Duisburg. Die Duisburger Tierklinik hat sich auf die Behandlung von Qualzüchtungen spezialisiert – und jede Woche neue Hunde auf dem OP-Tisch.

Allergien, Mittelohrentzündungen, Bandscheibenvorfälle, ständige Luftnot, angeborene Herzfehler und Augenkrankheiten bis zur Erblindung – die Liste schrecklicher Erkrankungen bei den kurznasigen Hunderassen ist schier endlos. Es betrifft vor allem französische und englische Bulldoggen, Möpse und Boston Terrier. „Wir haben sie hier jede Woche auf dem Tisch“, stellt Dr. Jochen Spennes fest.

Er ist geschäftsführender Arzt der Tierklinik Duisburg am Kaiserberg. Seit langem ist sie spezialisiert auf Hunderassen, die nicht nur die Tierschutzorganisation Peta als Qualzucht bezeichnet. Auch der Leiter des Duisburger Tierheims, Lutz Kaczmarsch, kennt die Nöte dieser Tiere. In der Hitzeperiode Mitte Juli erlitt ein Fundhund, die französische Bulldogge Smeagol, einen Hitzschlag, ohne sich angestrengt zu haben. Nur durch die schnelle Hilfe einer Tierheimmitarbeiterin und durch die professionelle Behandlung in der Duisburger Tierklinik, konnte der kleine Rüde gerettet werden.

Die Tiere mit den runden Köpfen, kurzen Nasen und hervortretenden Augen, die so extreme gesundheitliche Probleme haben, kämen meistens aus privaten Züchtungen oder aus Rumänien und Ungarn. Der Nasen- und Rachenraum der Hunde ist so eng, dass die Tiere nie ausreichend Luft bekommen. „Hunde atmen ja normalerweise durch die Nase. Aber beim Luftholen entsteht ein Unterdruck, eine Strömungsveränderung, die die Schleimhäute irritiert. Dadurch schwellen sie an und die Tiere bekommen noch weniger Luft. Das ist so, als wenn man die ganze Zeit durch einen Strohhalm atmet“, laut der anschauliche Vergleich von Dr. Spennes.

Dr. Jochen Spennes von der Tierklinik am Kaiserberg berichtet von den Erfahrungen mit Qualzucht.
Dr. Jochen Spennes von der Tierklinik am Kaiserberg berichtet von den Erfahrungen mit Qualzucht. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die sogenannte Brachyzephalie ist die angezüchtete Kurzköpfigkeit, bei der es zur Deformation des Schädels kommt und in der Folge zu schweren Erkrankungen. „Die Nasenlöcher sind oft so eng, dass kaum Luft durchkommt. Auch das Gaumensegel, ähnlich wie das Zäpfchen, ist die Abgrenzung zwischen Nasen- und Mundhöhle. Bei manchen Hunden wird es bei jedem Atemzug in den Kehlkopf gesogen. Die Folge ist massive Luftnot“, erklärt der Mediziner. Auch die Nasenmuscheln sind durch solche Qualzüchtungen häufig betroffen. Da sie so gestaucht sind, können die Hunde ihre Körpertemperatur weder bei Hitze noch bei Kälte regulieren. Sie verengen auch den Kanal, durch den die Luft Richtung Lunge strömen kann. „Bei einer Inhalations-Narkose, bei der ein Schlauch in die Luftröhre eingeführt wird, bekommen diese Hunde dann direkt besser Luft.“

Duisburger Tierarzt schildert die Leiden der Qualzucht

Doch mit so gravierenden Problemen sind längst nicht alle Qualen beschrieben: Der Kehlkopf ist normalerweise – wie beim Menschen – hart, was man ja von außen fühlen kann. Oft ist bei den kurznasigen Vierbeinern aber ein Teil des Kehlkopf-Knorpels zu weich. Das hat zur Folge, dass er beim Atmen ständig zusammenfällt, Teile davon in den Kehlkopf rutschen und das Luftholen schwer machen.

Auch Augenerkrankungen sind keine Seltenheit. „Die hervorstehenden Augen sind nicht ausreichend geschützt. Daher kommt es häufig zu Löchern in der Hornhaut bis hin zum Verlust des Auges“, schildert Jochen Spennes. „Es gibt auch unfassbar viele Bandscheibenvorfälle, weil der Rücken viel zu kurz gezüchtet und die Wirbelsäule deformiert ist.“

Dass sich die Tierklinik am Kaiserberg auf die Kurznasenhunde spezialisiert hat, habe sich einfach so ergeben. „Weil immer mehr Hunde mit ähnlichen Gesundheitsproblemen gebracht wurden, haben wir uns in die Materie hineingearbeitet“, berichtet der Tierarzt.

Operationen sind extrem teuer

Häufig kann diesen Vierbeinern geholfen werden, aber die Operationen sind kompliziert und extrem teuer. Da sei man dann schnell im vierstelligen Bereich, was viele Besitzer nur ungern akzeptierten. Wenig Verständnis haben die Ärzte, dass sich viele Menschen einfach nach Lust und Gefühl solche Tiere zulegen. Beim Auto würde man sich doch auch erkundigen, wie die Eigenschaften sind, wie viel Benzin verbraucht wird, welche Vor- und Nachteile es hat.

Wenn man die Besitzer aber darauf anspreche, seien sie manchmal beleidigt. Der Verband Deutscher Hundezucht (VDH) lege großen Wert darauf, dass die Tiere gesund gezüchtet werden und sehr verantwortungsvoll. Die Mitglieder würden durchschnittlich maximal 200 bis 300 französische Bulldoggen im Jahr anbieten. Bei Schäferhunden seien es zum Vergleich tausende. Aber der VDH hat vorgeschriebene Zuchtuntersuchungen, die dann den Preis für ein Tier erhöhen. „Die Ärzte sind selbst vollkommen frustriert, wenn sie das Leiden der Tiere sehen“, sagt Jochen Spennes. „Es ist so viel unternommen worden, um Qualzüchtungen zu verbieten, doch erreicht wurde bisher sehr wenig.“

Die Tierärzteschaft hat Flyer drucken lassen, der Bundesverband praktizierender Tierärzte hat Öffentlichkeit hergestellt, um das Leiden dieser Tiere abzustellen, der Verband Deutsches Hundewesen hat sich eingesetzt, es sind Petitionen verfasst worden. „Wir haben an Unternehmen geschrieben, keine Werbung mit solchen Hunden zu machen, weil dann wieder eine Welle ins Rollen kommt und jeder so einen Hund haben möchte.“ Aber einen Durchbruch hat es in Deutschland bisher nicht gegeben.

>>Qualzucht: Tierversicherungen haben Klausel im Vertrag

  • Der geschäftsführende Arzt Dr. Jochen Spennes weist darauf hin, dass viele Tierversicherungen einen Ausschluss von Operationen bei kurznasigen Hunderassen in ihren Verträgen haben. Eben, weil diese so oft notwendig werden, kompliziert und daher teuer sind.
  • Andere Länder sind da in Sachen Tierschutz deutlich weiter. In Holland sind solche Züchtungen schon seit einigen Jahren verboten. Da gibt es ganz klare Vorschriften, wie lang die Nase vom Hund im Verhältnis zum Kopf sein muss, damit die Tiere nicht ihr Leben lang leiden.
  • Auch die Bundestierärztekammer klärt auf ihrer Homepage über die Probleme auf und fordert ein Umdenken bei Züchtern und Haltern. In Deutschland aber konnte man sich trotz der Qualen der Tiere dazu bisher nicht durchringen.