Duisburg. .
Eigentlich kennt Kurt Mahler die Steintreppe am Beeckerwerther Deich. Mehr als zehn Mal ist er sie gemeinsam mit seinem 85-jährigen Schwager Raimund Burkhardt in der Vergangenheit hinabgestiegen. Der rüstige Rentner lebt zwar schon seit langem im Evangelischen Altenheim Worthmannstift in Ruhrort, aber er ist noch fit genug, um ausgiebige Spaziergänge zu unternehmen. Mit den Gehstöcken ist er noch gut zu Fuß.
Doch beim letzten Ausflug der beiden am Sonntag vor zehn Tagen passierte das Unglück. Der 90-Jährige verlor an der geländerlosen Deichtreppe den Halt, fiel herunter und prallte mit dem Kopf auf den Steinboden. Weder der Verletzte noch sein Schwager besitzen ein Handy. Die Not war groß.
Mahler hatte zahlreiche Verletzungen und verlor aufgrund eines blutverdünnenden Medikaments reichlich Blut. „Aus der Ferne hatten Spaziergänger den Unfall gesehen und kamen, um zu helfen“, erklärt sein Schwiegersohn Ulrich Meditsch (69) über das Glück im Unglück.
„Eine türkischstämmige Mutter kam herbei und schickte ihre Kinder, um Tücher zu holen. Auch einige Radfahrer hielten an, und sie haben einen Krankenwagen verständigt“, berichtet Birgit Mahler-Meditsch (63), die Tochter des Verunglückten. Mit einer gebrochenen Rippe, einem zweifach angebrochenen Nasenbein und zahlreichen Platzwunden kam Kurt Mahler ins Krankenhaus.
Die Zeitungslektüre gehört zum Tagesablauf
Als seine Tochter ihn zum ersten Mal im Krankenhaus besuchte, erschrak sie zutiefst: „Mir kamen die Tränen, als ich ihn sah“, beschreibt sie ihre Gefühle. „Er konnte die Augen anfangs nicht öffnen, und sein ganzer Körper war voller Hämatome“, sagt sie. Die kinderfaustgroße Beule an der Augenbraue sei zwar immer noch da, aber mittlerweile könne er wieder die Augen öffnen. „Endlich erkenne ich meinen Vater wieder“, fügt sie hinzu.
Nun, da ihr Vater wieder bei vollem Bewusstsein ist, wolle sie ihm seinen Herzenswunsch erfüllen: Er möchte sich mit einem Zeitungsartikeln bei seinen unbekannten Helfern bedanken. Dies sei seine erste Äußerung gewesen, als er wieder sprechen konnte. „Von so viel Hilfsbereitschaft hört und liest man selten“, erklärt seine Tochter. Und da ihr Vater, dank der Abschwellung seiner Augenverletzungen, endlich wieder selber die Zeitung lesen kann, sei es doch der ideale Zeitpunkt, um über diese positive Erfahrung zu berichten.
Am letzten Wochenende sei der Rentner auch wieder wohlbehalten in das Worthmannstift gebracht worden. Er sei aber noch sehr erschöpft. „Mein Vater hat 738 Schutzengel gehabt“, so Mahler-Meditsch. Geistig sei er nach wie vor topfit, nun hofft sie, dass es auch körperlich wieder mit ihm bergauf geht.
Vielleicht wird er nun auch wieder seinem Hobby nachgehen: Die WAZ lesen. Denn das macht er liebend gerne, wie wir vor drei Jahren schon einmal in einem anderen Zusammenhang über ihn berichtet haben.