Duisburg. .
21 Jahre nachdem Flamour Baftiji in Duisburg geboren wurde, hat er jetzt seine deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Neben dem üblichen Händedruck des Oberbürgermeisters gab es bei der Einbürgerungsfeier im Rathaus die Urkunde und ein Exemplar des Grundgesetzes.
Der 21-Jährige kann eine andere Geschichte erzählen als die meisten Neu-Deutschen, die mit ihm im Mercatorzimmer am Burgplatz stehen. Sie haben die Staatsangehörigkeit gewechselt, Flamour Baftiji hatte bisher gar keine.
Bis zur vergangenen Woche war er ein Staatenloser, wie es seine drei Geschwister und seine Mutter heute noch sind. Vor über 21 Jahre flüchteten die Eltern mit zwei kleinen Kinder nach Deutschland, weil in ihrer Heimat Jugoslawien der Krieg tobte. Kurz darauf kam in Duisburg ihr Sohn Flamour zur Welt, einige Jahre darauf sein kleiner Bruder. Ihre Heimat, das heutige Mazedonien, hat die Familie vor langer Zeit verloren. Das Land verweigert den Eltern die Anerkennung, die alten Pässe sind wertlos. Seitdem befindet sich die Familie auf einer Odyssee durch Botschaften, Konsulate, Ausländerbehörden und letztlich auch auf einem Irrweg durch die Änderungen des deutschen Bleiberechts.
Baftij´s Geschichte ist ein Sonderfall
Die Geschichte ist ein Sonderfall unter den Einbürgerungen in Duisburg, deren Zahl deutlich schwankt. Im Jahr 2000 verzeichnete die Stadt noch 3363 eingebürgerte Personen, in den Folgejahren hatte sich die Zahl dann schnell halbiert. Nach dem Tiefststand in 2009 stieg die Zahl der Einbürgerungen im vergangenen Jahr erstmals wieder an. Einer der 1156 Neubürger, der 2010 seinen deutschen Pass im Rathaus am Burgplatz abholen durfte, war Flamours Vater Sami Baftiji.
Der 60-Jährige stammt aus Skopje, den Streit mit seinem Heimatland, wo er als „persona non grata“ gilt und ihm trotz aller Nachweise neben der Anerkennung auch ein Visum verweigert wurde, hat er bis vor den EU-Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geführt. „40 Jahre lebst du in einem Staat, und dann gibt es dich plötzlich nicht mehr“, sagt Sami Baftiji. Obwohl auch Mazedonien 1991 das internationale Übereinkommen unterschrieben hatte, in dem sich die Staaten verpflichten, die Staatenlosenpässe gegenseitig anzuerkennen, wurde ihm die Einreise immer wieder verweigert.
Als er im November endlich mit seinem neuen deutschen Pass in seine alte Heimat einreisen durfte, hat er zum ersten Mal nach 21 Jahren seine Brüder und Schwestern wieder gesehen. So groß die Freude war, so bescheiden blieb der Besuch bei den mazedonischen Behörden, bei der Baftiji seine Rentenansprüche klären wollte. Schließlich hatte er jahrelang Beiträge gezahlt. Die Situation in der Behörde schildert er dem EU-Gerichtshof in einem Schreiben als bedrohlich, unwürdig und inhuman, er sei beschimpft und beleidigt worden. In welcher Form sich der Gerichtshof dem komplexen Fall annehmen wird, steht noch aus.
Die Bindung zum Heimatland ging verloren
Die Eltern haben die Bindung an Mazedonien längst verloren, die beiden älteren Kinder waren damals zu jung, um sich überhaupt an das Land zu erinnern, in dem sie geboren wurden. Und die beiden jüngsten Kinder sehen ohnehin Deutschland und Duisburg als ihre Heimat. Dass nicht die gesamte Familie gleichzeitig die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, liegt an den komplizierten Bestimmungen des Ausländerrechts. So hat fast jedes Mitglied der Familie einen anderen Aufenthalts-Status. Der 22 Jahre alte Sohn, der noch in Skopje geboren wurde, muss noch warten, bis er den deutschen Pass beantragen kann, ebenso wie der jüngste Spross der Familie.
Die 24 Jahre alte Schwester dagegen muss ihre Aufenthaltserlaubnis alle drei Monate verlängern lassen, während die Mutter mit unbefristeter Niederlassungserlaubnis die Kurse für den Einbürgerungstest besucht.
Flamour Baftiji will aus seiner neuen Staatsbürgerschaft keine große Sache machen. Er studiert an einer Fachhochschule, seine Kommilitonen wissen nichts über seine Vorgeschichte. Für sie war er schon immer ein deutscher Staatsbürger.