Duisburg. Das Schauspiel Hannover gastiert mit „Hamlet“ in Duisburg. Die Inszenierung ist kurzweilig, Teile des Klassikers bleiben aber auf der Strecke.

William Shakespeares „Hamlet“ gehört zu den großen Herausforderungen für jeden Hauptdarsteller, jeden Regisseur und jedes Theater. In Duisburg war das Stück zuletzt 2011 in einer starken „Spieltrieb“-Inszenierung zu sehen. Nun gastierte das Schauspiel Hannover mit einer Inszenierung von Folkwang-Professorin Lisa Nielebock im Theater.

Die Konzeption dieser „Hamlet“-Inszenierung und das Bühnenbild erinnern verdächtig an Aufführungen der 2009 verstorbenen Regie-Legende Jürgen Gosch: In seinen Inszenierungen war stets das gesamte Ensemble auf der Bühne, beobachtete sich beim Spiel, und die Darsteller waren ihre eigenen Zuschauer. Das Bühnenbild von Oliver Helf, eine mächtige schwarze Wand mit einer angebauten Sitzbank, zitiert zudem Goschs Berliner Inszenierung von Tschechows „Die Möwe“, eine Produktion, die 2010 auch in Duisburg gastierte.

Theater Duisburg: Verwässerter „Sein oder Nichtsein“-Monolog

Für Regisseurin Nielebock ist die schwarze Wand ein Symbol für das Verhängnis und die Schuld, die durch den Tod von Hamlets Vater über der Familie lastet. Dem darstellerisch starken siebenköpfigen Ensemble aus Hannover gelingt in diesem Raum eine konzentrierte Aufführung in der Übersetzung des zeitgenössischen Dramatikers Marius von Mayenburg, welche die Geschichte authentisch in ein heutiges Deutsch überträgt.

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Hauptdarsteller Torben Kessler spricht seine Texte anfangs in einem recht gleichbleibenden mittleren Tempo und in mittlerer Lautstärke. Emotionalität kann der Dänenprinz, der den Tod seines königlichen Vaters an seinem Onkel und seiner Mutter rächen will, in dieser Regie erst nach einiger Zeit entwickeln.

Dass Hamlet seine Verrücktheit nur spielt, um seinen Onkel, den neuen König Claudius aus der Reserve zu locken, wird aber nur in Ansätzen deutlich, da die entsprechenden Monologe Hamlets gestrichen sind. Der große „Sein oder Nichtsein“-Monolog wird zudem dadurch verwässert, dass er von den anderen Figuren mitgesprochen wird. Hamlets Selbstmordgedanken ergeben sich hier auch nicht schlüssig aus der Handlung.

Anspielung auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine

Dem Claudius will man den Mörder anfangs auch gar nicht so recht glauben, weil Philippe Goos die Rolle sehr fürsorglich und sympathisch anlegt. Irene Kugler gibt Königin Gertrude als resolute Mutter. Originell ist, dass Hamlet nicht eine Schauspieltruppe am Hof auftreten lässt, um dem Königspaar den Mord an seinem Vater vorzuspielen, sondern dieses übernimmt in Hamlets Regie selbst die Rollen.

Ungewöhnlich ist die Besetzung des Staatsrats Polonius mit einer Frau: Anja Herden legt die geschwätzige Rolle aber sehr komödiantisch an und bringt auch noch eine gehörige Portion mütterlicher Fürsorge mit ein. Amelle Schwerk spielt ihre Tochter Ophelia als selbstbewusste junge Frau.

Die Inszenierung stammt von Folkwang-Professorin Lisa Nielebrock.
Die Inszenierung stammt von Folkwang-Professorin Lisa Nielebrock. © Kerstin Schomburg | KERSTIN SCHOMBURG

Viele Inszenierungen streichen die drohende Invasion durch den norwegischen König Fortinbras. Bei dieser im September 2022 herausgekommenen Produktion versteht man den Angriff des Nachbarlandes aber als Anspielung auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Das große Finale samt Degenkampf mit vergifteten Klingen und Gifttrank fehlt dann aber: Hier fauchen sich die Darsteller wie Kampfhunde wild auf allen Vieren an und liegen dann tot am Boden. Da die Aufführung trotz einiger Schwächen kurzweilig ist und von einem starken Ensemble gespielt wird, gibt es vom Publikum viel Beifall.

>>LISA NIELEBOCK LEHRT REGIE IN ESSEN

Regisseurin Lisa Nielebock stammt aus Tübingen und studierte an der Essener Folkwang-Universität.

Während der Intendanz von Elmar Goerden (2005 bis 2010) war sie Hausregisseurin am Schauspielhaus Bochum und inszenierte dort Kleists „Penthesilea“ und Shakespeares „Macbeth“.

Seit 2014 ist sie selbst Regie-Professorin an ihrer alten Hochschule.