Pianistin Yuja Wang riss die Besucher beim Klavier-Festival-Ruhr-Konzert hin

Als Tzimon Barto in der letzten Woche sein Duisburger Klavierfestival-Konzert absagen musste, war die Not groß. Wie sollte auf die Schnelle ein hochkarätiger Ersatz gefunden werden? Doch Intendant Franz Xaver Ohnesorg wusste, dass die in New York lebende Yuja Wang gerade in Europa weilte und dass auch die Paganini-Variationen von Johannes Brahms, die Barto spielen wollte, zu ihrem Repertoire gehören. Tatsächlich hatte Yuja Wang Zeit – und das Publikum in der Gebläsehalle des Landschaftsparks erlebte ein fulminantes Konzert.

Schon in den vier Sonaten von Domenico Scarlatti glänzte Yuja Wang mit klarem und kräftigem Anschlag. Fast sportlich klang ihr Spiel, das dem starken Bewegungsimpuls der Musik folgte. In diesen Cembalo-Kompositionen gestaltet sie die Dynamik nur minimal, was sich dann ändern sollte.

Schon in den Variationen über ein Thema von Niccolo Paganini für Klavier solo a-Moll von Brahms entpuppte sich Yuja Wang als virtuoser Wirbelwind. Ihre Hände flogen über die Tastatur, sie entlockte dem Flügel ein gigantisches Klangspektrum. Manche Variation tupfte sie wie die Farben eines Regenbogens hin, andere meißelte sie wie in Marmor. Fein zeichnete sie die melodiösen Variationen.

Hier wie auch in den Werken von Chopin und Strawinsky zeigte sich Yuja Wang als brillante Technikerin, die jede virtuose Hürde mit Leichtigkeit zu meistern scheint. Diese Kraft riss mit und begeisterte das Publikum, in dessen Reihen schon nach den ersten Paganini-Variationen kurzer Applaus aufbrandete.

Leidenschaftlich spielte Yuja Wang in Frederic Chopins Sonate Nr. 2 b-moll den Eröffnungssatz. Selbst die Ruhepunkte klangen trügerisch und führten zielstrebig zum nächsten Ausbruch. Grandios, wie stürmisch Yuja Wang hier die Wellenbewegungen der Musik gestaltete. Auch der berühmte Marche funêbre war auf den Punkt genau ausgelotet. Ganz modern dann das Presto-Finale: Die Musik war nur noch klangliches Ereignis, war nicht mehr greifbar und schien wie ein Windhauch zu verwehen.

Atemberaubend schließlich die Trois mouvements de „Petrouchka” von Igor Strawinsky. Yuja Wang entlockte den Flügel die ganze orchestrale Vielfalt der komplexen Partitur. Grell betonte sie den harmonischen und rhythmischen Witz der Musik und strahlte trotz der immensen Anforderungen immer gelassene Meisterschaft aus. Das Publikum applaudierte, trampelte und spendete Bravo-Rufe.