Duisburg. Früher fuhr „Calea Toxic“ in Duisburg Streife, nun ist sie erfolgreiche Domina und Chefin der Bizarrfabrik. Was sich hinter den Mauern abspielt.
Peitschen, Seile, Fesseln: Hinter den Mauern eines umgebauten alten Güterbahnhofs tut sich Fetisch-Liebhabern in Duisburg-Neumühl eine bizarre Welt auf. „Bizarrfabrik“ heißt das Etablissement, das etwas versteckt in einem Industriegebiet liegt und vor kurzem neu eröffnet hat. Die acht Räume sind ausgestattet mit Streckbänken, Andreaskreuzen oder Behandlungsbetten wie im Krankenhaus. Hier können Männer Fantasien ausleben, die sie zu Hause nicht verwirklichen. Rund 50 Damen arbeiten in dem Fetisch-Bordell. Geführt wird es von „Calea Toxic“, einer ehemaligen Duisburger Polizistin. Sie will Sexarbeit aus der Schmuddelecke holen – und lädt deshalb am Samstag zu einem Tag der offenen Tür ein.
„Calea Toxic“: Elf Jahre im Einsatz für die Duisburger Polizei
Elf Jahre lang war die 36-Jährige bei der Polizei Duisburg im Einsatz. Sie fuhr Streife in Rheinhausen, klärte mit Kollegen beim Kriminalkommissariat zwölf Sexualdelikte auf oder ermittelte in Fällen von häuslicher Gewalt. Später begann sie sogar eine Laufbahn zur angehenden Polizeirätin. „Ich habe den Job gerne gemacht, aber ich war schon immer etwas schillernder“, blickt sie zurück.
„Ich hatte das Gefühl, dass ich immer drei Mal so viel arbeiten musste, um zu beweisen, dass ich eine gute Polizeibeamtin bin.“ Als dann ihre Mutter schwer erkrankte und sie realisierte, wie schnell das Leben vorbei sein kann, fasste sie einen Entschluss und kündigte. Den ungewöhnlichen Berufswechsel hat sie bislang noch keinen Tag bereut. Mittlerweile arbeitet sie bundesweit und international als Domina und Fetisch-Model.
Mit einer Party fing es an: „Ich war damals ganz schön aufgeregt“
Als 20-Jährige hatte sie den ersten Kontakt zur Szene. Mit ihrem Ex-Freund besuchte sie eine Party. „Ich war damals ganz schön aufgeregt. Was soll ich anziehen? Wie wird es sein?“, erklärt sie offen. „Aber dann war ich fasziniert. Es geht zwar um Schmerzen und Bestrafungen, aber alle waren freundlich und menschlich. Jeder konnte so sein, wie er wollte.“ Sie fand Gefallen an den (Rollen-)Spielen. „Hier geht es nicht nur um den Akt an sich, sondern um Fantasien und Sex im Kopf. Niemand wird als Domina geboren.“
Sie tauchte tiefer in die Szene ein. Ihren Namen „Calea“ fand sie auf einer Liste von Frauennamen – außerdem ist es die botanische Bezeichnung für das „Traumkraut“. Der Zusatz „Toxic“ spielt auf ihre grünen Augen an. „Nachdem ich jahrelang regelkonformes Verhalten durchgesetzt habe, widme ich mich nun der konsequenten Erziehung hartnäckiger Delinquenten“, heißt es in ihrem Team-Profil. Als sie durch die Lande zog und in verschiedenen Häusern arbeitete, holte sie sich Inspiration für ihre Bizarrfabrik. „Die BDSM-Branche ist geprägt von starken Frauen, die sich gegenseitig unterstützen“, betont sie.
Tagsüber ist in dem Fetisch-Bordell in Duisburg-Neumühl am meisten los
Einen Monat renovierte sie mit Helfern die 750 Quadratmeter, strich die Wände schwarz, dekorierte die Zimmer um, schuf neue Themenwelten. Laufkundschaft kommt selten vorbei. Die meisten vereinbaren Termine und klären im Vorfeld ab, was sie sich wünschen. Außerdem wird festgelegt, wie lange das Spiel dauern soll und bei welchem Codewort gestoppt wird. Jeder hat andere Vorlieben. Die einen stehen auf Schmerzen, andere bitten ausdrücklich darum, ohne Striemen nach Hause zu kommen. Zwischen 11 und 17 Uhr ist in der Bizarrfabrik am meisten los. Nur einige wenige buchen sich am Abend ein. „Die einen sind eine halbe Stunde hier, andere gönnen sich einen Wellnesstag bei uns.“
Im Erdgeschoss bereitet sich Lady Pia auf ihren Einsatz vor. 17 Jahre hat sie in den Niederlanden gearbeitet, doch weil die Nachfrage so groß war, bietet sie nun auch Termine in Duisburg an. „Ich bin montags bis donnerstags im Haus.“ Ihr Spezialgebiet ist alles rund um den Hintern. Die bearbeitet sie beispielsweise mit riesigen Dildos. „Man muss den Menschen und seine Grenzen sehr gut kennen“, weiß sie. Der nächste Kunde hat sie für vier Stunden gebucht. Sie wird ihm eine Maske überziehen und Befehle geben. Er soll die Spannung genießen. „Wer hierher kommt, will loslassen“, erklärt sie – und weiß um ihre Aufgabe, wenn manche Männer für einen Besuch bei ihr lange sparen.
Kunden zahlen zwischen 250 und 300 Euro pro Stunde
Zwischen 250 und 300 Euro kostet eine Stunde bei den Frauen. Die Damen wiederum sind selbstständig und mieten sich in der Bizarrfabrik ein. Die Betreiberin bietet drei Miet-Modelle an, die den Frauen faire Arbeitsbedingungen ermöglichen sollen. Für zwölf Stunden beträgt die Miete 250 Euro, ein halber Tag kostet 150 Euro. Für den Fall, dass sich die Damen erst einmal ausprobieren wollen und noch keine feste Kundschaft haben, bietet sie noch die Variante „Sicherheit“. „In München habe ich mal erlebt, wie eine Lady angereist kam, Fahrt- und Übernachtungskosten hatte und dann hat der Kunde sie versetzt.“ Also entwickelte sie ein Modell, bei dem die Miete erst anfällt, wenn auch wirklich Männer da sind. Dafür ist der dann fällige Stundensatz mit 100 Euro aber auch vergleichsweise teuer. „Durch viele Reisen und Besuche in anderen Studios habe ich einen guten Eindruck davon bekommen, unter welchen Bedingungen die Arbeit Spaß macht“, erklärt sie. Lady Pia lobt: „Das ist wirklich sehr fair und die Stimmung unter den Kolleginnen ist gut.“
Um ihren Job macht Calea Toxic übrigens kein Geheimnis – weder bei der Steuererklärung noch im persönlichen Gespräch. „Einige haben ja damals gemunkelt, dass ich ins Gewerbe abgerutscht bin. Das ist Quatsch. Wenn man den Leuten offen sagt, was man arbeitet, sind die meisten neugierig und offen.“ Deshalb bietet sie auch einen Tag der offenen Tür an, für den man allerdings auf der Gästeliste stehen muss. Ehemalige Arbeitskollegen von der Polizei haben sich ebenso angesagt wie Stammkunden der Frauen oder auch der Steuerberater des Hauses. Künftig soll es aber weitere Aktionen geben. Calea Toxic glaubt an den Erfolg ihres Hauses, auch wenn viele angesichts von Pandemie, Krieg und Inflation sparen. „Ich sehe das Glas immer eher halb voll.“
Mit ihrem alten Job hat sie übrigens abgeschlossen. Eine Polizei-Uniform besitzt sie nicht mehr. „Vielleicht lass ich mir irgendwann mal eine aus Latex auf den Leib schneidern. Die Nachfragen kommen immer wieder.“
>> 476 Prostituierte in Duisburg gemeldet
Aktuell sind nach Auskunft der Stadt 476 Prostituierte in Duisburg angemeldet. In 2022 lag die Zahl der Anmeldungen bei 465 und 2021 bei insgesamt 538.
15 Prostitutionsstätten sind in Duisburg gemeldet. Davon befinden sich zehn Betriebe im direkten Bereich der Vulkanstraße und fünf weitere verteilt auf das gesamte Stadtgebiet.