesetzten erhalten“, sagt Strauß und ist froh darüber, dass die Kündigungen nicht wie sonst üblich nach Hause geschickt wurden. „Das ist wirklich alles fair und sauber gelaufen.“ Der Betriebsrat selbst habe danach auch noch die Gespräche mit Mitarbeitern gesucht, war bis halb zwei nachts in den Hallen, auch anschließend am Wochenende.
Dass mit der Stilllegung einer der beiden Maschinen die Produktion und nahezu auch die Belegschaft halbiert werden sollte, war seit zwei Monaten bekannt. Vier Tage vor Weihnachten hatten Betriebsrat und Geschäftsführung den Sozialplan unterschrieben. „Das Optimale lässt sich dabei nie erreichen, aber für unsere Verhältnisse ist das ein guter Sozialplan. Wir haben mehr herausgeholt als ich persönlich gedacht hatte“, sagt Jürgen Strauß. In zwei Wochen soll feststehen, wie viele in die Transfergesellschaft wechseln, wo sie bis zu zwölf Monate geschult und qualifiziert werden. 80 Prozent ihres derzeitigen Nettogehalts erhalten sie in dieser Zeit, die Abfindung bleibt voll erhalten.
Wie sicher ist der Job der verbleibenden Mitarbeiter?
Wie sicher der Job der verbleibenden 260 Mitarbeiter ist, wird von der Entwicklung der Branche abhängen. Seit Jahren sinkt die Nachfrage nach Druckpapieren, in Europa und Nordamerika gibt es weiterhin enorme Überkapazitäten.
Erst am Mittwoch hat Norske Skog in Oslo bekannt gegeben, sich durch Anteilsverkäufe in Brasilien komplett aus der Papierproduktion in Südamerika zurückgezogen zu haben. Das Kerngeschäft sehe man in Europa und Australien. Das mag eine gute Nachricht sein für den Standort in Walsum, wo jetzt eine Maschine pro Jahr noch 200.000 Tonnen Papier für Zeitschriften und Prospekte produzieren wird.
Der Abbau der 200 Stellen ist ein erneuter Verlust von Jobs für Duisburg, vor allem auch für Walsum. Norske war bisher der größte Arbeitgeber im Ortsteil, knapp vor der Hövelmann-Gruppe mit rund 450 Mitarbeitern.