Wie Satudarah-Nachbarn die Rocker seit der Razzia erleben
•
Lesezeit: 6 Minuten
1/12
Duisburg. Seitdem die Ex-Chefs des Satudarah-Chapters Clown-Town in Haft sitzen, ist es still um den Motorcycle Club geworden. Die Polizei lässt sich kaum noch blicken am Vereinsheim. Anwohner sprechen von Rockern, die Seniorinnen die Einkaufstaschen tragen. Im Internet sind die Duisburger Satudarahs seit der Razzia im April nicht mehr präsent. Die Rocker selbst behaupten: “Bei uns geht es weiter.“
"Biste nass geworden?" Der Mann hinterm Tresen begrüßt seinen ersten Gast an diesem Tag. "Hör bloß auf", schnauft der Neuankömmling und zieht seine tropfende Jacke aus. Ein frisch gezapftes Pils steht an seinem Platz. Die Männer sprechen über Regen, Gesundheit - "Kalkablagerungen in den Knochen". Im Radio läuft Bob Marley. Um 17 Uhr geht ein Mann in Lederjacke an der kleinen Kneipe vorbei und steuert auf das benachbarte Haus zu. "Satudarah Maluku" steht hinten auf seiner Kutte. Am Tresen ist man grad beim Thema Whiskeysorten angelangt. "O little darlin', don't shed no tears", singt Bob. Den Kuttenträger beachtet niemand.
Und trotzdem: Es ist Clubabend beim Satudarah Motorcycle Club Clown-Town in Duisburg-Rheinhausen. Das Chapter hat seit kurzem einen neuen Chef, dessen Identität die Rocker lieber erstmal für sich behalten. Nach und nach treffen die Männer an diesem Mittwochabend vor dem Vereinshaus an der Friedrich-Ebert-Straße ein. Einer steht vor der Tür, der Rest verschwindet im Inneren. Nichts Außergewöhnliches. Einzig die notdürftig angebrachten Holzbretter am Eingang lassen erahnen, dass hier zuletzt nicht immer Frieden geherrscht hat.
Fast zwei Monate ist es her, da sprengte die Polizei bei einer Razzia die Seiteneingänge des Clubs. Den Haupteingang zerlegten SEK-Beamte im Morgengrauen mit einer Kettensäge. Die dort vermuteten Drogen und Waffen fand man nicht. In der Wohnung von Yildiray K. – dem Ex-Chef der Duisburger Satudarahs, meist "Ali Osman" genannt – wurden die Beamten hingegen fündig: Ein geladenes Sturmgewehr, Typ AK-47, stellten sie dort unter anderem sicher. Jetzt sitzt K. in Untersuchungshaft, genauso wie sein ehemaliger Stellvertreter Baris T. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Drogen- und Waffenhandels gegen etliche Männer aus dem Umfeld der Gang, aber seit der letzten Razzia in der Rheinhauser Kneipe "Reichsadler" am 25. April herrscht Ruhe um den einzigen deutschen Ableger des Motorrad-Clubs aus den Niederlanden. Das sagt die Polizei. Das sagen auch die Anwohner.
Keine Angst vor den Nachbarn in Kutten
Einer läuft mit Einkaufstüten bepackt am Vereinsheim vorbei. Klar, die treffen sich noch, sagt er, "zwei bis dreimal die Woche seh' ich die hier". Aber es sei ruhiger geworden. "Hin und wieder schaut mal eine Polizeistreife vorbei." Das war's. Und Angst habe er ohnehin nie vor seinen Nachbarn in Kutten gehabt. Ein älterer Anwohner stimmt ihm zu: "Manchmal halten die mit uns ein Pläuschchen oder tragen alten Damen die Einkäufe bis zur Haustür."
Ob sie wüssten, dass die Polizei einigen Satudarah-Mitgliedern Verbindungen zur Unterwelt mit Menschen-, Drogen- und Waffenhandel vorwirft? Na, man sei sich schon darüber im Klaren, dass es denen nicht nur ums Motorradfahren geht. Und sicher habe man sich natürlich nicht gefühlt, als Unbekannte im Februar auf das Vereinsheim schossen. Damals riegelte die Polizei bei Satudarah-Clubtreffen die Friedrich-Ebert-Straße sogar mit einem Panzerwagen ab. Aber Zivilisten ließen die Rocker doch in Frieden. meinen ihre Nachbarn. "Das sind alles nur Interna", sagt der eine zwinkernd und zieht mit seinen Tüten von dannen.
Ein Familienvater, der direkt über dem Club der Rocker wohnt, erinnert sich noch gut an den großen Polizeieinsatz im vergangenen April. Um fünf Uhr morgens riss ein Knall die Familie aus dem Schlaf. "Wir sind über das Dach in eine andere Wohnung geklettert", berichtet seine junge Tochter und ihre Augen weiten sich. Das einzige, was ihren Vater dieser Tage störe, sei die Musik, die hin und wieder aus dem Club dröhne. "Dann geh' ich runter und beschwere mich bei denen", sagt er. "Da kenn' ich nichts." Angst habe er schon mal gar nicht. Eine andere Hausbewohnerin ist "einfach froh, dass die Polizei hier weg ist". Die Straßensperren, der Panzerwagen und der ganze Aufruhr. Das sei jetzt endlich vorüber.
Internetseite des Satudarah MC Clown-Town seit Razzia offline
Das Bild der bedrohlichen Rocker – es möchte sich bei den Rheinhausern, die ihre Namen nicht in den Medien lesen wollen, nicht so recht durchsetzen. Und zumindest die Ruhe, die derzeit um das Duisburger Chapter herrscht, kann auch Daniela Krasch, Sprecherin der Duisburger Polizei, bestätigen: "Die entscheidenden Vereins-Mitglieder haben wir festgenommen", sagt sie. Die Szene habe man dennoch weiterhin im Blick.
Satudarah MC in Duisburg
1/37
Und dort bewege sich einiges, behauptete zumindest Jan "Miami Gianni" Sander kürzlich auf Anfrage: "Wir wachsen, bei uns geht es immer weiter." Er sei jetzt neuer Vize-Präsident des Duisburger Chapters. Ex-Chapter-Boss "Ali Osman" habe den Posten des "National" besetzt. Heißt: er ist Deutschland-Chef. Bislang hat der Satudarah MC hierzulande allerdings nur das eine Chapter in Duisburg. Dessen Internetseite ist seit den Festnahmen offline. Den Ableger in Krefeld gibt es nur virtuell. In Düsseldorf und Kleve, so hatte die Satudarah-Spitze es angekündigt, wollte der Club noch weitere Chapter gründen. Passiert ist bislang anscheinend jedoch nichts dergleichen.
"Die machen doch nur Spässken"
Damit bleibt Rheinhausen fürs Erste Dreh- und Angelpunkt für den maximal 40 Mann starken Satudarah MC in Deutschland. Und das scheint in dem Stadtteil kaum jemanden zu stören. Die machten doch nur "Spässken", erzählt eine Nachbarin, die sich und ihren Hund mit einem grasgrünen Regenschirm vorm schlechten Wetter schützt. "Meine Nachbarn können denen fast auf den Tisch gucken, die trinken nicht mal mehr Bier, nur Limonade", meint sie. Für das Polizeiaufgebot in der Vergangenheit hat sie dann aber doch Verständnis. "Die müssen die Situation unter Kontrolle halten." Mit Spaß hatten die brutalen Auseinandersetzungen zwischen dem Satudarah MC und den Hells Angels Anfang des Jahres jedenfalls nichts mehr zu tun.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.