Duisburg. In Duisburg werden antisemitische Flyer verteilt. Dahinter steckt eine Islamismus-Gruppe. Was der Verfassungsschutz über „Realität Islam“ weiß.

Zu sehen ist ein Kind in einer von Krieg zerstörten Stadt. Es folgt ein Text auf einem scheinbar pro-palästinensischen Flugblatt. Doch es sind Flyer der islamistischen Gruppierung „Realität Islam“, die aktuell in Duisburg verteilt werden. Der Staatsschutz ermittelt.

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Im Flyer und in einem Video, auf das der Flyer verweist, ruft „Realität Islam“ auf zum Widerstand gegen das, was die Islamisten als „Meinungsdiktat“ darstellen: die von ihnen kritisierte Staatsräson Deutschlands, zu der laut Bundesregierung das Existenzrecht und die Sicherheit Israels gehören. Im Propagandavideo von „Realität Islam“ wird daraus die angebliche Staatsräson, „die wahren Ursachen, Schuldigen für den dortigen (im Gaza-Streifen, Anmerkung der Redaktion) Genozid nicht benennen zu dürfen“.

Israel: Der Name des Staats wird in dem Flyer, den Anwohner im Duisburger Süden in ihren Briefkästen vorfanden und der unserer Redaktion vorliegt, nur mit Anführungszeichen verwendet; gleich mehrfach ist vom „sogenannten Israel“ die Rede. Den Verteidigungskrieg Israels gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas, die bei einem Anschlag am 7. Oktober mehr als 1000 Israelis getötet hatte, bezeichnet „Realität Islam“ als „mörderisches Verbrechen an den Menschen in Palästina“.

„Realität Islam“: Das sagt der deutsche Verfassungsschutzbericht

Der Verfassungsschutzbericht 2022 schreibt „Realität Islam“ eine „ideologische Nähe“ zur in Deutschland verbotenen Organisation „Hizb ut-Tahrir“ (HuT) zu – jener Organisation, die die Einführung von Scharia und Kalifatstaat fordert und als extrem antisemitisch gilt. Der Verfassungsschutzbericht NRW 2019 konstatiert, „Realität Islam“ agiere „im Sinne der HuT und ist darum bemüht, junge Muslime an deren Ideologie heranzuführen und ihnen die angebliche religiöse Notwendigkeit eines islamischen Kalifats zu vermitteln.“

Realität Islam ist bemüht, jungen Muslimen die angebliche religiöse Notwendigkeit eines islamischen Kalifats zu vermitteln.
Verfassungsschutzbericht NRW

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) fordert von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), „Realität Islam“ zu verbieten. Diese Forderung stellte er im Anschluss an die islamistische Anti-Israel-Demonstration in Essen auf, bei der Anfang November 3000 Teilnehmer unter anderem das Kalifat für Deutschland forderten. Auch dort hatte es, wie jetzt auf den in Duisburg verteilten Flyern, Kritik an der deutschen Staatsräson zu Israel gegeben. Reuls Ansicht nach handelt es sich bei „Realität Islam“ um eine Nachfolgeorganisation der verbotenen HuT.

Nach der islamistischen Demo in Essen forderte NRW-Innenminister Herbert Reul das Verbot von „Realität Islam“. Jetzt verteilt die Gruppierung in Duisburg antisemitische Flyer.
Nach der islamistischen Demo in Essen forderte NRW-Innenminister Herbert Reul das Verbot von „Realität Islam“. Jetzt verteilt die Gruppierung in Duisburg antisemitische Flyer. © Essen | Vladimir Wegener

Islamistische Flyer in Duisburg: Der Staatsschutz ermittelt

Der Polizei in Duisburg sind die aktuellen islamistischen Flugblätter bekannt. „Der Staatsschutz weiß von diesen Flyern“, bestätigt Polizeisprecher Jonas Tepe, es seien Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Geprüft werde, ob Straftatbestände vorliegen, unter anderem der Straftatbestand der Volksverhetzung.

Laut NRW-Innenministerium hat die HuT regionale Schwerpunkte in Dortmund, Duisburg, Essen sowie Ostwestfalen. Die Flyer der mutmaßlichen Nachfolgeorganisation „Realität Islam“ seien aktuell nicht nur in Duisburg, sondern „bundesweit“ aufgetaucht, sagt Polizeisprecher Tepe.

Erschwert werden könnte das Ermittlungsverfahren des Staatsschutzes durch eine Strategie von „Realität Islam“: Die Öffentlichkeitsarbeit der Gruppe zielt laut NRW-Verfassungsschutz „darauf ab, offen erkennbare Bezüge zum Islamismus zu vermeiden.“

„Realität Islam“ schlachtete Duisburger Kopftuchstreit im Sportverein aus

Mit Duisburg hat sich „Realität Islam“ zuletzt öffentlich befasst, als der BSF Hamborn 2021 bereits zum zweiten Mal wegen eines Kopftuchverbots in die Schlagzeilen geriet: Eine Mutter, die ihren Sohn zum Mutter-Kind-Turnen bringen wollte, sagte damals, der Verein habe sie aufgefordert, ihr Kopftuch abzunehmen oder das Gelände zu verlassen. Aus Angst vor Drohungen und Beleidigungen, so der Verein damals, stellte er sein Sportangebot für Kinder ein.

Eine Steilvorlage für „Realität Islam“.