Zoodirektor nennt Bundestag Zahl der toten Tümmler in Duisburg
•
Lesezeit: 5 Minuten
Berlin/Duisburg. Bei einer Anhörung im Bundestag tragen den Politikern am Mittwoch Gegner und Befürworter der Delfinhaltung Argumente vor. Die Fronten zwischen den Sachverständigen sind verhärtet. Im Vorfeld hat Dr. Encke, Leitender Direktor des Tiergartens Nürnberg, auch Angaben zu den Todesfällen im Delfinarium Duisburg gemacht. Delfinforscher Dr. Brensing wirft dem Zoo in Nürnberg indes vor, das Verhalten der Tiere mit Psychopharmaka und Hormonen zu kontrollieren.
In seinem Entwurf für das neue „Säugetiergutachten“ hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) die Anforderungen an die Delfinarien in Duisburg und Nürnberg nur leicht erhöht. Noch immer streiten Vertreter der Zoos und Tierschützverbände über die neuen Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren. Streitpunkt sind vor allem die Bestimmungen für die Gehege großer Arten. Uneinigkeit herrscht auch bei den Großen Tümmlern. Am Mittwochnachmittag treffen Befürworter und Gegner der Delfinarien in Berlin erneut aufeinander: Diesmal bringen sie den Fraktionen des Bundestages bei einer Öffentlichen Anhörung ihre Argumente vor.
„Haltung von Delfinen beenden" heißt der Antrag der Grünen-Fraktion vom 11. März. Die Abgeordneten um Renate Künast und Bärbel Höhn beantragten auch die Anhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Im Fragebogen, den alle acht Sachverständigen beantwortet haben, macht ein Zoo-Vertreter erstmals auch öffentlich Angaben zur Zahl der in Duisburg eingegangenen Jungtiere: Dr. Dag Encke, Leitender Direktor des Tiergartens Nürnberg. Nur dort und am Kaiserberg werden in Deutschland noch Delfine gehalten.
Von den 26 in Duisburg geborenen Tümmlern haben nach Enckes Darstellung nur sieben überlebt: „Von den 26 Geburten waren fünf Totgeburten. Elf Jungtiere starben in den ersten 13 Lebenstagen. Ein Jungtier starb nach 67 Tagen. Ein Jungtier starb nach zwei Jahren. Ein Tier starb im Alter von elf Jahren." 2011 kamen am Kaiserberg drei Tümmler zur Welt, die Jungtiere Dörte, Diego und Darwin leben noch. In Nürnberg, so Encke weiter, seien zwischen 1971 und 2013 insgesamt 26 Große Tümmler gestorben, darunter 16 Kälber.
Der Zoodirektor argumentiert, die Lebenserwartung der Delfine sei in europäischen Zoos nach den Daten des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) dennoch höher als in freier Wildbahn. Zudem sei die Mortalität der Kälber vermutlich auch in den Meeren sehr hoch. Auch im Vergleich zur hohen Sterblichkeit in der Natur allerdings sei die Jungtiersterblichkeit in Duisburg und Nürnberg „extrem hoch", kritisiert Dr. Karsten Brenning, Meeres- und Verhaltensbiologe im Dienst der „Whale and Dolphin Conservation“ (WDC, ehemals WDCF).
Brenning spricht im Ausschuss als Sachverständiger der Grünen. Alle Bundestagsfraktionen dürfen zu Anhörung Experten einladen – wie viele, hängt von ihrer Größe ab. Auf Einladung der SPD referieren so Dr. Sandra Altherr vom Tierschutzverein Pro Wildlife und Prof. Dr. Guido Dehnhardt von der Universität Rostock. Er erforscht seit 25 Jahren Meeressäugetiere, vor allem Tiere in Haltung, und betont, „dass die Beendigung der Delfinhaltung aus der Sicht unterschiedlichst ausgerichteter wissenschaftlicher Forschung ein fataler Irrweg und ... gegen die Interessen der betroffenen Art wäre". Die Linke-Fraktion schickt den Biologen Phillip Loos (Wal- und Delfinschutzforum, WDSF) in die Anhörung. Die Regierungsparteien von CDU, CSU und FDP wollen hören, was Dr. Cornelis Erik van Elk vom niederländischen Dolfinarium Harderwijk, Dr. Thomas Althaus, Dr. Dag Encke sowie Dr. Thomas Kauffels vom Opel-Zoo zum Thema zu sagen haben. Wie die Sachverständigen den Fragenkatalog zur Anhörung beantwortet haben, können Interessierte in den ausführlichen Stellungnahmen auf der Seite des Bundestags nachlesen.
Delfinfamilie vereint
1/27
Nach der Anhörung stimmen die Fraktionen in der nächsten Ausschusssitzung am 5. Juni über den Antrag der Grünen ab, der auch ein Importverbot für Delfine vorsieht. Der Empfehlung des Ausschusses folgt später die Entscheidung im Plenum. Dass der Antrag der Oppositionspartei von der Bundestagsmehrheit angenommen wird, gilt freilich als sehr unwahrscheinlich.
Zoodirektor Encke vermutet politische Motive
Drum geht es zum Beispiel Dr. Karsten Brensing bei seinen Ausführungen im Ausschuss vor allem darum, „Bildungsarbeit zu leisten und die Politiker aller Fraktionen auf Forschungsergebnisse und Probleme aufmerksam machen, von denen sie noch nichts gehört haben". Er will dazu das Sozialleben der Tümmler und Aggressionen der Nürnberger Tümmler thematisieren, das er als Verhaltensstörung bewertet. Einsicht in alle Informationen zur Haltung der Delfine dort hatte sich Brensing mit der WDC (damals noch: WDCS) vor Gericht erstritten.
Die Unterlagen dokumentierten, so Brensing, „die intensive veterinärmedizinische Betreuung" der Meeressäuger. Sein Vorwurf: Der Zoo verabreiche den Delfinen Psychopharmaka und Hormone: „Die Gabe von Psychopharmaka und Hormonen zur Verhaltenskontrolle macht aber deutlich, dass die Tiere nicht - wie vom Gesetzgeber vorgesehen - verhaltensgerecht untergebracht sind, denn dann bräuchte das Verhalten nicht medikamentös beeinflusst zu werden."
Zumindest in seiner Stellungnahme zur Anhörung geht Dr. Dag Encke vom Zoo Nürnberg nicht auf die Vorwürfe ein. Der Antrag der Grünen entbehre ohnehin jeder Grundlage: „Ganz offensichtlich wurde die Delphinhaltung nicht aus fachlichen, sondern aus politischen Gründen als erste Tierart gewählt, die aus deutschen Zoos verbannt werden soll."
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.