Duisburg.. Menschengewimmel, laute Geräusche, starke Gerüche - für hochsensible Personen sind das Faktoren, die krank machen können. Durch den Tag kommen sie mit bestimmten Strategien. In der neuen Selbsthilfegruppe in Duisburg finden sie Unterstützung.
Sie sind wohl die einzigen, die sich freuen, dass der Sommer so verregnet ist. Die es genießen, nicht in Biergärten eingeladen zu werden. Denn die Begleiterscheinungen sind ihnen unerträglich: Lärm, Gerüche, viele Menschen draußen auf den Straßen – all das stresst hochsensible Personen, kurz HSP’ler genannt.
Sie sind nicht krank, darauf legen sie wert. Aber wenn sie nicht auf sich acht geben, machen die Umstände sie krank. Kopfschmerzen, Migräne, Depressionen, Burn-out-Syndrome sind typische Folgen, die nicht leicht zu behandeln sind, weil diese Menschen auch besonders auf Medikamente reagieren.
In Duisburg hat sich eine Selbsthilfegruppe gegründet, die den Teilnehmern vor allem das gute Gefühl gibt, nicht allein zu sein und schon gar nicht bekloppt oder gar asozial. Nur eben ein bisschen feinfühliger. Eine Teilnehmerin beschreibt es so: „Wo andere nur ein Bild wahrnehmen, läuft bei mir in jeder Situation ein ganzer Film ab. Und das ist eben anstrengend“.
Spazierengehen, Lesen, Stricken
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Streiten kann man sich mit den meisten HSP’lern ohnehin schlecht: Zu groß ist ihr Harmoniebedürfnis, zu groß ihre Fähigkeit zur Empathie. „Man fühlt die Situation des anderen mit und das hemmt“, beschreibt einer der Hochsensiblen.
Bevorzugte Freizeitbeschäftigungen also: Spazierengehen, Lesen, Stricken – alles, was ruhig ist. Auch beruflich sind sie eingeschränkt. „Ein Call-Center wäre die Hölle“, erklärt einer. Auch ein normaler Bürojob ist nicht ohne, wenn das Radio läuft, Kollegen sich unterhalten, telefonieren, die Tasten klappern. Nachts zum Schlafen kann man sich ja die Ohren verstöpseln, tagsüber ist das schwierig, bedauert eine HSP’lerin.
Mit Strategien durch den Tag
Jeder hat seine Strategien für den Tag entwickelt. Manchen hilft es schon, sich nur in Situationen zu begeben, die man selbst beeinflussen kann – und sei es durch Flucht.
Yoga und Meditation gehören dazu, einer hat sich angewöhnt, Situationen in Ampelphasen einzuteilen. Schon beim Wechsel von Grün zu Gelb ist es Zeit, zu gehen. Mitunter ist sogar ein Umzug damit verbunden.
Im Internet zu shoppen, empfinden viele als Erleichterung. Denn vieles kostet sie mehr Zeit, die Auswahl eines Geschenks etwa oder eines Essens im Restaurant. Nicht, weil sie unsicher oder unentschieden wären, wie sie beteuern, aber „unser Kriterienkatalog ist umfangreicher, da braucht es mehr Gedankengänge“, erklären sie.
Psychotherapie ist für die meisten kein Thema, „die wollen uns doch nur an die Norm anpassen, aber will ich überhaupt gesellschaftsfähig sein, mich verbiegen lassen?“, fragt eine junge Frau. Lieber stellen sie eigene Forderungen, etwa an die Industrie oder die regelungsliebende EU: Bitte macht die Geräte leiser, die Staubsauger, die Laubbläser, Fön und Wasserkocher. Das würde wohl auch die Normal-Sensiblen erfreuen.