Duisburg. .

Wenn Thomas Krützberg, der Leiter des Jugendamtes, von einer Verdopplung der Fallzahlen spricht, dann verheißt das meistens nichts Gutes. In diesem Fall ist er aber restlos begeistert, denn es handelt sich um sein „Baby“: Namentlich das Familienhebammenprojekt „Hebammen an unserer Seite“. Ziel ist es, Familien so zu stärken, dass sie ihre Ressourcen entdecken, damit sie allein mit dem Nachwuchs klar kommen, selbstbewusster werden. Präventiver Kinderschutz also, aber auf freiwilliger Basis.

2008 wurde das Projekt durch den Ausbau der „Frühen Hilfen“ entwickelt, anfangs waren drei Hebammen mit Zusatzausbildung tätig. Inzwischen sind es fünf. Und die Akquise läuft. 2011 wurden 90 Fälle betreut. Gut die Hälfte konnte nach einem Jahr mit der Familienhebamme das Kind allein versorgen. 36 % erhielten weitere Hilfen durch das Jugendamt, denn die Hebammen öffnen mit ihrer vertrauensvollen Arbeit Türen, bauen Hemmschwellen gegenüber dem Jugendamt ab.

Was anfangs besonders für junge Mütter gedacht war, hat sich auf späte erste Mütter ausgeweitet: Von 16 bis zu über 40 Jahren reicht heute die Spannweite. Manche haben Drogen- oder Alkoholprobleme, leiden unter Arbeitslosigkeit, Schulden, wurden vom Partner verlassen. „Und es gibt die große Menge derjenigen, die nicht die Kraft haben, dem Kind die nötigen Schritte ins Leben zu ermöglichen“, weiß Familienhebamme Heidemarie Müller.

Kontakt schon vor der Niederkunft

Am liebsten knüpfen Müller und ihre Kolleginnen schon vor der Niederkunft den Kontakt zur Mutter, um Probleme zu erkennen und bestenfalls auszuräumen. „Das Beste ist, wenn sie entspannt in die Geburt geht, sich auf das Kind freut. Damit ist der Grundstein für eine gute Bindung ans Kind schon gelegt.“

So war es auch bei Jacqueline Krohn, die alleinerziehende Mutter von Zwillingen ist. „Der Vater hat sich gleich am Anfang der Schwangerschaft aus dem Staub gemacht“, erzählt die 23-Jährige. Um sie herum waren nur Menschen, die bereits einen Säugling anstrengend finden. „Das war eine Ungewissheit, wie man das mit zweien schaffen soll“, beschreibt Krohn. So stand sie mit ihren Sorgen allein da – bis in der 30. Woche über eine Beratungsstelle Heidemarie Müller in ihr Leben trat. Die besonderen Probleme einer Mehrlings-Schwangerschaft konnten geregelt werden, bevor Luca und Ben auf die Welt kamen. Inzwischen sind sie vier Monate alt und echte Wonneproppen. Müller kommt noch alle zwei Wochen in die Familie. Das Zahnen steht an, aber auch Krohns Rückkehr in die Berufstätigkeit will sie begleiten.

Bedarf ist unabhängig von sozialer Schicht

Auch die Krankenkassen schicken Hebammen in die Familien, allerdings nur für acht Wochen. „Wir merken oft, dass das nicht reicht. Fragen zur Ernährung, Stillprobleme, der tägliche Umgang mit dem Kind: All das kann zermürben, eine Familie an ihre Grenzen bringen“, weiß Müller. Familienhebammen achten auch darauf, dass alles fürs Kind im Haus ist, sie begleiten zu Beratungsstellen, geben Hilfe zur Selbsthilfe – und bestärken die Mütter in ihrem Tun.

Der Bedarf an Unterstützung ist unabhängig von der sozialen Schicht, betont Jugendamtsleiter Krützberg. Das Projekts zielt dennoch stärker in prekäre Schichten, wo manchmal auch die Familienhebamme nicht reicht. Dann greift das vielgelobte Duisburger Netzwerk, dann kommen andere Einrichtungen zum Zug, etwa der Allgemeine Soziale Dienst.

Nur in 8 Prozent der Fälle sind Jugendhilfe-Maßnahmen nötig, etwa die Freigabe zur Adoption oder der Umzug in eine Mutter-Kind-Einrichtung. Für Krützberg ist das Ausdruck der erfolgreichen Hilfe. Zwar könne man Kindesmisshandlung nie ausschließen, aber das Netz sei nun enger geknüpft.