Duisburg.

Die Überreste eines Turmes am nördlichen Ende des Springwalls, ganz in der Nähe der Buckelbrücke, die dort den Innenhafen überspannt, wo vor 1000 Jahren noch der Rhein floss, lassen nur noch erahnen, wie imposant das Bauwerk einst war. Die nordöstliche Eck-Befestigung der mittelalterlichen Stadtmauer war 21 Meter hoch, überragte die Mauerkrone um zehn Meter. Doch viel bemerkenswerter ist der Umstand, der sich mit dem Namen des Turmes verbindet. Denn der „Koblenzer Turm“ wurde im 12. Jahrhundert von Koblenzern gebaut, unterhalten und in Kriegszeiten versorgt. Umgekehrt errichteten die Duisburger in Koblenz einen Wehrturm. Damit nicht genug: Wer das Duisburger Bürgerrecht besaß, hatte auch in Koblenz Rechte, die sonst nur die Ansässigen besaßen - und umgekehrt.

Die „doppelte Stadtbürgerschaft“ war vor allem durch intensive Handelsbeziehungen motiviert. Der Rhein, der Duisburg und seine damalige „Partnerstadt“ Koblenz verbindet - in heutigem Sprachgebrauch waren beide Städte Logistik-Drehscheiben - erlaubte aber nicht nur regen Handel. Die Handelswege waren auch Einfallstore für Kriegszüge. So verbanden sich Städte zu sogenannten Schutz- und Trutzbündnissen.

Anstößiges Geheimzeichen

Damit waren gewisse Privilegien verbunden. So mussten die Duisburger in Koblenz keinen Brückenzoll entrichten. Ein leicht anstößiges Geheimzeichen - der Daumen wurde in die geschlossene Faust gesteckt - signalisierte den Zöllnern, dass man kostenlos passieren durfte. Kaufleute waren wechselseitig von bestimmten Abgaben befreit, wenn sie mit ihren Schiffen in der anderen Stadt anlegten.

Zu den Pflichten gehörte der Unterhalt eines Teils der Stadtmauer. So bauten die Koblenzer ihren Turm in Duisburg, die Duisburger errichteten ein ähnlich imposantes Bollwerk an der Koblenzer Moselseite. Allerdings hieß er nicht „Duisburger Turm“, sondern zunächst ganz schlicht „der große neue Turm“, später „Ochsenturm“. Leider ist von dem mächtigen Rund, das eine benachbarte und gleichfalls von den Duisburgern gebaute Ausfallpforte bewachte, nichts übrig geblieben: Die Franzosen sprengten den Turm 1793.

Magistrat: „Der Turm bleibt!“

Wie ernst die Duisburger die Bündnis-Tradition auch in folgenden Jahrhunderten noch nahmen, beweisen Ratsprotokolle aus dem 18. Jahrhundert, als der Magistrat entrüstet das Ansinnen zurückwies, den „Coblentzer Thurn“ zu verkaufen oder anderweitig zu nutzen. Und auch in der Neuzeit, als die Zollfreiheit für Koblenz und Duisburg längst keine Rolle mehr spielte, gibt es reichlich Belege für ein Fortwirken der engen wirtschaftlichen Beziehungen: Peter Klöckner unterhielt in Koblenz eine Werft, bevor er in Duisburg ein großes Handelshaus gründete. Stinnes und Haniel belieferten von Ruhrort aus als erste Koblenz mit Kohlen. Die Fahrgastschiffe der Reederei Luwen legten neben der „Köln-Düsseldorfer“ am Deutschen Eck an.

Und als man dort vor 20 Jahren das Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm I. wieder errichtete, wurde der Sockel von der in Duisburg gegründeten Bauunternehmung Heilingbrunner renoviert.

Dank an den Koblenzer Wolfgang Henrich

Der Koblenzer Wolfgang Henrich - aus einer Familie mit Duisburger Wurzeln - hat sich mit dem Thema beschäftigt und 2009 im Urheber Verlag einen Beitrag unter dem Titel „Als die Duisburger Koblenzer waren: Zur Erinnerung an eine vergessene Partnerschaft“ veröffentlicht. Der Artikel beruht auf seinen Erkenntnissen.