Duisburg. Der Ballettabend „I am a Problem“ greift eine Geschichte auf, die heute fast unspielbar ist. Wie die Choreographie das zu entschärfen versucht.
In Düsseldorf hatte der Ballettabend „I am a Problem“ schon im Januar 2022 Premiere. Nun wurde das zweiteilige Programm um eigenwillige Charaktere auch ins Duisburger Theater übernommen. Mit Roland Petits „Carmen“ wird ein Ausflug ins Ballett-Museum geboten, während „Baal“ von Azure Barton speziell für das Ballett am Rhein choreographiert wurde.
Der französische Starchoreograph Roland Petit schuf sein „Carmen“-Ballett 1949 in London. Getanzt wird zu den bekannten Ohrwürmern aus George Bizets gleichnamiger Oper. Die Ausstattung von Antoni Clavi ist bunt und abwechslungsreich. Die spanische Taverne des zweiten Bildes gleicht eher einem Varietè und könnte auch auf dem Pariser Montmartre liegen.
Ballettabend „I Am A Problem“ im Theater Duisburg: Furiose Szenen
Die Titelfigur wird von Petit als selbstbewusste Frau gezeigt, die als Zeichen ihrer Emanzipation kurze Haare und kurzen Rock trägt. Futaba Ishizaki tanzt die Rolle mit sportiver Eleganz. Der Don José von Gustavo Carvalho ist gar nicht so sehr das Schoßhündchen der Titelfigur wie in der Oper, sondern wird auch als starke Persönlichkeit eingeführt. In der Taverne darf Don José sogar eine Frühform von Michael Jacksons „Moonwalk“ hinlegen.
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Sehr knisternd und für das Jahr 1949 gewagt legt Roland Petit das Schlafzimmer-Pas-de-deux des Paares an. Warum José schließlich Carmen aus Eifersucht tötet, bleibt allerdings rätselhaft, denn der gockelhaft-parodistische Toreador von Daniele Bonelli ist kein ernsthafter Nebenbuhler. Für die gesamte Compagnie gibt es schöne Auftritte. Zur Habanera dürfen alle rhythmisch schnipsen, klatschen und mitsingen. Furios sind die Flamenco-Szenen.
Von den Schauspielhäusern wird Bertolt Brechts frühes Drama „Baal“ nicht mehr gespielt. Die Geschichte des Macho-Dichters, der die Frauen reihenweise flachlegt, ist in Zeiten der Mee-Too-Bewegung und juristischen Auseinandersetzungen um sexuelle Übergriffe auf Aftershow-Partys von Rammstein eigentlich nicht mehr spielbar.
Was passiert, ist mit den Mitteln des Tanzes nicht mehr erzählbar
Obwohl „Baal“ auch im Ballett übergriffig und zudringlich ist, ästhetisiert und verharmlost die tänzerische Umsetzung durch Azure Barton die böse Geschichte. Bühne und Licht von Burke Brown sorgen zusätzlich für eine schöne Optik. Während die Titelrolle in Düsseldorf von einem Mann verkörpert wurde, übernimmt in Duisburg nun die Tänzerin Wun Ze Chan die Partie. Sie gibt nicht den bösen Wüstling, sondern ist ein gut gelaunter und leichtfüßiger Lebemann.
Eine ebenbürtige Partnerin für Baal ist lediglich die von Simone Messmer geschmeidig getanzte Sophie. Während sich die anderen Figuren Baal tänzerisch unterwerfen, findet er mit Freund Eckart, der von Kauan Soares Araujo gespielt wird, sofort zu synchronen Abläufen.
Wenn die Freundschaft der beiden Männer zerbricht, Baal Eckart tötet und schließlich aus ungeklärten Gründen selbst im Wald stirbt, kommt die Choreographie aber an ihre Grenzen. Was da genau passiert, ist mit den Mitteln des Tanzes nicht mehr erzählbar.
Die russische Komponistin Nastasia Khrustcheva hat zum „Baal“ eine minimalistische und harmonisch gut hörbare Musik geschrieben. Am Pult der Duisburger Philharmoniker steht Martin Braun, der das Orchester in beiden Balletten stark aufspielen lässt.
>>„I AM A PROBLEM“: FÜNF WEITERE VORSTELLUNGEN IN DUISBURG
Der Ballettabend „I am a Problem“ wird bis zum 1. Dezember noch fünf Mal in Duisburg gespielt.
Bei den Vorstellungen am 29. November und 1. Dezember können auch blinde und sehbehinderte Tanzbegeisterte die Vorstellungen per Audiodeskription über Kopfhörer erleben.
Voranmeldungen an der Theaterkasse sind hierfür unbedingt notwendig.