Duisburg. Die Ratsleute in Duisburg sollen künftig auf gedrucktes Papier verzichten und erhalten stattdessen ein iPad. Durch die Umstellung ließen sich 186.000 Euro sparen. Das Gerät wird den Politikern leihweise zur Verfügung gestellt. Wie sie damit ins Internet kommen, darum müssen sie sich allerdings selber kümmern.

Einmal im Jahr ist es besonders schlimm. Wenn die Haushaltsbücher auf den Tisch kommen, haben Lokalpolitiker schwer zu schleppen. Mehr als 1000 Seiten hat so ein Paket, der Papierstapel ist 14 Zentimeter hoch und wiegt einige Kilo. Und selbst der Wust an Vorlagen bei den üblichen Sitzungen bleibt selten unter zehn Zentimetern Höhe. Das viele Papier geht ins Geld. Ein einziges Ratsmitglied verursacht 2707 Euro Kosten für Druck und Versand der Vorlagen im Jahr. Für den 74-köpfigen Rat stehen damit mehr als 200.000 Euro unter dem Strich. Die Papierberge sollen jetzt ein Ende haben.

Künftig wird es in den Fraktionsreihen wie auf einer Computermesse zugehen. Die Ratsleute halten alle einen kleinen Bildschirm in der Hand und wischen nur noch mit dem Finger über die Oberfläche, um durch die Vorlagen zu blättern. Jegliche Dokumente lassen sich über das iPad abrufen, nie wieder muss jemand in den Keller gehen, um eine Akte zu holen. Zukunftsmusik? Von wegen! Die Volksvertreter könnten sich die Digitalkur bereits am kommenden Montag verordnen. Denn der Stadtrat 2.0 bietet gleichzeitig ein gehöriges Sparpotenzial.

Kein Geld fürs Internet

Gerade einmal 220 Euro kostet ein mobiler Politik-PC im Jahr, inklusive Gerät, Lizenzen und Fernwartung. Fallen Druck- und Versandkosten damit weg, spart die Stadt stolze 186.500 Euro. Das Gerät, ein iPad2, wird den Politikern zwar leihweise zur Verfügung gestellt. Wie sie damit ins Internet kommen, darum müssen sie sich allerdings selber kümmern. Die Kosten für die Internetverbindung seien durch die monatliche Aufwandsentschädigung (425,70 Euro für jedes einfache Ratsmitglied) bereits abgedeckt, argumentiert das Duisburger Rechtsamt und folgt damit einer juristischen Expertise der Stadt Wuppertal.

Kurios: Genau hier liegt der Unterschied zu den drei Aufsichtsräten der Duisburger Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft (DVV), die ebenfalls das Papier aus ihren Sitzungen verbannt und auf die elektronische Kommunikation umstellt. Wie berichtet erhalten die Aufsichtsräte nicht nur eine Pauschale von 600 Euro, um sich selbst ein Gerät zu kaufen, sondern - anders als die Ratsleute - auch 400 Euro im Jahr für die Internet-Verbindung. Und dabei fällt das Grundsalär eines einfachen Aufsichtsrats mit 5000 Euro im Jahr höher aus als das der Ratsleute. Ausgerechnet beide Varianten soll der Rat in ein und derselben Sitzung beschließen.

Auch Bezirksvertretern droht die Papierlosigkeit

Wenn es um die umfangreichen Vorlagen zu Bauvorhaben und Denkmalschutz geht, sollen auch die Bezirksvertreter künftig auf bedrucktes Papier verzichten. Sie bekommen allerdings kein iPad, sondern lediglich eine
E-Mail mit einem Link zu den Dokumenten. Das soll laut Stadt 1,5 Millionen Blatt Papier und 33.300 Euro an Druck- und Versandkosten einsparen.

Insgesamt würden 9,225 Tonnen Papier gespart und damit eine Ressourcenverbrauch von 190.000 Litern Wasser, 23 Kilo Feinstaub und 39.000 kWh Energie. Um eine solche Papiermenge (CO2-Emission von rund 8200 Kilo) zu neutralisieren werde ein Hektar Wald benötigt, rechnet die Stadt weiter vor.

Zudem bedeute die Erstellung der Vorlagen einen Arbeitsaufwand von 1600 Personenstunden. Dies entspreche einer Vollzeitstelle, die knapp 58.000 Euro im Jahr verdient.

Es gibt aber fernab der Kosten plausible Gründe, warum Lokalpolitiker nicht mehr an der modernen Technik vorbei kommen. Das Internet hat den Nachrichtenfluss beschleunigt, politische Debatten gewinnen in sozialen Netzwerken an Fahrt, Neuigkeiten verbreiten sich virulent. Das gilt bei wichtigen Themen selbst für die Lokalpolitik. Wer da als Mandatsträger auf das von der Post zugestellte Papier wartet, der hängt hinter dem Ratskollegen, der sich online bereits eingelesen hat, weit zurück.

Zudem sollte man sich nichts vormachen: Das elektronische „Ratsinformationssystem“, auf das auch Bürger zugreifen können, gibt es bereits seit September 2004. Dort sind alle öffentlichen Vorlagen abrufbar. Dennoch wurden in den vergangenen acht Jahren alle Vorlagen noch einmal gedruckt und per Post an alle Ratsleute versendet. Die darauf basierende Gewährleistung des uneingeschränkten Zugangs zu Informationen für jeden Mandatsträger ist das eine, die Realität eine andere.

Alle müssen zustimmen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben 77 Prozent der Haushalte einen Internetanschluss. Als Hauptgrund für einen fehlenden Internetzugang wurde „kein Bedarf“ genannt. Dass dies auf Politiker zutrifft, die alleine schon mit ihren Parteien vornehmlich per E-Mail kommunizieren, ist eher unwahrscheinlich.

Dennoch: Voraussetzung ist, dass alle Ratsmitglieder zustimmen, künftig auf gedruckte Vorlagen verzichten. Diese Hürde ist nicht unterschätzen. Wohl auch deshalb soll es zunächst eine einjährige Testphase geben, an der je ein Ratsmitglied und je ein Geschäftsführer der sechs Fraktionen teilnimmt. Weil das noch nicht viel Papier spart und die iPads gekauft werden müssen, kostet die Umstellung erst einmal mehr Geld. Tatsächlich Geld gespart wird daher frühestens ab dem nächsten Jahr.