Duisburg. .

Vor bald 500 Jahren wurde der Grundstein dafür gelegt, dass Paul Moses Strasko in einem Lokal am Innenhafen die Erfrischung bekommt, die er sich an diesem sonnigen Nachmittag wünscht: „Das deutsche Reinheitsgebot für Bier ist super“, sagt er. „Bier ist koscher!“ Sonst würde er es nicht trinken. Paul Moses Strasko ist der neue Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen. Gestern Abend wurde er im Gemeindezentrum offiziell vorgestellt, seine Stelle hat er schon Anfang August angetreten.

„Ganz offensichtlich bin ich nicht orthodox“, erklärt Strasko, als er vor dem Pils sitzt. „Aber ich bin sehr traditionell, sehr konservativ in der Praxis.“ Deshalb trägt er auch stets eine Kippa, die kleine kreisrunde Kopfbedeckung. Die Sicherheitsleute der Gemeinde wünschen sich, dass er an ihrer Stelle einen Hut trägt, wenn er das Gebäude verlässt. Um nicht sofort als Jude aufzufallen.

„Sie haben auch Recht. Es ist ein bisschen gefährlich. Aber es ist doch nur ein kleiner Teil der Leute, die es nicht so gerne haben, einem Juden zu begegnen“, erklärt der Rabbiner. „Was meine Erfahrung angeht: Entweder ist es den Leuten völlig egal, oder sie freuen sich sogar.“

Gute Erfahrungen

In den Städten seiner neuen Gemeinde und in der Region insgesamt sei er immer überall willkommen gewesen. „Das findet man nicht überall auf der Welt“, weiß Strasko. „Ich habe es hier gefunden.“

Ende der 90er Jahre kam der US-Amerikaner erstmals nach Deutschland, damals arbeitete er noch für ein Pharmazieunternehmen. „Es ist nicht rational, es ist nicht vernünftig, aber ich habe sofort gesagt: Ich bin zu Hause.“ Und jedes Mal, wenn er wieder beruflich nach Deutschland kam, habe er dieses Gefühl gehabt.

„Nachdem ich mich für eine Ausbildung zum Rabbiner entschieden hatte, suchte ich hier nach einer Möglichkeit.“ Er fand sie 2007 am Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin.

Dritter Bildungsweg 

Es war die dritte Ausbildung, zu der Paul Moses Strasko antrat. Seine erste war ein Musikstudium. „Jazz, klassisch, in diesem Bereich habe ich mich bewegt.“ Sein Instrument, die Klarinette, spielt er heute kaum noch, denn dafür müsste er viel mehr üben. Immerhin reicht die Zeit noch, um sich ab und zu ans Klavier zu setzen.

Aber bei 60 bis 80 Arbeitsstunden pro Woche wird es auch dafür eng. Mit Jom Kippur steht bald der höchste jüdische Feiertag im Kalender, Rabbiner Strasko kann es deshalb am Anfang seiner Amtszeit nicht ruhig angehen lassen.

Die Frage nach seinen Aufgaben in der Gemeinde beantwortet er, indem er die wenigen Dinge aufzählt, für die er nicht zuständig ist: „Unser Geschäftsführer kümmert sich um das Finanzielle, und wir haben Leute für den kulturellen und sozialen Bereich. Alles andere ist Teil meines Lebens.“

Ein Rabbiner für alle

Gerne kümmert er sich um pädagogische Aufgaben, zum Beispiel im Kindergarten und im Jugendzentrum. „Das ist für mich das Wichtigste. Aber ich stelle mich nicht hin und verbreite meine Weisheit. Denn ich habe keine große Weisheit“, betont der 40-Jährige. „Mir ist es wichtiger, dass ich eine Quelle bin. Man soll mir Fragen stellen.“

Das gelte nicht nur für die Gemeindemitglieder. „Hoffentlich werden auch die Duisburger Fragen stellen“, sagt Strasko, der als Rabbiner für alle Menschen in Duisburg, Mülheim und Oberhausen da sein möchte.

Schließlich sei es noch nicht einmal für Juden normal, dass es hier jüdisches Leben gibt. „Es ist eine komische Beziehung, die wir in Deutschland haben. Wir sind nur drei Generationen von der Schoah entfernt“, erklärt Strasko.

Den Dialog zwischen Menschen und Religionen zu fördern, sei für ihn deshalb neben der Betreuung seiner Gemeinde auch eine wichtige Aufgabe. „Es gibt im Grunde keine großen Unterschiede zwischen uns. Was man glaubt“, sagt Rabbiner Strasko, „ist auch gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, was man tut.“