Düsseldorf. „Baal“ und „Carmen“ bringt ein neuer Ballett-Zweiteiler in Düsseldorf zusammen unter dem Titel „I am a problem“: Besonders „Baal“ begeisterte.

Baal ist jung, talentiert, draufgängerisch und attraktiv. Ein Nachwuchs-Dichter, um den sich besonders Frauen reißen. Dass er sie reihenweise verschleißt, scheint für ihn kein Problem. Klar, Macho. Zumindest geriert er sich so. Indes wüten selbstzerstörerische Kräfte in ihm: Am Ende tötet „Baal“ seinen engsten, letzten Freund Ekart und verreckt selbst. Einsam. Die Titelfigur von Bertolt Brechts Erstlings-Drama dominiert den neuen Ballett-Zweiteiler des Balletts am Rhein und elektrisiert durch Miquel Martínez Pedro, der nach der Premiere, wie ein Popstar, mit Ovationen und Jubel in Düsseldorfs Opernhaus gefeiert wurde.

Und trifft – unter dem Titel „I am a problem“ - im ersten Teil auf die Männerverschleißerin „Carmen“. Auch sie ist ein Problem für die Gesellschaft. Baal – eine Uraufführung der Kanadierin Azure Barton, „Carmen“ eine wunderschön angestaubte Revue-Produktion von Vorvorgestern mit trappelnden Stierkämpfern, wippenden Röckchen, Fächern, blitzendem Dolch und einer leider schwachen Hauptdarstellerin. Kreiert wurde es 1949 von Altmeister Roland Petit für seine Frau, die Ballerina Zizi Jeanmaire. Der Kontrast dieses Ballettabends könnte nicht größer sein.

Miquel Martínez Pedro überzeugt mit starker Ausstrahlung und erotischer Spannkraft

In „Baal“ umgeben Männer und Frauen in strengem Schwarz das Objekt der Begierde. Baal sticht heraus, durch leuchtendes Grün. Er gibt sich verwöhnt, selbstverliebt, lässig, nicht selten angetrunken. Hände in den Hosentaschen, fehlt nur noch Kaugummi-Kauen. Ein Mann, der seine Wirkung kennt und das durch extrem entspannten, virtuosen Modern-Dance, neoklassisches Ballett und einen Touch Dirty Dancing ausdrückt. So springt, schlackert mit den Gliedmaßen, rollt, dreht und rennt Miquel Martínez Pedro – das neue Supertalent im Rheinballett – durch den offenen Raum mit gelbgrüner Wunder-Wand: Sie öffnet oder schließt sich, je nach Stimmung. Manchmal erscheinen Brecht-Textzitate und Bilder darauf. Das Bühnenbild von Burke Brown ist also suggestiv, genauso wie die Neukomposition für Orchester und Klavier von Nastasia Khrustcheva. Der Mix aus Neobarock, surrender Minimal Music und hämmernden Akkorden macht Baals Stimmungs-Schwankungen hörbar.

Der Choreographin geht es weniger um den bösen Baal, als um die Gefühle, die ihn antreiben. Rausch, Lebensüberdruss, sexuelle Gier und Abenteuer-Sucht legt er an den Tag, wenn er mit vorgeschobenen Lenden die Frauen aus der Gruppe herausfischt. Einige aber lauern ihm auf: die Kellnerin Luise, die feine Dame Emilie und Sophie (Simone Messmer), die er schwängert. Sobald Letztere seine Nähe sucht, zeigt er die kalte Schulter und läuft zu Ekart (Julio Morel), mit dem er später fliehen muss. Fazit: Ein Opus, das von starker Ausstrahlung, erotischer Spannkraft und Körperlichkeit des Titelhelden abhängt. Der außergewöhnlich gelenkige und geschmeidige Martínez Pedro verfügt über diese Qualitäten.

Futaba Ishizaki wirkt als Carmen eher wie eine Puppe: von brav bis aufgedreht

Wenig von dieser Aura versprüht Futaba Ishizaki. Als Carmen wirkt sie im Pas-de-deux mit Don José – brillant und emotional getanzt von Gustavo Carvalho – eher wie eine Puppe: brav, manchmal schüchtern, plötzlich kokett und künstlich aufgedreht. Über präzisen akademischen Spitzentanz kommt sie kaum hinaus und verfügt nicht über die (bei Petit angelegte) sinnliche Verführungskraft. Durch diese Anti-Carmen erscheint Roland Petits damals weltweit gefeierte Inszenierung heute altbacken und museal, in Gruppenszenen und im zappelnden Todes-Finale bestenfalls wie eine Parodie oder Comedy.

Termine: 12., 25., 27. Feb., 6. März. 0211/ 8925 211, www.operamrhein.de