Duisburg.

Auch nach 30 Jahren in Duisburg lassen sich seine Wurzeln nicht verleugnen: Prof. Dr. Hermann Strasser ist deutlich hörbar waschechter Österreicher, aber mit einem großen Herz für seine Wahlheimat.

Wenn er in diesen Tagen seine Projektbüros an der Universität Duisburg-Essen räumt, dann „mit viel Wehmut“. Der 70. Geburtstag steht an, emeritiert ist der Soziologe schon seit 2007. Aber aktiv ist er wie eh und je. Gerade sucht er einen Verlag für einen Sammelband mit autobiografischen Kurzgeschichten, eine Autobiographie ist in Arbeit, Doktoranden werden betreut.

Über 40 waren es bisher, darüber hinaus mehr als 120 Diplomarbeiten, ungezählt sind jene, bei denen er als Zweitprüfer mitwirkte. Strassers Vita ist beeindruckend, füllt fast 50 Seiten. In den 70er Jahren lebte er in New York, promovierte dort als Stipendiat, forschte in Wien, um schließlich 1977 seinen Lehrstuhl in Duisburg anzutreten, „da begann die Wohlfühlzeit“, sagt er. Denn Duisburg sei „ähnlich wie New York ein gesellschaftliches Experimentierfeld“. Der Ruhrpott habe sich wahnsinnig schnell verändert und es sei für ihn faszinierend gewesen, das zu beobachten.

Noch 1995, als Strasser bei einer Veranstaltung erklärte, Deutschland sei ein Einwanderungsland, sei die Entrüstung riesengroß gewesen. Insbesondere beim damaligen Bildungsminister Jürgen Rüttgers. „Und heute feiert man das 50jährige Abkommen mit der Türkei“, schüttelt Strasser den Kopf. Er selbst fühlt sich als „heimatverbundener Europäer mit österreichischem Pass. Der MSV-Fan drückt nur bei Länderspielen seiner alten Heimat die Daumen.

Ehrenamtlich engagiert

An einer Strasser-Entwicklung kommt in Duisburg heute kaum ein Student vorbei: das Akademische Beratungs-Zentrum. Gegründet hatte es der Soziologe in den 80er Jahren zunächst als PAS, Praktikums-und Absolventenbüro Sozialwissenschaften, daraus wurde 1997 Akzent und schließlich das ABZ. Es ging darum, nicht nur Nachwuchs für die Hochschule heranzuziehen, sondern die Absolventen auch ins echte Leben zu vermitteln. „Wir wollten zeigen, wie praxisrelevant Sozialwissenschaf­ten sind“, erklärt der ­Professor, auf dessen Fachgebiet besonders Ökonomen herabblickten. Heute ist die Beratung für den Übergang von Studium zu Beruf ­selbstverständlich. Auch der Ruf der Soziologie hat sich verbessert.

Aktuell widmet sich Strasser dem bürgerschaftlichen Engagement - wissenschaftlich und auch ganz praktisch sowohl in einer Demenzinitiative als auch als Lesepate. „Ich bin jetzt Diplom-Demenzler“, erzählt er von einer Fortbildung zum Umgang mit dieser Krankheit, der er bewusst ins Auge blicken will. Als Sozialwissenschaftler weiß er, dass Verdrängung ein wichtiges Instrument ist, um das Alter zu bewältigen. „Aber wer nur gegen das Altern ­ankämpft, der altert zwar, wird aber nicht reifer“. Und das ist deutlich nicht Strassers Ziel.