HKM-Krise: Droht jetzt ganzen Familien die Arbeitslosigkeit?
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Duisburg. Stahlprotest in Duisburg: Bei HKM arbeiten ganze Familien. Wir haben mit Mitarbeitern gesprochen: über ihre Ängste – und einen Hoffnungsschimmer.
Acht Familienmitglieder von Joel Betz arbeiten aktuell bei HKM. Doch wie lange noch? Und wie viele können beim Stahlkonzern aus Duisburg-Hüttenheim noch anfangen, können dort noch in Rente gehen? Der 21-Jährige hat bei HKM angefangen mit der Einstellung, die viele Stahlarbeiter teilen: „Wir wollen unser Leben lang da arbeiten.“ Doch das steht jetzt infrage.
Der grüne Stahl, erzeugt mit Wasserstoff statt Kohle, er soll die Wende bringen im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze bei HKM. Das ist die Hoffnung vieler der tausenden Stahlkocher, die am 30. April vor den Werkstoren von Thyssenkrupp in Bruckhausen demonstrieren. Nur: „Es ist alles so vage“, sagt Uwe Bonn, der bei HKM Kran- und Staplerfahrer ausbildet. „Kommt eine DRI-Anlage, kommt keine? Was ist die Alternative – und mit wie vielen Mitarbeitern?“
HKM: Ist das ganze Stahlwerk in Duisburg bedroht? Tausende Arbeitsplätze in Gefahr
Mehr als 3000 Menschen arbeiten auf der Hütte im Süden Duisburgs, tausende weitere bei Subunternehmen. Bonn befürchtet harte Stellenstreichungen, 50 Prozent nennt er als Zahl. Und ein Worst-Case-Szenario, das die Belegschaft seit Monaten alarmiert: „Es könnte der ganze Standort wegfallen, munkelt man.“
Duisburg ist schon ein Armenhaus in Deutschland. Wenn sie die Stellen abbauen, werden wir noch ärmer.
Michael Pohl - HKM
Selbst wenn es so käme: Michael Pohl würde das nicht mehr betreffen. „Ich geh‘ bald in Rente“, sagt der HKM-Industriemeister – 50 Jahre Maloche bei HKM werden es am 1. August sein. „Aber ich hab‘ noch ’nen Sohn, der hier arbeitet.“ Tausende Stellen bei HKM selbst, tausende mehr bei Subunternehmen: „Duisburg ist schon ein Armenhaus in Deutschland“, sagt Michael Pohl. „Wenn sie die Stellen abbauen, werden wir noch ärmer.“
Michael Pohl ist die dritte Generation bei HKM: „Mein Vater war da, mein Opa auch.“ Sohn Nicolas ist die Vierte. Und die Letzte? Der 33-Jährige, in der Auftragssteuerung tätig, fragt sich, ob er in Zukunft eine Familie gründen und von seinem HKM-Gehalt bezahlen kann: „Ich mach‘ mir Sorgen, dass ich irgendwann arbeitslos werde. Ich hätte noch ein paar Jahre.“
Arbeiten bei HKM: Ganze Familien machen sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze
Genau wie Serkan Tülü. Bei ihm sind es vier Familienmitglieder, die bei HKM arbeiten oder gearbeitet haben; ein Onkel ist gerade in Rente gegangen. „Wir haben Kinder, vielleicht wollen die auch noch da anfangen.“ Tausende sind es, die sich wie der Industriemechaniker Serkan Tülü am Dienstag vor Tor 1 versammelt haben. „Für unsere Zukunft“, sagt er. „Wir wissen nicht, wie es in fünf oder zehn Jahren aussieht. Das macht uns Sorgen.“
Die Unsicherheit, die Fragezeichen in der Zukunft nennen an diesem Tag viele Stahlarbeiter als Grund dafür, vor der Schicht im Werk auf der Kundgebung zu stehen. So wie Daniel Pluta. „Wir wollen unsere Arbeitsplätze sichern. Wir haben keine Gewissheit, wie es weitergeht. Das ist unser größtes Problem.“
Mit 17 hat er bei HKM angefangen, jetzt ist er 39. In den vergangenen 22 Jahren, erzählt der Techniker, hat sich vieles verändert. „Früher war es so: Man hatte Feierabend und konnte abschalten. Jetzt wacht man morgens auf, guckt einmal kurz aufs Handy, und immer gibt es neue schlechte Nachrichten.“ Die jüngste Überraschung: der Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky, zunächst mit einer 20-Prozent-Beteiligung. „Das lief hintenrum, gemein und dreist. Wir fühlen uns, als ob wir nichts mehr wert wären.“
Trotz ihrer Sorgen: HKM-Mitarbeiter äußern Verständnis für Sparzwänge – aber
Zwischen den Sorgen klingt auf dem TKS-Gelände an diesem Tag immer wieder Verständnis an: Verständnis für die Zwänge des Konzerns, der Geld erwirtschaften muss. „Wenn Du den Stahl nicht verkauft bekommst, musst Du was machen“, sagt Nicolas Pohl. „Aber sozialverträglich.“
Dafür werden die Männer kämpfen. Für ihren Job, für ihre Familien; für den Stahlstandort Duisburg. Und eins ist klar: Die Stahlarbeiter sind kampferprobt. 1986 ist Uwe Bonn beim Konzern eingestiegen, „seit 1987 streike ich immer wieder“. Er war schon dabei,
als die Brücke der Solidarität ihren Namen erhielt
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