Duisburg. Marlene und ihre Schwester Sofia sind Zwillinge, die bereits zwölf Wochen vor dem errechneten Geburtstermin im Klinikum Duisburg auf die Welt kamen und deshalb im Krankenhaus bleiben mussten. Diese schwere Zeit ist nun vorbei. Heiligabend wird erstmals mit dem Nachwuchs unter dem heimischen Baum gefeiert.
Als im Oktober die ersten Schoko-Nikoläuse aus den Verkaufsregalen der Supermärkte schauten, waren Sarah und Christian Schneider noch nicht in Weihnachtsstimmung. Nun gut, viele andere Menschen werden das ähnlich empfunden haben. Familie Schneider aber hatte einen Grund, der nicht alltäglich ist: Am 26. Tag des Monats, einem Freitag, brachte Sarah Schneider die gemeinsamen Zwillingstöchter zur Welt - deutlich früher, als geplant.
Es folgte ein Auf und Ab, die unzähligen Stunden im Krankenhaus waren für die Familie eine bange Zeit. Doch wenige Tage vor Heiligabend war klar: Den 24. Dezember können Sarah und Christian Schneider gemeinsam mit Sofia und Marlene zu Hause verbringen. Für die Eltern geht somit pünktlich zum Fest der größte Wunsch überhaupt in Erfüllung.
Eigentlich wollte Mutter Schneider gerade vom Ultraschall nach Hause, als Prof. Dr. Markus Schmidt entschied, sie direkt in den OP zu bringen. Die plötzliche Geburt war für die Schneiders aber nicht die einzige Überraschung während der Schwangerschaft. „Am Anfang sind wir von einem Kind ausgegangen. Eine Woche später waren es zwei“, erzählt die 29-jährige Friseurin und Mutter mit der kleinen Sofia auf dem Arm.
Angst, dass die Frühchen es nicht schaffen
Die zwei Mädels entschlossen sich Ende Oktober, das Licht der Welt schon 12 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin erblicken zu wollen. Beziehungsweise war es eines der Mädchen, das sich dazu entschied - denn bei Zwillingen gelte das Motto „mitgefangen, mitgehangen“, erklären die Ärzte. Dass die Töchter heute in den Händen ihrer Eltern liegen können, ist nicht selbstverständlich. „Natürlich hatten wir Angst, dass die Kinder es nicht schaffen“, sagt der 33-jährige Autoverkäufer Schneider. Die Geburt war so dramatisch, dass sich Papa Schneider und Kinderarzt Francisco Brevis, der die Familie betreut, in den Armen lagen.
Jetzt ist dieser Platz für die kleine Marlene reserviert. Nach der Geburt wog sie gerade einmal 740 Gramm, Sofia brachte 1125 Gramm auf die Waage. Zum Vergleich: Babys, die nach der 40. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, wiegen um die 3000 Gramm. Die kleinen Schneiders hatten es immer wieder schwer, mussten teilweise von einer Lungenmaschine beatmet werden, kamen in den Brutkasten.
Bei jeder 85. Geburt gibt es Zwillinge, Drillinge oder Vierlinge
65 bis 70 Mehrlingsgeburten wird es nach Schätzungen von Prof. Dr. Markus Schmidt am Ende des Jahres im Klinikum Duisburg gegeben haben - und damit deutlich mehr als üblich.
50 Mehrlingsgeburten pro Jahr sind der durchschnittliche Normalfall in der Klinik. Bei rund 4000 Geburten jährlich entspricht das etwa jeder 85. Geburt.
Zwei bis fünf mal im Jahr kommt es im Klinikum zur Geburt von Drillingen. Vierlinge haben die Ärzte der Kinderklinik auch schon entbunden, das sei aber äußerst selten der Fall.
Heute liege die Überlebenschance für Frühgeburten, wie hier nach der 28. Schwangerschaftswoche, aber bei nahezu 100 Prozent, sagen die betreuenden Ärzte Prof. Dr. Markus Schmidt und Francisco Brevis. Trotzdem: „Man darf den Respekt vor Frühgeburten nie verlieren. Der beste Brutkasten bleibt die Gebärmutter“, so Prof. Schmidt. Die weitere Entwicklung der Kinder hänge nun vor allem vom Alter, der sozialen Umgebung und der Unterstützung der Kinder ab, ergänzt Brevis. In den vergangenen zwei Monaten hat die Familie sie vor allem vom Team des Klinikum Duisburg bekommen. „Wir möchten uns deshalb bei allen bedanken.“
Nur für die Kinder gelebt
Vor acht Wochen, im Oktober, dachte die Familie Schneider wohl kaum an Weihnachten. Während die Welt sich später mit den ersten Märkten und festlich erleuchteten Fenstern in Stimmung brachte, war das Fest für die Schneiders noch immer ganz weit weg. „Wir haben die letzten Wochen nur für unsere Kinder gelebt“, sagen die stolzen Eltern. „Wäre Marlene nicht nach Hause gekommen, hätte Weihnachten bei uns in diesem Jahr nicht stattgefunden.“ Aber es kam anders. Und so freut sich schon die gesamte Familie, mit den Vieren unterm Tannenbaum zu feiern. Wahrscheinlich kommt da am Ende sogar bei den Eltern ein bisschen Weihnachtsstimmung auf.