Duisburg. .

Pro Tag erleiden 745 Menschen in Deutschland einen Herzinfarkt, 272.000 sind es in einem Jahr. Damit ist er laut statistischem Bundesamt nach wie vor häufigste Todesursache. Beim 2. WAZ-Medizinforum widmeten sich drei Kardiologen diesem Thema.

Beim 2. WAZ-Medizinforum am Mittwochabend im Abteizentrum Hamborn widmeten sich gleich drei Kardiologen des angrenzenden St. Johannes-Hospitals diesem Thema. Über 100 WAZ-Leser lauschten nicht nur den anschaulichen Vorträgen, sondern sie konnten im Anschluss daran auch ihre Fragen loswerden. Und die Experten versorgten sie mit vielen Informationen und wichtigen Tipps.

Der Auftakt

Vor der Theorie wartet ein Praxistest: Jeder Besucher des WAZ-Medizinforums kann sich im Eingangsbereich des Abteizentrums den Blutdruck messen lassen. Diese Aufgabe übernehmen drei Auszubildende der Zentralschule für Kranken- und Kinderkrankenpflege – und zwar ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Dafür gibt’s von allen Seiten ein dickes „Dankeschön“. Und fast alle Teilnehmer machen von diesem Angebot Gebrauch.

Die Basisfakten

Dr. Wolfgang Lepper macht den Anfang. Der Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 (Kardiologie, Intensiv-Medizin) am St. Johannes-Hospital erklärt Aufbau und Funktion des Herzens, erläutert die Funktion des Sinusknotens als rhythmischen Taktgeber. Im Laufe eines Menschenlebens könne es zu Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen kommen, so der Chefarzt. Und falls sich dann ein Blutgerinnsel bildet, kann es zum Gefäßverschluss kommen. Der Infarkt! Das dahinter liegende Gewebe wird nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoff versorgt. „In diesem Moment beginnt die Uhr zu ticken“, redet Dr. Lepper Klartext. Und sendet die wichtigste Botschaft des Abends aus: „Sollten sich Symptome für einen Infarkt bemerkbar machen, warten Sie nicht lange. Wählen Sie sofort den Telefon-Notruf 112. Jede Minute zählt.“

Die Symptome

1.) Dumpfes, beklemmendes Enge-Gefühl im Brustkorb. 2.) Starke, plötzlich auftretende Schmerzen im vorderen linken Brustbereich. Diese können auch im Oberbauch, Rücken oder Kiefer auftreten und strahlen oft bis in den linken Arm. 3.) Atemnot, schwere Schwindelgefühle und sogar Bewusstlosigkeit.

2,5 Milliarden Herzschläge

Das gesunde Menschenherz schlägt durchschnittlich rund 70 Mal pro Minute. Das bedeutet: 4200 Schläge pro Stunde, rund 100 000 am Tag und rund 2,5 Milliarden im gesamten Leben. Im Falle eines Herzinfarktes wissen die alarmierten Rettungskräfte sofort, welche Herzklinik vom jeweiligen Standort aus gesehen die naheliegendste im Stadtgebiet ist.
Eine Besucherin des Medizinforums verspürte während der Veranstaltung ein Unwohlsein. Bei ihr wurde ein stark erhöhter Blutdruck gemessen. Dr. Tobias Kaspar kümmerte sich sofort um die Dame, die zur Ambulanz gebracht wurde.

„Die meisten Fehler werden in den ersten Stunden gemacht“, so Dr. Lepper. Deshalb mahnt er: „Treten solche Symptome abends auf, warten Sie nicht bis zum nächsten Morgen. Passiert es am Wochenende, gehen Sie nicht erst am Montag zu Ihrem Hausarzt, sondern alarmieren Sie sofort den Rettungswagen.“

Die Behandlung

Oberarzt Hans-Joachim Hartmann stellt die Sofort-Behandlungsmaßnahmen vor: Schmerz lindern, für eine Wiedereröffnung des Herzkranzgefäßes sorgen, den Rhythmus wieder in Takt bringen, den Kreislauf stabilisieren.

Wo früher noch versucht wurde, mit Medikamenten das Blutgerinnsel aufzulösen, werde laut Hartmann heute eine mechanische Öffnung des Gefäßes bevorzugt – und zwar mittels eines Herzkatheters. Dabei wird ein nur haardicker Draht wahlweise über die Leiste oder das Handgelenk durch die Blutbahn zum Herzen geleitet. Mit Hilfe eines Ballons wird das verschlossene Gefäß aufgeweitet und ein so genannter Stent gesetzt. Dieses feine Metallgeflecht soll einen neuerlichen Verschluss verhindern.

Medizinforum in Duisburg

Medizin Forum im St. Johannes Hospital zum Thema Herzinfarkt
Medizin Forum im St. Johannes Hospital zum Thema Herzinfarkt © WAZ FotoPool
Medizin Forum im St. Johannes Hospital zum Thema Herzinfarkt
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Medizin Forum im St. Johannes Hospital zum Thema Herzinfarkt
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Medizin Forum im St. Johannes Hospital zum Thema Herzinfarkt
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„Die Sterblichkeit von Herzinfarkt-Patienten im Krankenhaus konnte so drastisch reduziert werden“, sagt Hartmann. Der Wert ging von 25 bis 30 Prozent im Jahr 1960 auf heute rund 10 Prozent zurück.

Das Leben danach

Dr. Tobias Kaspar benennt in seinem Vortrag zunächst Risiko-Faktoren: Übergewicht, Stress, Angst, Depression, Bewegungsmangel – und vor allem das Rauchen. Wer einen Herzinfarkt überstanden hat, auf den wartet nicht nur eine medikamentöse Therapie, um einer neuerlichen Gerinnselbildung vorzubeugen. Ebenso wichtig sei auch eine Lebensstiländerung, so Dr. Kaspar.

Dazu gehöre etwa eine gesündere Ernährung mit weniger Fett, der vollständige Verzicht auf Nikotin sowie regelmäßige Bewegung zur Erhöhung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Dabei sollten Betroffene Ausdauersportarten wie Walking oder Jogging bevorzugen. Mitstreiter fänden sich in so genannten Herzsportgruppen.

Wie verändert sich das Sexualleben nach einem Herzinfarkt? Darf ich nach überstandenem Infarkt eine Flugreise unternehmen? Auch zu diesen Fragen des Patienten-Alltags nimmt Kaspar Stellung.

Die Patientenfragen

Knapp eine Stunde haben die Zuhörer gebannt den drei Referenten gelauscht. Nun sind sie selbst an der Reihe. WAZ-Redakteurin Annette Kalscheur, die den Abend moderiert, und Barbara Jung, die Pressesprecherin des Katholischen Klinikums Duisburg (KKD), gehen mit Mikrofonen durch die gut besetzten Reihen. Horst Schubert möchte wissen, wie er auch als Laie helfen kann, wenn er miterlebt, dass jemand einen Herzinfarkt hat. „Und kann ich dabei auch etwas falsch machen?“ Dr. Wolfgang Lepper nimmt Ängste: „Der größte Fehler ist, gar nichts zu tun.“

Der erste Schritt solle immer die Alarmierung des Rettungswagens unter 112 sein. Wenn ein Patient nicht mehr bei Bewusstsein ist, solle er in die stabile Seitenlage gebracht werden. Viele Anwesende entpuppen sich als Betroffene, schildern kurz ihre eigene Krankengeschichte. So will Renate Grunert etwas über die Gefährlichkeit von „Aussetzern“ wissen. Diese Form von Herzrhythmusstörungen sei in vielen Fällen harmlos, so Dr. Lepper, aber manchmal könne sich dahinter auch eine Herzerkrankung verbergen. Der Chefarzt nennt das Langzeit-EKG als Diagnose-Instrument. Petra Kargbo möchte wissen, ob sich nach dem Auftreten von Vorhofflimmern eine Herzultraschalluntersuchung empfiehlt. Und ob eine Untersuchung mit dem Herzkatheter auch für übergewichtige Menschen möglich ist. Sie erhält umfassende Antworten.

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Das Fazit

„Das war sehr informativ. Toll, dass wir Fragen stellen konnten“, zieht Petra Kargbo Bilanz. Ein Lob hat sie für die Referenten des Abends parat: „Da standen keine drei Halbgötter in Weiß, sondern drei normale Menschen, die alles sehr gut erklärt haben.“

Einen Herzinfarkt hat auch Bernd Opitz hinter sich. Der Duisburger ist mit seiner Partnerin Ingrid Barkow zum Medizinforum gekommen. „Ich wusste zwar schon vieles, aber es war trotzdem sehr, sehr interessant“, so Opitz.

Renate Dörnemann aus dem Dellviertel hat im April und Mai 2011 insgesamt vier Stents gesetzt bekommen. Sie hat aber in ihrem neuen Alltag nach eigenem Bekunden an Belastbarkeit verloren – auch deshalb war sie hier. Und lobte die anschaulichen Ausführungen der Ärzte.

Dr. Wolfgang Lepper findet, dass „die Resonanz angesichts der Sommerferien sehr gut war“. Es sei bei Veranstaltungen wie dieser immer so, dass fast nur Betroffene im Publikum säßen. „Es wäre schön, wenn wir auch einmal diejenigen erreichen könnten, die noch keinen Infarkt hatten.“