Duisburg. .

Wieder wurden zwei Polizisten im Einsatz verletzt, diesmal in Oberhausen. Die Duisburger Polizeikommissarin Anke Schneider weiß, wie es sich anfühlt, wenn man als Polizist während eines Einsatzes plötzlich vom Beschützer zum Opfer wird.

Wieder wurden zwei Polizisten im Einsatz verletzt, diesmal in Oberhausen. In Aachen wurde bereits am Mittwoch ein Beamter ins Krankenhaus gebracht. Bei einer Personalienfeststellung hatte ein 21-Jähriger dem Polizisten unvermittelt ins Gesicht geschlagen und ihn zu Boden geschubst.

Wie es sich anfühlt, wenn man als Polizist während eines Einsatzes plötzlich vom Schutzmann zum Opfer wird, musste auch die Duisburger Polizeikommissarin Anke Schneider erleben. Bei einer Verkehrskontrolle hatten die Polizisten den Pkw angehalten. Der Fahrer hatte keinen Ausweis dabei, die Beamten begleiteten ihn zu seiner Wohnung. Sofort rückten Schaulustige an, knapp 20 Personen versammelten sich vor dem Wohnhaus. Die Polizisten erteilten einen Platzverweis, doch einer, ein Bekannter des Autofahrers, wollte nicht gehen. Er wurde festgenommen und durchsucht.

Allein im vergangenen Jahr wurden in NRW 1734 Polizisten im Dienst durch Angriffe verletzt

Anke Schneider gehörte zu den sichernden Beamten. Als der Verkehrssünder aus seinem Haus kam und seinen Freund in der Gewalt der Polizisten entdeckte, stürzte er sauf die Polizeikommissarin. „Ich stand mit dem Rücken zu ihm“, erzählt die 28-Jährige, sie hätte die Worte „lasst den los“ gehört und sich umgedreht. Da ging der 19-Jährige auf sie los. Seine Schläge trafen die zierliche, blonde Frau an der Schläfe und am Kinn. Bluterergüsse und ein gebrochener Kiefer waren für Anke Schneider die traurige Bilanz dieses Routineeinsatzes.

Allein im vergangenen Jahr wurden in NRW 1734 Polizisten im Dienst durch Angriffe verletzt, das zeigt eine erste landesweite Untersuchung des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes (LKA). Von den Opfern waren 84,4 Prozent Polizisten im Streifendienst. Die Täter sind laut LKA überwiegend männliche deutsche Erwachsene, häufig zwischen 19 und 22 Jahre alt. Bei den Übergriffen auf die Polizisten waren sie oft betrunken oder hatten Drogen genommen. Viele sind bereits vorbestraft. Auf der Polizeiwache Duisburg-Hamborn bestätigt man die Ergebnisse der LKA-Untersuchung. Polizeioberkommissar Markus Müller, der genau wie Anke Schneider im Duisburger Norden auf Streife geht, erzählt von betrunkenen Jugendlichen, für die es „hip ist, sich auf der Straße mit Polizisten anzulegen“.

Der 19-Jährige wurde zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt.

Der 42-Jährige erzählt von einem Unfall vor einer McDonalds-Filiale, betrunkene Jugendliche, die dort auf dem Weg zur Disco vorbeikamen, hätten den Polizisten zugerufen: „Guck mal die blöden Bullen.“ Müller, der seit über 20 Jahren Polizist ist, glaubt an einen gesellschaftlichen Trend. Täter, die bei der Verhaftung Widerstand leisten, hätte es immer gegeben, aber das völlig Unbeteiligte, die Polizisten anpöbelten und versuchten, Polizeieinsätze eskalieren zu lassen, das sei neu. Außerdem fürchteten die Jugendlichen keine Konsequenzen. Sprüche wie „ihr könnt mich ruhig anzeigen, meine Kumpel sagen eh, dass das alles hier eingestellt wird“, bekämen sie regelmäßig zu hören.

Auch Anke Schneider zeigte ihren Angreifer an. Der 19-Jährige wurde zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Bei der Urteilsbegründung hätte der Richter bemerkt, er könne nicht ausschließen, dass sich der Täter durch die Polizisten provoziert gefühlt habe. „Man fühlt sich im Stich gelassen und vorgeführt von der Justiz“, beschreibt die Polizeikommissarin ihre Gefühle. Auch Stefan Hausch findet die Urteile der Justiz häufig „unbefriedigend“. Der Pressesprecher der Duisburger Polizei warnt vor einer „Signalwirkung“.

Nicht nur auf die Täter, sondern auch auf die Polizisten, die zukünftig vielleicht zweimal überlegen würden, ob sie sich in eine gefährliche Situation begeben. Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert deshalb: „Wir brauchen eine Mindeststrafe, eine Freiheitsstrafe von einem halben Jahr, damit Angriffe auf Polizisten nicht länger von den Gerichten als Bagatelldelikt abgetan, sondern als Straftat geahndet werden“.

Ob die Gerichte Anzeigen von Polizisten tatsächlich überproportional häufig einstellen oder zumindest verhältnismäßig milde Strafen verhängen, lässt sich nicht nachprüfen. Es gibt keine Statistik, die ausschließlich Urteile zu Straftaten gegen Polizisten erfasst, heißt es beim zuständigen Justizministerium NRW.