Duisburg. Seit 40 Jahren steht Gerda Verbeck (84) im „Zum Itze“ hinter der Theke. Aufhören will die Wirtin nicht. Sie hat viele wilde Geschichten erlebt.
Eigentlich möchte sie den ganzen Rummel nicht mehr. In ihrem Alter hat Gerda Verbeck schon alles erlebt, und die allerbesten Zeiten in Ruhrort, dem früheren „St. Pauli Duisburgs“, seien ohnehin vorbei, meint die 84-Jährige.
Doch für den Fotografen hat sie sich extra schick gemacht, und irgendwie freut sie sich auf die Überraschung, die ihre Gäste heimlich für sie vorbereitet haben: Am kommenden Freitag, 31. Mai, feiert Verbeck, die alle nur beim Vornamen nennen, 40-jähriges Thekenjubiläum im „Zum Itze“. Die 84-Jährige ist damit die älteste Wirtin Ruhrorts. Und eins steht fest: Gerda, deren Kiez-Kneipe weit über die Grenzen Duisburgs hinaus bekannt ist, hat so manche Geschichte zu erzählen.
Wirtin in Duisburg-Ruhrort seit 40 Jahren: Feiern in Kneipe „Zum Itze“ macht ihr immer noch Spaß
Es war das Jahr 1984, als ein neuer Pächter für das traditionsreiche Lokal direkt am Neumarkt gesucht wurde. Das hieß damals noch „Alt-Ruhrort“, und es war Gerdas Mann Friedrich, der das Geschäft unbedingt übernehmen wollte. Der ehemalige Hütten-Malocher war damals in Duisburgs Sportszene unter dem Spitznamen „Itze“ bekannt.
Sie selber sei anfangs nicht begeistert gewesen von der Idee. „Wir wohnten in Meiderich und hatten drei Kinder.“ Aber ihr inzwischen verstorbener Mann setzte sich durch, und schließlich übernahm das Paar die Kneipe, zunächst zur Pacht, später ganz. „Viele wollten sie haben, aber wir haben den Zuschlag bekommen. Von der König-Pilsener-Familie, denen das Alt-Ruhrort gehörte“, erzählt Gerda, die sich bald mit ihrem neuen Leben als Wirtin anfreundete.
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Denn das Feiern und der Kontakt zu den Gästen machten ihr Spaß. Gern erinnert sie sich an legendäre Sportlerpartys, die im „Zum Itze“ veranstaltet wurden, und an andere Events, zu denen nicht nur die Ruhrorter kamen, sondern auch Menschen aus den Nachbarstädten.
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„Einmal waren hier welche aus Oberhausen.“ Zehn Mann seien das gewesen. Mit dem Rad seien sie gekommen und hätten eigentlich noch weiter gewollt. „Aber als sie hier nach einer Weile wieder auf ihre Räder stiegen, sind sie auf der anderen Seite direkt wieder runtergefallen“, lacht Gerda, die den Besuchern offensichtlich ein Bierchen nach dem anderen über den Tresen gereicht hatte.
Auch „Schimmi“ saß schon bei Gerda am Tresen
Ein anderes Mal habe ein Pferd in der Kneipe gestanden, darauf sitzend der damals amtierende Karnevalsprinz. Und auch ein Motorrad sei mal zur Türe hereingekommen, erinnert sich die 84-Jährige, die einst auch Horst Schimanski bewirtete: In einer der legendären Tatort-Folgen hockt der Kult-Kommissar bei ihr am Tresen und trinkt Sambuca.
Es wirkt wie eine Szene aus dem richtigen Leben. Aber in Wahrheit sei ein Theken-Pläuschchen mit Götz George, der in den 1980er Jahren als Darsteller des sperrigen Duisburger Hauptkommissars populär wurde, nicht so einfach möglich gewesen. „Der sagte immer ‚Erst die Arbeit‘, aber nach der Arbeit war er dann verschwunden“, erzählt Verbeck, die den Laden seit dem Tod ihres Mannes alleine schmeißt.
Früher wurde bedient, heute holt man sich sein Bierchen selber
Zu den meisten ihrer anderen Gästen hat sie einen weitaus besseren Draht. In ihrer Kneipe herrscht eine familiäre Atmosphäre. Man kennt und vertraut sich, und Deckel, auf denen die einzelnen Getränke notiert werden, gibt es nicht. Jeder zahlt, was er getrunken hat.
An den Tischen, die teilweise noch aus den 80er Jahren stammen, wurde früher bedient. Heute holt man sich sein Bierchen am Tresen ab. „Laufen kann ich nicht mehr gut, die sagen alle, ich sehe aus wie ein Pinguin, wenn sie mich sehen.“ Aber hinter der Theke könne sie sich ja festhalten, sagt Gerda lachend.
Hochprozentig: „Gesundheitstropfen“ und „Bessen Genever“
Auch die Wirtin trinkt gern mal einen mit. Bier kann sie nicht vertragen, das bereite ihr Sodbrennen, aber den echten „Bessen Genever“ mag sie. Und ihre „Gesundheitstropfen“, wie sie sie nennt. „Whiskey Cola“, verrät die alte Dame, die lange nicht ans Aufhören denkt.
Denn nach ihr kommt niemand, der die Kneipe weiterführen könnte. Der Sohn, der das Lokal übernehmen sollte, ist mit Mitte 30 plötzlich an einem Herzstillstand verstorben. Die zwei Mädels der Familie haben ihr eigenes Leben. Und so weiß Gerda: „Wenn ich aufhöre, ist hier endgültig Schluss.“
Leben ohne Kneipe ist „total langweilig“
Aber noch ist es nicht so weit. Denn ohne ihre Kneipe und die vielen Stammgäste leben zu müssen, das ist undenkbar für die Ruhrorterin. Während Corona habe sie mit ihrem Papagei und dem Cockerspaniel in ihrer Wohnung direkt über der Gaststätte gehockt und „nix erfahren“ von der Welt. „Das war total langweilig.“
Und so wird Gerda weitermachen, so lange es geht. Am Freitag steht erstmal das Thekenjubiläum an, und Ende des Jahres feiert die Seniorin ihren 85. Geburtstag. Natürlich in der Kneipe, gemeinsam mit ihren Gästen, die für sie inzwischen wie eine große Familie sind. Gerda ist die älteste Wirtin Ruhrorts. Und das will sie auch noch lange bleiben.