Duisburg. Mario Pillitteri arbeitet in seinem Kran hoch über dem Duisburger Hafen. Ein verantwortungsvoller Job. Ein seltener Einblick in seinen Alltag.

Seit Mario Pillitteri mit tonnenschweren Containern hantiert, hat er null Bock auf Computerspiele. Kein Wunder. Denn nun spielt der 39-Jährige beruflich mit zwei Joysticks. Er sitzt in der Kabine eines riesigen Krans im Logport I der Duisburger Hafen AG und lässt einen zwölf Meter langen Container durch die Luft schweben.

Nur, es ist kein Spiel. Seine Finger bewegen den Steuerknüppel zackig nach links und rechts. Sie zittern beinahe, aber nicht aus Unsicherheit, sondern aus Routine. Der Familienvater zählt zu den erfahrensten Kranführern im größten Binnenhafen der Welt.

Der Kranführer arbeitet hoch über dem Hafen.
Der Kranführer arbeitet hoch über dem Hafen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Pillitteri jongliert einen Container nach dem anderen in einem Tempo durch die Luft, dass einem schwindlig wird. Während der Joystick klappert, schwebt der Container ruhig und stabil durch die Luft.

Duisburger Hafen: Kranführer haben einen verantwortungsvollen Job

Wenn hier was schiefläuft, wäre der Schaden groß. Ein vollgeladener Container wiegt bis zu 40 Tonnen. Die insgesamt 20 Kranführer haben also einen verantwortungsvollen Job. Sie müssen auf engstem Raum präzise arbeiten, unter Zeitdruck und bei jedem Wetter außer Sturm. Das ist kein Arbeitsplatz für Menschen mit Höhenangst.

Vom Sitz in etwa 20 Meter Höhe manövriert Pillitteri seine Last auf den Zentimeter genau. An den Ecken des Containers sind vier Löcher, die aus der Höhe winzig aussehen. Hier muss der Tragrahmen genau ansetzen, damit sich die Verankerung verriegeln kann. Sensoren und Lampen zeigen an, wenn alles passt. Dann drückt Pillitteri den roten Knopf und der Container geht hoch.

Wie schwierig ist die Aufgabe? Ein Selbstversuch

Das hört sich leicht an. Ist es aber nicht. Wird der Joystick zu schnell über sein Ziel hinwegbewegt, schwingt die tonnenschwere Fracht in luftiger Höhe am Drahtseil hin und her. So wie beim Selbstversuch unserer Redaktion. Es dauert gefühlt ewig, bis sich der zwölf Meter lange Behälter wieder eingependelt hat.

Wie viel Routine es für die Arbeit im Kran braucht, zeigt ein Selbstversuch.
Wie viel Routine es für die Arbeit im Kran braucht, zeigt ein Selbstversuch. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Nun muss der Tragrahmen, auch Spreader genannt, wieder ein klein wenig zurück nach links. Und schießt dabei erneut über das Ziel hinaus. Mist! Wenn das so weiter geht, wird das heute nichts mehr. Abstände von oben herab auf den Zentimeter genau abzuschätzen, ist offensichtlich nichts für Anfänger. Das braucht Zeit.

Die wir aber heute nicht haben. Deshalb ist Schluss mit Üben. Pillitteri übernimmt wieder den Steuerstand. Der Grund: Auf dem Rhein nähert sich aus Ruhrort kommend das 135 Meter lange Binnenschiff Dilsberg, das vor knapp 22 Stunden den Hafen von Antwerpen verlassen hat. Der Kapitän will in Duisburg 20 leere Container an Bord nehmen, und zwar wie immer möglichst rasch. Pillitteri belädt das Schiff so präzise und schnell, wie andere Bauklötze stapeln. Er braucht keine Stunde dafür.

„Als ich mein erstes Schiff beladen habe, war ich mega stolz“

Wie macht er das nur? „Alles Erfahrung. Ich arbeite nun seit sieben Jahren in dem Job.“ Ist schon mal was Besonderes passiert? „Als ich mein erstes Schiff komplett allein beladen habe, war ich mega stolz“, erinnert sich der Vater von drei Kindern, der früher bei Thyssenkrupp als Industriereiniger gearbeitet hat.

Höhenangst darf man bei diesem Job nicht haben.
Höhenangst darf man bei diesem Job nicht haben. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Mittlerweile gibt er seine Erfahrung an neuen Kollegen weiter, die bei ihm im Steuerstand lernen. Doch zuvor durchlaufen die Aspiranten ein Training auf dem Trockenen, im wohl einzigen Kransimulator für einen Binnenhafen weltweit. Der steht im Duisburger Freihafen, unscheinbar in einem Büro im zweiten Stock des Schulungsgebäudes der Hafen AG.

Überraschung im Simulator

Das Programm stellt Paul Wichert zusammen. Der 29-jährige Speditionskaufmann überrascht im Simulator per Knopfdruck mit Wind, Regen, Gewitter, Schnee oder Nebel – also Wetter, mit dem ein Kranführer umgehen muss. Auch die Aussicht auf den Bildschirmen ist die gleiche, die Pillitteri täglich in Logport I in Wanheim hat: die Kräne von Logport II in Rheinhausen auf der anderen Rheinseite, die Hüttenwerke Krupp Mannesmann und Duisburgs Wahrzeichen Tiger & Turtle.

Per Kran werden die riesigen Container durch dich Luft gehievt.
Per Kran werden die riesigen Container durch dich Luft gehievt. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Im Simulator soll alles so echt wie möglich sein. Deshalb schwingt die Box, in der die Auszubildenden sitzen, wie der 800 Tonnen schwere Kran im Duisburger Süden. Die Kranführer der Zukunft haben zwei Joysticks in der Hand und bewegen 30 Tonnen schwere Container vom Schiff auf den Zug oder aufs Dock und zurück. So lange, bis es reibungslos läuft.

Routine kommt im Simulator deutlich schneller als im echten Kran, wie der Selbstversuch zeigt. Obwohl der Computer eingestellt ist wie ein Golf 2, bei dem alles manuell zu bedienen ist. „So kann man besser lernen, wie das System funktioniert“, sagt Wichert. Aber natürlich spielt auch im Simulator die Perspektive dem Kranführer einen Streich. Nur die Vorsicht fehlt – und deswegen geht alles leichter von der Hand.

Hafen wünscht sich mehr Frauen in den Kränen

Bis der Ausbilder seinen Lieblingsstreich spielt. „Wenn die Konzentration nachlässt, lasse ich den Container einfach runter rauschen“, grinst Wichert. Der Schreck ist groß. Aber es passiert nichts – weder im Simulator, noch im echten Leben. Durch einen Sensor in der Winde weiß der Kran, wie viel Seil er gegeben hat, und stoppt die Höllenfahrt nach unten automatisch. Zum Glück.

Der Kranführer ist ein Job, für den die Hafen AG noch Interessenten sucht. Welche Qualifikation müssen sie mitbringen? „Der ideale Bewerber sollte schon mal Verantwortung übernommen haben, etwa als Familienvater“, sagt Betriebs- und Ausbildungsleiter Christian Rother. Denn Verlässlichkeit sei in dem Job unerlässlich.

„Wir haben bereits einen 50 Jahre alten Metzger umgeschult. Der macht einen sehr guten Job. Ich würde mir auch mehr Frauen wünschen. Die gehen sensibel mit schwerem Gerät um“, so Rother. Duisport-Personalchef Christian Negele bringt noch eine weitere Voraussetzung ins Spiel: „Technisches Grundverständnis sollte schon vorhanden sein.“

Der Ausblick über den Rhein in Duisburg.
Der Ausblick über den Rhein in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

>> Der Duisburger Hafen sucht händeringend Mitarbeiter

  • Die Duisburger Hafen AG beschäftigt rund 1400 Menschen, davon mehr als die Hälfte in Duisburg.
  • Aktuell sucht das Unternehmen Mitarbeiter für verschiedene Jobs. Auch Ausbildungsstellen sind noch frei. Infos unter: https://www.duisport.de/karriere
  • Rund 55.000 Menschen hätten eine Arbeit, weil es den Duisburger Hafen gibt, rechnet Personalchef Christian Negele vor – unmittelbar oder indirekt in der angegliederten Industrie.