Duisburg. .
Augenzeugen der Festnahme eines Terrorverdächtigen in Duisburg erheben schwere Vorwürfe: Das Einsatzkommando des BKA soll zuerst den falschen Mann festgenommen haben - vor den Augen seiner Kinder.
Lautstarke Kritik gegen das Einsatzkommando des BKA erheben einige Anwohner der Koopmannstraße in Meiderich, die am Donnerstag die Verhaftung des mutmaßlichen El-Kaida-Terroristen Shawan S. zufällig miterleben mussten. Der heftigste Vorwurf: Die BKA-Kräfte sollen zunächst den falschen Mann überwältigt und festgenommen haben – und das auch noch vor den Augen seiner Kinder.
Der Morgen danach. Auf der Koopmannstraße stehen die Menschen in Kleingruppen beisammen. Es gibt nur ein Gesprächsthema: die Verhaftung eines mutmaßlichen Bombenbauers und Attentäters mitten in ihrer Siedlung. Drei ältere Damen diskutieren vor ihren Häusern, die direkt gegenüber jener Zufahrt liegen, in der Zugriff Nummer eins erfolgte. „Ich wohne jetzt seit 56 Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Das hat mich alles schon sehr erschreckt“, sagt eine Frau in einer rosafarbenen Bluse, die ihren Namen nicht nennen will. Gesehen habe sie nicht viel, das meiste habe sie aus der Zeitung erfahren. „Es ging alles so schnell.“
Alle stünden unter Schock
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Zahlreiche Nachbarn wollen aber erkannt haben, dass zunächst der falsche Mann überwältigt wurde – nämlich der Vater von Familie M., in dessen Wohnung der 37-jährige Verdächtige mit seiner mitgereisten Frau und Kindern die Nacht auf Donnerstag verbracht hatte. Vater M. habe gerade seine Kinder zum Kindergarten Koopmannstraße bringen wollen, als das BKA-Team zuschlug und ihn überwältigte. Erst als den Beamten klar wurde, dass sie da den falschen Mann hatten, stürmte ein Team die Wohnung in der zweiten Etage des Mehrfamilienhauses. Dort wurde dann der Gesuchte überwältigt und verhaftet. Sowohl jener Familie, die dort lebt, als auch ihren Gästen aus Norwegen, gehe es laut einer türkischen Nachbarin „sehr schlecht“. Alle stünden unter Schock. Viele Nachbarn hätten sich für Gespräche angeboten. Doch die Familie schottet sich derzeit ab.
Im Gespräch mit der norwegischen Tageszeitung Verdens Gang, die gemeinsam mit der WAZ in diesem Fall recherchiert, erklärte BKA-Sprecher Gerhard Salmen gestern Mittag: „Aus polizeitaktischen Gründen können wir keine näheren Angaben zur Operation machen. Für uns ist sie gelungen, weil die Person, die wir den norwegischen Behörden ausliefern sollten, auch verhaftet werden konnte.“
Laut Günter Wittig, dem Leitenden Oberstaatsanwalt der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main wurde der Verdächtige gestern im Duisburger Amtsgericht dem Haftrichter vorgeführt. Er soll nach Norwegen ausgeliefert werden, das ein entsprechendes Ersuchen bereits gestellt hat. Nach seiner Verhaftung soll Shawan S. den Beamten gesagt haben, dass er als Tourist unterwegs sei und mit seiner mitgereisten Familie Urlaub in Deutschland machen wolle. Die Familie des Verhafteten hielt sich gestern noch bei den Bekannten in Meiderich auf. Zu sprechen war sie nicht.
Kinder als unfreiwillige Zeugen
Unfreiwillige Zeugen dieser Polizeiaktion waren auch zahlreiche Kinder, die sich zum Zeitpunkt der Erstürmung der Wohnung gerade auf Spielgeräten im Außenbereich des Kindergartens Koopmannstraße tummelten. Dieser grenzt unmittelbar an die Zufahrt, durch die sich die mit Waffen und Sturmhauben bestückten BKA-Beamten den Weg zum Einsatzort bahnten.
„Zum Glück haben unsere Kinder nicht allzu viel mitbekommen“, erzählt Sandra Kuhl, stellvertretende Leiterin des Kindergartens. „Als wir die Männer mit den Gewehren sahen, haben wir die Kinder zusammengetrommelt und sind mit ihnen schnell auf die andere Seite des Hauses gegangen.“ Kein Kind habe geweint oder sei verängstigt gewesen. „Allerdings wäre es besser gewesen, wenn die Polizei uns im Vorfeld zumindest so weit informiert hätte, dass wir an diesem Morgen den Außenbereich nicht hätten nutzen sollen“, so Kuhl.