Duisburg.. Für die „Duisburger Freiheit“ liegt der Stadt ein Antrag auf einen Baustopp vor. Auf der Mega-Baustelle sollen Kröten und Fledermäuse leben. Als die Bäume und Büsche für die Loveparade gerodet wurden, geschah dies offenbar ohne die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung des Artenschutzes.
Für die „Duisburger Freiheit“ liegt der Stadt ein Antrag auf einen Baustopp vor. Gestellt hat ihn Kornelia Hendrix, die sich als Vorsitzende von „Never Forget“ für den Erhalt der Loveparade-Gedenkstätte eingesetzt hat. Ihre Begründung: „Auf dem Gelände befinden sich (unterirdisch) Kröten und andere seltene Lebensformen, die erhalten bleiben müssen. In den Hallen sollen zudem Fledermäuse ihren Lebensraum gefunden haben“, schreibt sie an Stadtdirektor Peter Greulich.
Die Stadt sieht keinen Handlungsbedarf. Es gebe zur Zeit keine rechtsgültige Genehmigung zum Abriss oder Neubau auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs, teilt sie auf Nachfrage der NRZ mit. Erst wenn der Bebauungsplan offen gelegt werde, sei auch der Artenschutz Thema, Bürger könnten dann Stellungnahmen abgeben. Für den laufenden Straßenbau dagegen gebe es Planungsrecht, der Artenschutz sei berücksichtigt.
Dass kleine Tiere große Pläne stoppen können, ist nicht abwegig: Ein für den Besuch von Papst Benedikt beim Weltjugendtag in Köln geplanter Hügel musste wegen eines Kiebitzes woanders aufgeschüttet werden, eine seltene Fledermausart verzögerte den Bau der Elbbrücke in Dresden.
Das Dreieck: OB Sauerland, Aurelis und Lopavent
Über einen vorherigen Verstoß gegen das Planungsrecht spricht indes niemand mehr: Als die Bäume und Büsche am Güterbahnhof für die Loveparade im Januar 2010 gerodet wurden, geschah dies offenbar ohne die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung des Artenschutzes. Der Einzige, der das zum Thema machte, war Johannes Meßer, Vorsitzender des Beirat der Unteren Landschaftsbehörde. Als der Beirat informiert wurde, war der Wald auf der Industriebrache bereits verschwunden. Meßer zweifelte, dass die erst danach angesetzte Prüfung rechtlich überhaupt „haltbar“ sei.
Bei der Prüfung geht es im Endeffekt auch weniger um die Natur als vielmehr ums Geld. Für Tiere und Natur, die dort weichen müssen, werden Ausgleichszahlungen oder Ersatzpflanzungen fällig. Die Fragen der NRZ, warum diese Prüfung nicht erfolgte, konnte die Stadt innerhalb von zwei Werktagen nicht beantworten. Dafür müsse „umfangreiches Aktenmaterial“ gesichtet werden, hieß es gestern Mittag aus dem Rathaus.
Fest steht: Zum Jahreswechsel 2009/2010 war Eile geboten, das Areal musste für die Loveparade geebnet werden. Zu dieser Zeit stehen die Vorgänge auf dem Gelände in einer Dreiecksbeziehung zwischen OB Sauerland, Eigentümer Aurelis und Übergangs-Nutzer Lopavent.
OB Sauerland und die Stadt hatten sich bereits 2007 in der Rahmenvereinbarung für die Loveparade verpflichtet, dass sich „Strecke und Ort der Abschlusskundgebung ... in verkehrssicherem und veranstaltungsgeeigneten Zustand befinden“ und so an Lopavent übergeben werden müssen. Doch in Duisburg fand sich keine öffentliche Fläche, nach langer Suche blieb nur das im Privatbesitz der Aurelis befindliche Güterbahnhofs-Areal. Aurelis aber wollte das Gelände nur so weit vorbereiten, wie es für einen späteren Verkauf nötig ist. Mit dieser „Baufeldfreimachung“ begann das Unternehmen im Januar 2010, weil die Abholzung nur bis Ende Februar zulässig ist. Die Stadt aber stand Lopavent gegenüber in der Pflicht, durfte jedoch für die Loveparade kein Geld ausgeben.
Plötzlich war Aurelis äußerst spendabel
Warum Aurelis dann später doch den nach eigenen Angaben „hohen sechsstelligen Betrag“ für die Aufschotterung übernahm, bleibt unklar. Von Nutzer Lopavent erhielt Eigentümer Aurelis jedenfalls keine Miete, wie Aurelis-Geschäftsführer Joachim Wieland der „Zeit“ sagte: Man habe sich aber versichern lassen, dass man von der Haftung befreit ist. Aurelis habe das Gelände für die Party hergerichtet und am 12. Juli 2010 an Lopavent übergeben.
OB Sauerland hatte es damit geschafft, die Auflage der Rahmenvereinbarung von 2007 an Aurelis weiterzugeben, was in einer „Durchführungsvereinbarung“ zwischen Aurelis und Lopavent verankert wurde. Offen bleibt, warum sich das Unternehmen gegenüber der Stadt so spendabel gezeigt hat.
Noch vor der Loveparade, im Mai 2010, geht dann bekanntlich der Grundstücks-Deal über die Bühne, der in Duisburg für Aufsehen sorgt: Aurelis verkauft den Großteil der Duisburger Freiheit an Kurt Krieger. Der Berliner Unternehmer will Möbelhäuser bauen, was der Planung von Star-Architekt Foster mit den Wohn- und Bürokomplexen eher widerspricht. Heute sind die Proteste aus der Politik so weit verstummt, dass inzwischen die Offenlage des Bebauungsplans vorbereitet wird. Die offenen Fragen zu diesem Grundstücks-Deal stehen zurecht weit im Schatten der Katastrophe und ihren Ursachen. Womit man sich derzeit höchstens noch beschäftigt, sind Fledermäuse und (unterirdische) Kröten.