Duisburg. Immer wieder baden Menschen im Rhein – und ertrinken. Schreckt dies endlich ab? Wir haben uns am Alsumer Steig in Duisburg-Marxloh umgeschaut.
Samstag, 8. Juli 2023, früher Nachmittag. Mit 35 Grad im Schatten ist es einer der heißesten Tage bisher. Da zieht es die Menschen ans Wasser. Ein verstecktes Plätzchen, für viele immer noch ein Geheimtipp, ist der Alsumer Steig im Schatten von Industrie und hohen Bäumen, in Duisburg-Marxloh direkt am Rhein gelegen. Vor über einem Jahr sind genau dort trotz Verbots drei Mädchen ins Wasser gegangen und haben dies mit dem Leben bezahlt. Immer wieder ertrinken Menschen im Rhein. Schreckt dies nun endlich ab? Wir haben uns vor Ort umgeschaut.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Kai und Sarah sind mit einem Bus angereist. Die beiden haben heute Freunde zur Fete am Rhein eingeladen, weil Sarah ihren 29. Geburtstag nachfeiern möchte. Sie sind mit zwei Pavillons angerückt und bereiten schon mal alles vor. Das Geschwisterpaar ist in Moers groß geworden und kennt so einige nette Stellen am Fluss, wo man feiern könnte.
Alsumer Steig in Duisburg-Marxloh: Baden im Rhein ist lebensgefährlich
Kai, der zurzeit in Berlin arbeitet, hat für die Feier des Schwesterchens über Google dieses abgelegene Plätzchen gefunden und ist ganz begeistert. 20 bis 30 Leute erwarten die beiden, schon mittags werden Decken hingelegt, alles wird für die Feier vorbereitet. Dass sie nicht einen Fuß ins kühle Nass stellen werden, sei selbstverständlich. „Nein, schwimmen werden wir auf keinen Fall, das ist hier viel zu gefährlich“, sagt Sarah.
Eine Buhne weiter, die man nur über einen offiziellen Weg erreicht, hat es sich das Ehepaar Ursel und Robert gemütlich gemacht. Auf die groben Steine haben sie Decken gelegt und genießen unter hohen Bäumen den freien Blick auf den Rhein. Wie befahren die Wasserstraße ist, können sie alle paar Minuten beobachten. Rheinaufwärts und rheinabwärts düsen mit hoher Geschwindigkeit die riesigen Frachter vorbei.
„Unsere Hunde können ja gut schwimmen“
Immer wieder klatschen dann die Wellen auf die kleinen beliebten Strände. Strudel entstehen, das kann man vom Ufer aus gut beobachten. Spaziergänger kommen vorbei, lassen ihre Hunde frei laufen, die auch gerne mal ein Bad im Rhein nehmen. Die Gefahr, dass auch Vierbeiner von der Strömung mitgerissen werden können, blenden sie völlig aus. Das Risiko ist vielen anscheinend nicht bewusst. „Nein, unsere Hunde können ja gut schwimmen“, entgegnen einige.
Robert und Ursel aus Oberhausen allerdings kennen die Gefahr des Flusses. Der 59-Jährige ist in Duisburg aufgewachsen und nutzt den Rhein ohnehin lieber, um zu angeln. Nicht an diesem extrem heißen Samstag, aber er hat einen Angelschein fürs ganze Jahr und da sitzt er dann sicher am Ufer.
Auch als ihre Tochter noch klein war und sie damals schon den traumschönen Blick auf den Fluss genossen haben, war Baden im Rhein tabu. Das hat auch die Tochter verinnerlicht. „Wenn wir unsere Enkel hier schwimmen lassen würden, würde unsere Tochter uns was erzählen“, sagt die 58-Jährige.
Die Ruhe am Rhein genießen
Das Ehepaar, das seit fast 40 Jahren gemeinsam durchs Leben geht, hat zwar einen großen Garten und einen Pool. Da ist aber dann immer Halligalli und heute wollen die beiden einfach mal die Ruhe genießen. Dass es immer noch Menschen gibt, die ihre Kinder im Rhein schwimmen lassen, können sie absolut nicht verstehen. „Es ist so gefährlich, immer wieder ertrinken hier Personen. Es gibt doch so viele attraktive Wasserspielplätze, wo man mit den Kindern hingehen kann“, sagt Ursel Mengel.
Auch interessant
Einen großen Abstand weiter hat sich ein Ehepaar mit dem kleinen Mischlingshund Minna niedergelassen. Auch die Freundin der Ehefrau ist dabei. „Wir sind hier gestrandet“, erzählt Kalle. Ehefrau Astrid hatte sich ein Board gekauft, um Stand-up-Paddling zu üben. Dieses Abenteuer wollten sich Ehemann Kalle und Freundin Marlene natürlich nicht entgehen lassen. Also fuhren die Drei gemeinsam zur Sechs-Seen-Platte, um mitzuerleben, wie Astrid auf der einen Seite aufsteigt und mutmaßlich auf der anderen Seite des Boards direkt wieder den Abgang macht.
Auf den Spaß mussten sie verzichten. „Das war da dermaßen voll, dass wir das Brett gar nicht zu Wasser lassen konnten“, sagt Kalle. Also flüchteten sie zum Alsumer Steig und müssen auf das große Spektakel noch warten.
Bruder bei Unglück im Rhein ertrunken: Frau berichtet von schlimmen Erfahrungen mit dem Fluss
Die beliebte Ecke am Rhein kennen alle Drei schon seit Jahrzehnten. Sie sind da aufgewachsen, wissen auch um die Gefahren, die der Fluss birgt. Darüber hinaus hat Marlene auch persönlich schlimme Erfahrungen mit dem Fluss. „1969 hat mein Bruder in Walsum auf einer Plattform gearbeitet, die dann plötzlich umkippte. Er ist mit 19 Jahren im Rhein ertrunken“, erzählt sie, während am gegenüberliegen Rheinufer immer wieder Menschen ins Wasser gehen. Marlene kann dies nicht verstehen.
„Wir gehen nur bis zur Hüfte ins Wasser“
Hundert Meter entfernt von ihr machen sich gerade drei Jungs fertig, um ins kühle Nass zu springen. Sie haben Badehosen an und wissen, dass man im Rhein nicht baden und nicht schwimmen darf. „Wir schwimmen auch nicht weit raus, wir gehen nur bis zur Hüfte ins Wasser“, sagt der 17-Jährige mit Migrationshintergrund in fließendem Deutsch, der mit seinen beiden jüngeren Brüdern an der Wasserkante steht. „Wir können aber alle schwimmen“, versichert er.
Auch interessant
Die Familie mit sechs Kindern kam 2015 aus dem Irak nach Duisburg und wisse um die gefährliche Strömung. Die Mutter, die nicht gut schwimmen kann, bleibe sowieso mit den drei jüngsten Kindern im Schatten unter Bäumen und der Vater passe auf, dass die Brüder nicht zu weit ins Wasser gehen.
Trotzdem: Selbst das ist verboten – und vor allem lebensgefährlich.
>> BADEVERBOT IM RHEIN IN DUISBURG
- Es gilt in Deutschland zwar kein generelles Badeverbot für den Rhein. Aber das Baden im Rhein ist in der Nähe von Hafeneinmündungen, Brücken und Anlegestellen verboten.
- Darüber hinaus gilt in Duisburg ein Badeverbot in gesonderten Bereichen, zu denen auf beiden Seiten die Rheinkilometer 769,3 bis 794,6 zählen. Die Badeverbotszone reicht also etwa vom Hüttenwerk Krupp Mannesmann (HKM) im Süden bis hinter die Walsumer Fähre im Norden.
- An Warnungen fehlt es nicht am Rheinufer. „Nicht Schwimmen und nicht Baden – Notruf 112“ – große Warnschilder gibt es in Duisburg in sechs Sprachen. Obwohl sie gut sichtbar überall dort stehen, wo es offizielle Zugänge zum Fluss gibt, werden sie immer wieder ignoriert.