Duisburg-Hochheide. Ratten, Kakerlaken, verzweifelte Nachbarn: Die Stadt bekommt das Problem in Hochheide nicht in den Griff. Jetzt wird die Hausveraltung aktiv.

Mit dem Hausmeister des Hochhauses an der Ottostraße in Duisburg-Hochheide möchte in diesem Augenblick wohl keiner tauschen. Er pflügt sich mit Säcken und Greifzange durch die Grünfläche hinter dem 20-stöckigen Betonklotz. Leere Flaschen, Verpackungsmüll, Papier, Kippen, Plastiktüten, Holzbretter und vieles andere liegt hier. In einer Ecke stehen: ein ausrangierter Kühlschrank, ein Herd, ein kaputter Kinderwagen.

Tüten voller Hausmüll werden von den Balkonen des Hochhauses in Duisburg-Hochheide geschmissen

Das Schlimmste sind die stinkenden Lebensmittelreste, die vom Himmel regnen. Tüten voller Hausmüll wurden von Balkonen oder aus Fenstern geschmissen und hängen nun in den Ästen der Bäume. Die Vögel picken sie auf, der Inhalt landet auf dem Boden. Ein Festmahl für Tauben, die sich über die Beute hermachen. Später, wenn es dunkel wird, werden sich Ratten an den Resten erfreuen. Und Kakerlaken. Das jedenfalls berichten Mieter. Sie erzählen auch, dass hier manchmal sogar Möbel aus den oberen Etagen fliegen. Die Zustände im Wohnblock an der Ottostraße 58-64 sind für viele unerträglich geworden.

Die Wirtschaftsbetriebe der Stadt Duisburg kommen regelmäßig zum Weißen Riesen in Duisburg-Hocheide. Hier gibt es so viel Müll, dass die Hausverwaltung Sonderabholungen beantragen muss.
Die Wirtschaftsbetriebe der Stadt Duisburg kommen regelmäßig zum Weißen Riesen in Duisburg-Hocheide. Hier gibt es so viel Müll, dass die Hausverwaltung Sonderabholungen beantragen muss. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Die Geschichte klingt bekannt? Das ist nicht verwunderlich, denn kein anderes Haus im Duisburger Westen sorgt so oft für Müll-Schlagzeilen wie dieses. Seit mehr als zwei Jahrzehnten bekommt die Stadt das Problem rund um das Privatgrundstück, auf dem der steinerne Gigant mit 320 Wohnungen steht, nicht in den Griff. Im Sommer haben wir zuletzt ausführlich über die Lage an der Ottostraße berichtet. Nun melden sich wieder verzweifelte Anwohner.

Uwe Schock über Duisburg-Hocheide: „Wo bin ich hier nur gelandet?“

Einer von ihnen ist Uwe Schock, der Anfang der 90er Jahre mit seiner Frau aus Ostdeutschland nach Hocheide zog und eine Wohnung kaufte. Der Aufbruchsstimmung von damals und der Freude auf ein Leben im Westen folgte bald die Ernüchterung, später Wut und Verzweiflung. „Wo bin ich hier nur gelandet?“, fragt er. „Wir verlieren in Hochheide die Lust!“

Schön ist anders: Auch auf der Wiese gegenüber vom Hochhaus an der Ottostraße in Duisburg-Hocheide liegt Müll.
Schön ist anders: Auch auf der Wiese gegenüber vom Hochhaus an der Ottostraße in Duisburg-Hocheide liegt Müll. © Duisburg | Volker Herold

Uwe Schock wohnt in einer Seitenstraße in der Nähe des verkommenen Hochhauses. Mit seinem Weihnachtsbesuch hätte er gerne eine Runde an der frischen Luft gedreht. „Aber unser Stadtteil ist in einem so schrecklichen Zustand, dass man ihn besser meidet.“

Einige wenige Bewohner des Hochhauses hatten ihre Fenster weihnachtlich dekoriert. Ihre Sterne konnten nicht anfunkeln gegen den abgewrackten Rest. Die Vermüllung beschränkt sich nicht auf das Grundstück. Überall an der Ottostraße wimmelt es von wilden Müllkippen. An einer Ecke stapeln sich Autoreifen, Bretter, Kartons, ein kaputter Regenschirm, ein Lautsprecher. Ein paar Schritte weiter liegt ein Waschbecken. An einem Baum weht ein zerfetztes T-Shirt wie eine Fahne im Wind.

Nein, hier ist kein Supermarkt. Die Einkaufswagen wurden am Weißen Riesen in Duisburg-Hochheide von Anwohnern abgestellt. Und wo einer steht, kommen immer mehr dazu.
Nein, hier ist kein Supermarkt. Die Einkaufswagen wurden am Weißen Riesen in Duisburg-Hochheide von Anwohnern abgestellt. Und wo einer steht, kommen immer mehr dazu. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

„Das ist doch noch wenig heute“, meint eine Briefträgerin. Sie ist hier täglich mit dem Fahrrad unterwegs, um Post aus einem Kasten abzuholen. „Manchmal komme ich da gar nicht ran, weil alles mit Sperrmüll zugestellt ist.“

Wer ist schuld an der Misere? Mal abgesehen von denen, die sich nicht um ihr Umfeld scheren und den Müll auf dem bequemsten Weg entsorgen. Anders gefragt: Wer kann dazu beitragen, dass sich die Menschen hier wieder wohler fühlen? „Wir kommen zweimal pro Woche mit der Kehrmaschine“, verteidigt Pressesprecherin Silke Kersken die Wirtschaftsbetriebe. Allerdings sei man bei den WBD nur für die Reinigung der Straße zuständig. „Um die Gehwege müssen sich die Anlieger kümmern.“

Illegale Abfallbeseitigung am Problemstandort in Duisburg-Hochheide

Der Müll, der sich aktuell an der Ottostraße neben dem Bürgersteig türmt, ist auch nicht Sache der Wirtschaftsbetriebe. Privatgrundstück! Wilde Müllkippen auf städtischem Gelände hingegen werden von den WBD beseitigt. „Aber die muss man uns melden“, sagt Silke Kersken. „Wir können ja nicht durch die Gegend fahren und danach suchen.“

Ein Auge auf die illegale Abfallbeseitigung am Problemstandort in Hochheide hat der städtische Außendienst. Nach Auskunft der Stadt wird regelmäßig kontrolliert. „Für das Objekt Ottostraße 58-64 sind für 2023 bislang 85 Einsätze vermerkt.“ Außerdem gebe es viele Angebote zur Integration. „Dabei wird auch immer wieder über den richtigen Umgang mit dem Müll sensibilisiert.“ Bloß – gebracht hat das bisher kaum etwas.

Die Bezirkspolizisten sind laut Pressestelle auf ihrer Fußstreife auch an den Weißen Riesen unterwegs. Polizeisprecher Jonas Tepe betont aber, dass die Müllproblematik keine Aufgabe der Polizei ist. „Die Zuständigkeit für die Entsorgung liegt bei der Stadt.“ Dennoch würden sich die Beamten kümmern, wenn sie auf illegale Müllkippen aufmerksam werden.

Und noch eine wilde Müllkippe auf der Ottostraße in Duisburg-Hocheide. Ganz in der Nähe des Hochhauses.
Und noch eine wilde Müllkippe auf der Ottostraße in Duisburg-Hocheide. Ganz in der Nähe des Hochhauses. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Maßnahmen, die allesamt bisher nicht reichen. Unterm Strich bleibt Ende 2023 wieder eine Rat- und Machtlosigkeit. Auch bei der Grafschafter Immobilien Management GmbH aus Moers, die das Hochheider Objekt als Hausverwaltung im vergangenen Jahr übernommen hat.

Die Hausverwaltung des Weißen Riesen in Duisburg ist ratlos

„Es ärgert uns ungemein, dass viele Bewohner, die den Müll ordnungsgemäß entsorgen und denen etwas an einem sauberen und wohnlichen Umfeld liegt, unter einigen Bewohnern oder Besuchern leiden müssen, die diverse Arten von Müll wahllos in die Grünanlagen oder teilweise einfach aus dem Fenster werfen“, teilt ein Sprecher mit. Das führe dazu, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft viel Geld für Entsorgung und Ungezieferbekämpfung ausgeben müsse.

Zwei bis vier Sonderabholungen für Sperrgut seien das im Monat. Dazu kommen Sonderkosten für Elektronik und Restmüll. Ist der Unrat beseitigt, geht das Ganze von vorne los. „Sobald eine illegale Entsorgung stattgefunden hat, stellen viele andere ihren Müll wieder dazu und die Berge werden immer größer.“

Wenigstens einen kleinen Lichtblick gibt es für 2024: Die Hausverwaltung teilt mit, dass in diesem Jahr Gespräche mit Wirtschaftsbetrieben und Quartiersmanagement geplant sind, um gemeinsam an einem Lösungskonzept zu arbeiten.

  • Wilde Müllkippen im öffentlichen Bereich können bei den Wirtschaftsbetrieben Duisburg gemeldet werden: Tel. 0203/283-6000.
  • Auf Privatgrundstücken ist der Eigentümer für die Entsorgung zuständig.
  • Zeugen, die illegale Müllentsorgung oder das Werfen vom Balkon beobachtet haben, können sich an das Ordnungsamt der Stadt wenden. Mail: ordnungsamt@stadt-duisburg.de, Tel. 0203/94000.
  • Ansprechpartner bei Problemen im Stadtteil ist auch das Quartiersbüro, Moerser Straße 245. Tel. 02066/4 69 63 50, www.quartier-hochheide.de.