Leiden/Duisburg. In Duisburg wird wegen Drogen- und Waffenhandels gegen Satudarah-Rocker ermittelt. Niederländische Ermittler betrachten die grenzüberschreitenden Expansionsbemühungen des Motorradclubs mit Sorge. Zwei Ermittler über Strategien der Bande, Berichte geheimer Informanten und die Zusammenarbeit mit deutschen Behörden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Drogen- und Waffenhandels gegen eine größere Anzahl von Rockern aus dem Umfeld des Duisburger Chapters „Clown-Town“ der niederländischen Rockergang Satudarah. Präsident Yildiray K. („Ali Osman“, 40) und der ehemalige Vize (25) des ersten deutschen Satudarah-Chapters sitzen wie ein weiteres Gangmitglied und ein Unterstützer der Gruppe (23 und 27) in Untersuchungshaft. Zeitgleich zur Festnahme von K. am 9. April durchsuchte die niederländische Polizei mehrere Gebäude und nahm in Venlo einen 36-Jährigen fest. Die nationale niederländischen Staatsanwaltschaft verdächtigte die Holland-Rocker danach öffentlich, ihren deutschen Ableger im großen Stil mit Drogen beliefert zu haben.
Die niederländischen Ermittler betrachten die grenzüberschreitenden Expansionsbemühungen des Satudarah MC mit Sorge. WAZ-Redakteurin Fabienne Piepiora hat sich mit Joep Pattijn, dem Koordinator einer nationalen Ermittlungskommission, die sich mit Motorradclubs in den Niederlanden beschäftigt, und Miranda Post, Pressesprecherin der Nationalen Polizei, über die Rocker, ihre Geschäftsmodelle sowie die internationale Zusammenarbeit der Behörden unterhalten.
Wie viele Mitglieder zählt Satudarah in den Niederlanden eigentlich?
Joep Pattijn: Das kann man so genau nicht sagen. Auf der Homepage werden 22 Chapter aufgezählt, allerdings kann es sein, dass die einzelnen Gruppen nur aufgeführt werden, um Größe und Stärke zu demonstrieren. Wir haben mal stichprobenartig einige Adressen kontrolliert und haben keine Mitglieder angetroffen und auch sonst nichts gefunden, dass tatsächlich auf einen Treffpunkt hinweist. Insgesamt gibt es in den Niederlanden zehn verschiedene Vereinigungen, die sich zu den so genannten Ein-Prozentern zählen. Das sind die Clubs, die sich als die wahren Motorradfahrer verstehen und die auch vor kriminellen Geschäften nicht zurückschrecken („Outlaw Motorcycle Gangs“, so die Bezeichnung deutscher Ermittler, d. Red.).
Seit der Duisburger Motorradclub „Brotherhood Clown-Town“ im Sommer 2012 zum Satudarah MC In Duisburg wechselte, gab es Sprengstoffanschläge auf Gebäude der Hells Angels, außerdem Massenschlägereien und Schießereien zwischen Hells Angels und Satudarahs. Aus den Niederlanden hört man wenig von Auseinandersetzungen zwischen Hells Angels und Satudarah.
Pattijn: Das täuscht.Tatsächlich haben die Hells Angels in den 90er Jahren Satudarah an einen Runden Tisch gebeten. So lange die Bandidos sich nicht in die Niederlande trauen und Satudarah keine Anstalten mache, ins Ausland zu expandieren, werde es keine Auseinandersetzungen geben, war damals eine der Absprachen. Viele Jahre ging das gut, bis Satudarah in Belgien, Skandinavien und Deutschland neue Chapter eröffnete. Seitdem gibt es auch bei uns immer wieder Zwischenfälle.
Zum Beispiel?
Pattijn: Von unseren geheimen Informanten wissen wir, dass es Spannungen zwischen Satudarah und Hells Angels gibt, allerdings bekommt die Außenwelt davon relativ wenig mit. Wir wissen von einem geplanten Treffen, bei dem die Polizei Mitglieder von Satudarah kontrolliert und mit schusssicheren Westen angetroffen hat. Das ist doch recht ungewöhnlich, wenn man mittags eigentlich nur auf der Terrasse sitzen will.
Ermittler konzentrieren sich auf Verhalten einzelner Satudarah-Mitglieder
Inwieweit beeinflussen die Auseinandersetzungen der Rocker das öffentliche Leben?
Pattijn: Wenn die Rocker unterwegs sind, treten sie massiv auf. Sie fahren zum Beispiel in Dreierreihen durch die Stadt, steigen in Kneipen und Cafés ab und machen deutlich, dass die anderen Gäste besser den Laden verlassen sollen. Viele gehen aber auch freiwillig, wenn sie die Rocker kommen sehen. Da ist es dann die Aufgabe von uns, aber auch des Bürgermeisters, zu sagen, dass so ein Verhalten nicht geduldet wird.
SEK stürmt Satudarah-Heim
Womit verdient der Club in den Niederlanden sein Geld?
Miranda Post: Uns interessieren nicht so sehr die Clubs, wir schauen uns das Verhalten einzelner Mitglieder an, ob sie beispielsweise gegen Gesetze verstoßen. So wissen wir, dass einige kein Geld verdienen, aber Verbindungen zur Unterwelt mit Menschen-, Drogen- und Waffenhandel haben.
Kann man von organisierter Kriminalität sprechen?
Pattijn: Wir versuchen in jedem Fall herauszufinden, ob es sich um Geschäfte von einzelnen Mitgliedern handelt oder ob der gesamte Club darin verwickelt ist.
Warum ist es für Satudarah eigentlich so wichtig, auch im Ausland aktiv zu sein?
„Hells Angels und Satudarah verfolgen ausgefeilte Medienstrategie“
Post: Wenn man sich die Struktur der Clubs anschaut, kann man die Organisation fast mit einer Firma vergleichen. Die Gruppe wollte expandieren, um zu wachsen und international mithalten zu können.
In Deutschland wird darüber nachgedacht, das einen oder andere Chapter zu verbieten.
Post: Das Recht auf Geselligkeit und Versammlungsfreiheit ist in den Niederlanden sehr wichtig. Deshalb gibt es bei uns keine Diskussion darüber, die gesamte Organisation zu verbieten. Stattdessen konzentrieren wir uns auf das Verhalten der einzelnen Mitglieder – gemeinsam mit unseren Partner, den Kommunen, den Finanzbehörden und dem Ordnungsämtern. Wir achten genauestens darauf, ob beim Umbau von Vereinsheimen alle Regeln eingehalten werden. Wenn nicht, greifen wir ein.
Die Hells Angels haben vor einigen Jahren in Amsterdam eine Charme-Offensive gestartet, indem sie einen Tag der offenen Tür veranstaltete, Lose verkauften und später demonstrativ einen Scheck an eine Stiftung übergeben haben. Was setzt die Polizei dem entgegen?
„Hells Angels und Satudarah verfolgen ausgefeilte Medienstrategie“
Post: Hells Angels und Satudarah verfolgen tatsächlich eine ausgefeilte Medienstrategie. Wir machen unsererseits Kampagnen und versuchen in Zusammenarbeit mit der Presse deutlich zu machen, dass es sich nicht um die lieben Motorrad-Onkel handelt, als die sie sich immer geben.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen?
Pattijn: Wir kennen die Kollegen entlang der Grenze. Das ist wichtig, damit wir schnell und gut zusammen arbeiten können. Wir tauschen uns regelmäßig aus. Ein Beispiel: Als in Duisburg die beiden hochrangingen Satudarah-Mitglieder festgenommen wurden und uns ein Amtshilfegesuch ereilte, reagierten unsere Kollegen in Venlo sofort und haben in Venlo einen Mann festgenommen. Manchmal wissen wir allerdings den Grund nicht, was den Personen vorgeworfen wird. Wir führen dann nur aus, um den Kollegen zu helfen.
Was glauben Sie, wie kann man dan Rockerkrieg in den Griff bekommen?
Pattijn: Schwierig zu sagen. Es liegt an den Rockern selbst. Wir als Polizei sind nur für die Einhaltung der Gesetze zuständig.