Duisburg. Ein 61-Jähriger trickst Trickbetrüger aus. Am Telefon imitiert der Mann seine 90-jährige Mutter. Bei der „Geldübergabe“ greift die Polizei zu.
„Es war der klassische Ablauf“, sagt der 61-Jährige, „so wie ich das aus den Medien kenne“. Der Duisburger ist zufällig in der Wohnung seiner 90-jährigen Mutter, um nach dem Rechten zu sehen, als am Mittwoch gegen 13.45 Uhr das Festnetztelefon schellt. Unterdrückte Rufnummer. Der 61-Jährige meldet sich nicht mit seinem Namen.
Schock-Anruf in Duisburg: Falscher Polizist übernimmt Gesprächsführung
Am anderen der Leitung die angebliche Tochter, „eine weinerliche Frauenstimme“. Sie habe einen Unfall gehabt, sei selbst verletzt worden. Dann reicht sie das Telefon an einen angeblichen Polizisten weiter. Der berichtet, bei dem Unfall sei auch eine im achten Monat Schwangere verletzt worden, das Kind gestorben. Die Tochter komme vor einen Haftrichter. Abgewendet werden können das nur durch eine Kaution von 100.000 Euro. So weit so klassisch. Was dann folgt, ist klasse: „Da habe ich mir gedacht, okay, gehst du auf das Spiel ein.“
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Der 61-Jährige mimt nun seine Mutter – und die Trickbetrüger fallen auf den Trick rein: „Das schwierigste war wirklich, nicht in die eigene Stimmlage zurückzufallen.“ Und dann macht er exemplarisch vor, wie er seine Stimme verstellt: alt, gebrechlich, weiblich.
Immer wieder gibt er vor, wissen zu wollen, wie es seiner Tochter geht. 100.000 Euro habe er nicht. Die Betrüger bohren weiter: Was ist mit Schmuck, was mit Sparbüchern, wie viel ist auf dem Girokonto, wie hoch ist der Dispositionskredit? Es gelte nun eine Schweigepflicht, wird dem 61-Jährigen erzählt, mit niemanden dürfe er darüber sprechen.
In einem Moment, in dem er angeblich auf dem Weg zur Bank ist, alarmiert der Duisburger die Polizei. Als die Betrüger das nächste Mal anrufen, stellt er das Telefon auf laut. Den Betrügern erzählt er, das sei nötig, weil er schwer höre. Die Beamten hören jetzt mit.
Täuschungsmanöver bis zur Geldübergabe – 13-Jährige festgenommen
Knapp zwei Stunden lang rufen die Betrüger immer wieder an. Der Zuschlag fällt bei einer Kaution von 19.800 Euro, auf die sich beide Seiten einigen. Die Übergabe wird geplant.
Er habe dann eine Zeitung in einen DIN-A4-Umschlag gepackt und sich auf den Weg zum Treffpunkt gemacht. Dafür streift er sich einen Winterkapuzenmantel seiner Mutter über und schlüpft in deren Schlappen. „Ich konnte ja nicht mit meinen Turnschuhen da runter gehen.“ „Gebückt und schlurfend“ sei er dann in Richtung der Abholerin gegangen. Es fällt das vereinbarte Codewort: „Susanne.“ Dann greifen die Beamten zu.
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Die Abholerin ist 13 Jahre alt, so sagt es ihr polnisches Ausweisdokument, eine Strafe droht ihr wegen ihres Alters nicht. Die Polizei hat das Mädchen der Obhut des Jugendamts gegeben. An dem Alter hat der 61-Jährige seine Zweifel. Vor ihm habe „eine gut entwickelte junge Frau gestanden“, erinnert er sich.
Bei Trickbetrügern greift die Mutter zur Trillerpfeife
„Das war schon nicht alltäglich“, so blickt der Duisburger mit zwei Tagen Abstand auf seine Amtshilfe für die Polizei zurück. Sorgen um die eigene Sicherheit habe er nicht gehabt, sagt er: „Ich habe mich von Anfang an auf die Situation eingestellt.“ Außerdem habe er später die Polizei in seiner Nähe gewusst.
Seine Mutter stehe namentlich übrigens gar nicht im Telefonbuch, erzählt der Sohn noch. Er vermutet, dass es an ihrer noch sechsstelligen Telefonnummer liege, dass die Trickbetrüger sie ausgesucht haben. Zwei bis drei Mal pro Jahr kämen solche Anrufe vor, sagt der Sohn.
Seine Mutter aber wisse sich auch ohne ihn zu helfen. Für solche Fälle habe sie stets eine Trillerpfeife griffbereit neben dem Telefon liegen. Wäre seine Mutter zu Hause gewesen, sagt der 61-Jährige, hätte sie wohl einfach wieder beherzt reingepfiffen.