Duisburg. Gegen massiven Bürgerprotest plant Duisburg ein Neubaugebiet direkt am Naturschutzgebiet. Jetzt entscheidet sich der Kampf um 4,2 Hektar Grün.

38 Dokumente, 2711 Seiten: Eigentlich wollte die Bezirksvertretung Süd die Sondersitzung zum Rahmerbuschfeld am 14. Mai absagen. Jetzt findet sie doch statt – obwohl die ehrenamtlichen Politiker gerade einmal eine Woche Zeit haben, sich durch die Unterlagen zu ackern. Naturschutz oder Neubauten? Die finale Entscheidung steht bevor.

2017 beschloss Duisburgs Rat ein Neubaugebiet auf dem jetzigen Rahmerbuschfeld: mit den Stimmen der GroKo aus SPD und CDU, gegen die Grünen. Sieben Jahre, eine Bürgerinitiative und zwei Öffentlichkeitsbeteiligungen später, liegt eine neue Vorlage vor: Der Bebauungsplan soll als Satzung beschlossen werden und damit rechtsverbindlich werden.

Häuser bauen am Naturschutzgebiet: massiver Widerstand aus Duisburg

Gegen massiven Widerstand aus der Bevölkerung. Die Bürgerinitiative Naturerhalt Rahmerbuschfeld gründete sich, gab Gegengutachten zu den von ihr kritisierten Verwaltungsgutachten in Auftrag, kündigt an: Sollte der Bebauungsplan beschlossen werden, wird es eine Klage geben gegen das Bauprojekt, das auf 4,2 Hektar Freifläche 83 neue Häuser und einen Supermarkt vorsieht.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung reichten an die 200 Privatpersonen Widerspruch ein gegen die Neubau-Pläne. Ein Hauptargument: Naturschutz. Denn direkt angrenzend an die geplante Baufläche befindet sich ein besonders streng geschütztes Naturschutzgebiet, ein sogenanntes FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat). Eine EU-Richtlinie sieht für FFH-Gebiete einen Mindestabstand zur nächsten Bebauung vor – und den würde das Rahmerbuschfeld deutlich unterschreiten.

Kampf gegen Neubaugebiet: Gegner engagieren prominenten Naturschutzanwalt

Daher dürfe das Rahmerbuschfeld nicht bebaut werden, folgern die Gegner, die für ihre Argumentation einen bundesweit bekannten Naturschutzanwalt engagiert haben, der auch schon in Sachen Hambacher Forst vor Gericht zog. „Grob fehlerhaft“ fiel 2021 sein Urteil über die Gutachten der Stadt Duisburg aus, die dem Bauprojekt Unbedenklichkeit attestieren.

Thomas Anthonj ist Sprecher der Bürgerinitiative Naturerhalt Rahmerbuschfeld. Sie will den Kampf um das Neubaugebiet nötigenfalls vor Gericht bringen.
Thomas Anthonj ist Sprecher der Bürgerinitiative Naturerhalt Rahmerbuschfeld. Sie will den Kampf um das Neubaugebiet nötigenfalls vor Gericht bringen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Vor der erneuten Vorlage der Pläne zum Beschluss an die Politik teilt Duisburgs Verwaltung mit: Die Gutachten – insbesondere artenschutzrechtliche und FFH-Verträglichkeitsprüfung – seien „nochmals durch den Fachgutachter, die Untere Naturschutzbehörde und das LANUV (Landesumweltministerium NRW, Anm. d. Red.) geprüft“ worden. Beide seien „im Hinblick auf Methodik und Ergebnis bestätigt“ worden.

Duisburg: Wer im Grünen bauen will, muss der Natur schaden

Die städtische Vorlage gibt zu, dass die Natur „erheblich betroffen“ werde duch das Neubaugebiet. Aber: Das sei zur „erforderlichen Entwicklung neuer, bislang baulich nicht vorgeprägter Bauflächen im Außenbereich zwangsläufig unvermeidbar“. Der Bebauungsplan gebe Maßnahmen vor, um diese Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.

Das Fazit der Verwaltung: „Obwohl mit der Planung Baugebiete auf bis zu 80 Meter an das FFH-Gebiet ‚Überanger Mark‘ heranrücken, sind keine Beeinträchtigungen der Schutzziele zu befürchten.“

Jetzt muss der Duisburger Rat erneut über die Zukunft des Rahmerbuschfelds entscheiden: Naturschutz oder Neubauen? Abgestimmt wird am 10. Juni. Die Bezirksvertretung Süd beschäftigt sich am 14. Mai mit dem Thema. Beginn der Sondersitzung im Bertolt-Brecht-Berufskolleg, Am Ziegelkamp 28, ist um 17 Uhr.

>> FFH-GEBIETE: NATURSCHUTZ BESONDERS STRENG – ODER?

  • Das Rahmerbuschfeld ist ein konkretes Beispiel für einen seit Jahren andauernden Streit zwischen der EU und Deutschland: Die EU verklagte die Bundesrepublik wegen unzureichenden Schutzes ihrer FFH-Gebiete vor dem Europäischen Gerichtshof. Der urteilte 2023: Deutschland hat gegen EU-Naturschutzrecht verstoßen. Jetzt muss die BRD den Schutz ihrer FFH-Gebiete verbessern – sonst drohen Strafzahlungen.
  • Vor diesem Hintergrund gewinnt das Vorhaben zweier EU-Politikerinnen von Grünen und Linken an Brisanz: Sie wollen die Kritik am Rahmerbuschfeld nach Brüssel zur Europäischen Kommission tragen.