Duisburg. .
Marientor, Schwanentor, Kuhtor, Stapeltor, Sonnenwall, Kuhlenwall, Ober- und Untermauerstraße, Springwall, Am Alten Wehrgang: Straßennamen zeichnen noch heute die mittelalterliche Stadt nach, markieren die heutige Altstadt, die sich in den letzten 100 Jahren wahrscheinlich mehr verändert hat als in Jahrhunderten davor.
Und einen gehörigen Teil der jüngsten Altstadt-Entwicklung haben Max vom Ende (89), Wolfgang Lerch (87), Robert Mähler (84) und Wilhelm Decher (76, Vorsitzender des Bürgervereins Stadtmitte) hautnah miterlebt. Die Familie vom Ende hatte an der Münzstraße eine Likör- und Schnapsfabrik, über 100 Jahre lang. „Jetzt ist es hier ziemlich tot“, sagt der Altstädter mit Blick auf Leerstände und Billiganbieter auf Duisburgs einst lebhaftester Einkaufsstraße. „Die untere Beekstraße ist völlig verkommen“, klagt Lerch, Rotlichtbetriebe dehnten sich weiter aus. Es habe Versuche gegeben, der Altstadt zu neuem Leben zu verhelfen. „Das ist im Sande verlaufen“, berichtet Lerch, geblieben sei ihm eine dicke Akte zum Thema Runder Tisch Beekstraße.
Totalabriss von alter Bausubstanz
Mählers Großvater Ferdinand gehörte 1903 zu den Gründern des Duisburger Einzelhandelsverbandes. Handel prägt damals die Altstadtstraßen, viele Händler waren Juden, wenige überlebten das Mord-Regime der Nazis. Und der Bombenkrieg tat ein Übriges, dass die Altstadt nach 1945 eine andere wurde.
Totalabriss von alter Bausubstanz, Begradigung von Straßen, neue Trassen für die Straßenbahn, das Scheitern vieler Fachgeschäfte – all das, beklagt die Altstadt-Herrenrunde, habe letztlich zur Verlagerung des Einzelhandelsschwerpunktes Richtung Königstraße geführt.
Tatsächlich atmet die Münzstraße Niedergang, noch stärker aber ihre Seitenstraßen. Stolze Konsumbauten prägen nach wie vor die Fußgängerzone, doch zu viele Schaufenster sind leer, zu oft sind Billiganbieter den großen Handelsnamen gefolgt. Die Folge: unübersehbare Vernachlässigung des Quartiers.
Altstadt in 60 Sekunden
Die Altstadt gehört zum Stadtbezirk Mitte und hat 7720 Einwohner, davon 3923 Frauen und 3797 Männer.
Die Altstadt war früher von einer 2,5 Kilometer langen Stadtmauer umgeben, von der nach 1945 noch 80, jetzt noch 26 Prozent erhalten sind. Neben der historischen Altstadt gehören zum Stadtteil auch das Wasserviertel mit dem Innenhafen, aber auch das Rotlichtviertel rund um die Vulkanstraße.
Im Mittelalter entstand am Ufer des Rheins die alte Kaiserpfalz, aber nach einer Rheinverlagerung im 12. Jahrhundert verlor Duisburg seine Bedeutung. An die 1655 begründete erste Duisburger Hochschule erinnert die Universitätsstraße parallel zur Münzstraße. Das Rathaus sieht alt aus, ist es aber nicht: Der Verwaltungsbau wurde erst um 1900 erbaut. Zum Vergleich: Die benachbarte Salvatorkirche war 1415 fertig.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Altstadt zu fast 90 Prozent zerstört. Was übrig blieb, fiel in großem Maße dem Nachkriegs-Bauboom zum Opfer.
Szenenwechsel: 250Meter von der Münzstraße entfernt liegt die Quergasse, mitten im Herzen der Stadt, weitestgehend unbekannt und – im Maßstab des Mittelalters – nur wenige Schritte schmal. Kleine Häuschen stehen in Reihe, ein Gittertor erlaubt Einblick in eine Oase von Garten samt plätscherndem Brunnen, das dazu gehörenden Haus wurde 1848 gebaut.
Eine der charmantesten Ecken der Stadt
Durch einen Torweg geht’s zur Unterstraße, die Stadtmauer verwehrt den Blick auf den Innenhafen, die meisten Häuser lassen in ihrer Schlichtheit auf Wiederaufbaujahre schließen. Ebenso sieht’s in den anderen Wohnstraßen der Altstadt aus. Wenig alte Bausubstanz ist geblieben, viel ist neu erbaut worden in Zeiten, die gezeichnet waren von Mangel aller Art. Ein Bummel durch die Gassen mit Namen wie Unteröderich oder Tibistraße sei dennoch empfohlen, ebenso ein Blick in die Garagenidylle der Christian-straße oder auf das liebevoll gepflegte Straßenrandbeet vor der Gaststätte „Klösterchen“ an der Klosterstraße. An solchen Stellen wird sichtbar, was aus der Altstadt werden könnte: eine der charmantesten Ecken der Stadt.
Eine zumindest erste Besserung, sind sich die Herren Altstädter in meiner Begleitung einig, könnte die Ansiedlung des Medizinzentrums zwischen Steinscher Gasse und Beekstraße einleiten. Und vielleicht eine stärkeres gemeinsames Engagement der noch verbliebenen Händler. Die Forderung der erfahrenen Vier: „Es muss etwas passieren!“
Aber es geht auch anders in der Altstadt: Geht man an Rathaus und Salvatorkirche vorbei über den Burgplatz, kommt man in ein ausgesprochen ruhiges Wohnviertel, weitestgehend nach 1945 entstanden. Die Niederstraße ist beispielhaft – und sie führt zu einem historischen Gebäude besonderen Ranges: Das Dreigiebelhaus ist das älteste Wohnhaus in Duisburg, erbaut ab 1536, lange von Nonnen bewohnt und heute eine bekannte Gaststätte.