Duisburg. . Immer weniger Duisburger Eltern mit Migrationshintergrund sprechen in der Familie vorrangig auf Deutsch. Jugendamtsleiter Krützberg spricht von „deutscher Sprachlosigkeit“. Die Stadt Duisburg und das Land versuchen mit Sprachförderung gegenzusteuern.
Eine aktuelle Erhebung des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Statistik bringt es an den Tag: Die „deutsche Sprachlosigkeit“ in Familien mit Migrationshintergrund und Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren ist nach wie vor sehr groß – und sie wächst weiter an.
Und: Die Stadt Duisburg liegt im NRW-Städtevergleich dabei auch noch an der Spitze. Konsequenz: Die Stadt, der städtische Schulträger, unterstützt vom Land Nordrhein-Westfalen bemühen sich seit Jahren mit sehr viel Geld und viel zusätzlichem pädagogischen Personal um sprachliche Integration durch Sprachförderung. Aktuell untersucht und gezählt wurden vom Statistischen Landesamt NRW die Kinder in Kita-Betreuung (im Alter bis unter sechs Jahren). Dabei wurde für die Stadt Duisburg deutlich: In den Elternhäusern der drei- bis sechsjährigen Kinder mit Migrationshintergrund wird in 40,5 Prozent der Haushalte vorrangig nicht deutsch gesprochen. Ein Wert, der von 2008 bis 2011 von 38% auf jetzt über 40% ansteigt. Der NRW-Schnitt liegt bei 23,6%.
Auch deutsche Kinder brauchen Sprachförderung
Für Jugendamtsleiter Thomas Krützberg, professionell seit Jahren u.a. für die sprachliche Integration von Kindern in den mehr als 200 städtischen Kindertagesstätten verantwortlich, ist diese „deutsche Sprachlosigkeit“ in Migrantenfamilien keine Überraschung: „Wir müssen da sehr, sehr dicke Bretter bohren.“ Die türkische Community in Duisburg schließe sich nach seiner Beobachtung „leider zunehmend segregativ zusammen“ (Anm. d. Red: „Segregation“ = „Entmischung“). Migrantenkinder, die in dritter oder vierter Generation in Duisburg lebten, würden jetzt wieder ihre deutsche Sprachaktivitäten reduzieren, weil sie sich plötzlich ihrer türkischen Herkunft rückbesinnen würden.
Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg
Nur in der Kita die deutsche Sprache hören und sprechen – und dann zu Hause und in der Freizeit nicht mehr, weil dort eine andere Sprache gesprochen wird? Für Jugendamtsleiter Thomas Krützberg ist das ein Unding: „Da wäre eine reine Labor-Situation: Gegen die sprachliche Übermacht des Elternhauses und der Freizeit können die paar Deutsch-Stunden in der Kita wenig bewirken.“ Die Sprache sei aber „der Schlüssel zur Bildung“ und die Eltern halten ihn für ihre Kinder in der Hand. Wer als Kleinkind mit Migrationshintergrund in der Kita nicht deutsch lerne, der werde später im Deutschen sprachlos. „Kinder müssen mit Sprache freundschaftlich aufwachsen, lesen, sprechen, experimentieren, und dies nicht in der harten Konfrontation auf der Straße.“
Die Stadt und das Land NRW steuern dagegen und wendeten im vergangenen Jahr 2011 alleine für Sprachförderung in Kindertagesstätten 2,3 Millionen Euro auf, um dort 6000 von zirka 14.000 Kindern sprachlich gezielt zu fördern. Krützberg: „Aber wir fördern nicht nur Kinder türkischer Herkunft, sondern auch viele deutsche Kinder.“ Der Erfolg, so Krützberg, zeige sich an der Anerkennung Duisburger Grundschullehrer, die von „erkennbar besseren Sprachkenntnissen“ ihrer I-Dötze im Vergleich zu Vorjahren sprechen würden.
Die Eltern sind nach Auffassung des Jugendamtsleiters der wesentliche Grundpfeiler für die Bildungskarriere ihres Kindes. „Deshalb zielen wir auch mit Sprachkursen eigens für Eltern genau auf dieses Problem“, sagt er.
Delfin-Sprachtest stützt Umfrage des Landesamts für Statistik
Ohne gezielte Sprachförderung und Anstrengung zur sprachlichen und kulturellen Integration wäre das aktuell diagnostizierte Phänomen nach Auffassung von Schulamtsdirektorin Brigitta Kleffken noch größer. Die Expertin der Schulaufsicht für Grund- und Hauptschulen in Duisburg u.a. für den Bereich „Migration und Sprache“ verweist auf eine Befragung der Kinder mit festgestelltem Sprachförderbedarf (Delfin4-Test).
Die brachte ebenso wie jetzt das Landesamt für Statistik zu Tage: Nur in einer von fünf Migrantenfamilien werde zu Hause „überwiegend deutsch gesprochen“. Aber: In vier von fünf Migrantenhaushalten werde „überwiegend nicht deutsch“ gesprochen.
750 000 Euro für Sprachförderprojekte
Mit dauerhafter Sprachförderung quer durch das ganze Schulsystem und zusätzlichen Lehrerstellen für Schulen mit einem Migrationsanteil ab 40 Prozent aufwärts bemühen sich das Land und die Stadt, zumindest die gravierenden Sprachdefizite der Kinder in den Griff zu bekommen. In Duisburg hat gut jedes dritte Kind (37%) im Alter von vier Jahren derart große Sprachdefizite, dass ein erfolgreicher Schulbesuch ohne Hilfestellung unwahrscheinlich ist.
Herausragend: Seit Jahren nimmt die Stadt Duisburg, obwohl unter Haushaltskontrolle durch die Bezirksregierung, für die Sprachförderung pro Jahr neue Schulden von circa 750.000 Euro auf. Damit wurden in 2011 an 80 Schulen (41 Grundschulen, der Rest andere Schulformen) 165 zusätzliche Sprachförderprojekte (88 an Grundschulen) durchgeführt. Knapp 100 zusätzliche Lehrer stellt das Land NRW in Duisburg alleine an Grund- und Hauptschulen zur Verfügung, um Schulen mit hohem Migrationsanteil zu stützen.