Duisburg. Die Nacht der Industriekultur hat mit Programm an den Innenhafen gelockt. Highlight in Duisburg war das Feuerwerk. So war die „Extraschicht“.
Es ist die Nacht der Nächte. Wie bestellt, für die Nacht der Industriekultur. Bei der „Extraschicht“ locken Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad, Bands und Buden mit Leckereien in den Innenhafen. Die Stimmung ist grandios und friedlich. Kinder toben auf Spielplätzen und zwischen Erwachsenen, hier und da ist mal ein nervenstarker Hund der Begleiter. Auf drei Bühnen spielt die Musik.
Auf einer Treppe neben dem Museum am Innenhafen sitzt Hadiya mit ihrer besten Freundin. Die beiden kamen vor acht Jahren aus dem Irak nach Deutschland. Aus Moers sind sie heute angereist und „geraten“ zum Glück in die Veranstaltung, die sie noch nicht kennen. An vielen Holztischen haben es sich die Menschen gemütlich gemacht.
„Extraschicht“ in Duisburg: Auf drei Bühnen spielt die Musik
Gerade die Wiese vor der Bühne an der Stadtmauer bietet offenbar besonders reizvolle Sitzplätze für die Besucher. Sie ist gelb und strohtrocken, trotz der Sintfluten, die am Donnerstagabend über Stunden auf Duisburg niederprasselten. Die Menschen sitzen auf dem Boden, unterhalten sich, Sprudel, Bier und Wein in der Hand und genießen die Musik.
Gerade heizen die „The Les Clöchards“ ein, eine Gruppe, die sich 2005 aus fünf Musikern gegründet hat. Die Show- und Coverband reißt mit ihrer Musik und ihrem Aussehen mit. Vor der Bühne wird getanzt. Die fünf treten als „teilzeitarbeitslose Landstreicher im Shabby Chic“ auf, sind mit ihrem Outfit ein absoluter Hingucker, machen zum Beispiel aus dem Motörhead-Hit „Ace Of Spades“ einen karibischen Party-Reggae und funktionieren bekannte Hits in Country- oder Blues-Versionen um. Das kommt super an.
Extraschicht in Duisburg
Der Sänger nennt sich Dregue Sbaeg, verkauft nach dem Auftritt CDs und wird von begeisterten Zuschauerinnen belagert. Melanie in luftigem rot-weißen Kleid mit farblich passendem Schlapphut dazu, lüftet ihr Gewand, um sich ein Autogramm auf den Oberschenkel schreiben zu lassen. Immer wieder eilen Fans an die Bühne und machen Selfies mit dem Sänger, der – ganz Profi – alle Wünsche geduldig erfüllt. Seine Meinung über den ersten Auftritt der Gruppe im Ruhrgebiet: „Schöner als heute kann’s doch gar nicht mehr sein.“
Etwas weiter auf der Wiese gibt es einen „Treffpunkt des guten Geschmacks“, einen Grillstand und die „Cocktail Ambulanz“. Daneben steht ein auffälliger weiß-roter Wagen, es ist die Einsatzleitung Cocktailbar, wie zu lesen ist. Diese Ambulanz nehmen an diesem Abend viele in Anspruch. Es wird gerührt und geschüttelt, was das Zeug hält. Benni (37) hält einen Drink in der Hand, den ihm gerade eine Dame spendiert hat. Er rätselt noch, was das wohl sein könnte. „Ich glaube, es ist Sex on the Beach“, mutmaßt er. Ob es ihm schmeckt, wird sich erst noch zeigen. Aber der Renner an diesem Abend ist eindeutig Caipirinha, wie die schuftenden Schwerarbeiter oben auf dem Wagen versichern.
Drei Euro Pfand sorgt für Sauberkeit am Innenhafen
Erstaunlich sauber bleibt es an diesem Abend bei Tausenden von Besuchern. Für Gläser wird an einem Weinstand ein stattliches Pfand von drei Euro genommen. Offensichtlich ein guter Hebel, damit die Gäste das Geschirr auch wieder zurückbringen. Es klappt hervorragend. Einzig und allein Melanie scheint an diesem Abend nicht zufrieden zu sein. Sie betreibt „Tom, die Lok“, eine kleine Mini-Eisenbahn für Kinder. „Im Augenblick fährt nur unser eigener Nachwuchs, ich hab mir mehr von diesem Abend versprochen“, sagt sie.
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Den Garten der Erinnerung nutzen viele, um etwas weiter weg von der Musik zu chillen und aufs Wasser zu gucken. Entspannen, träumen und genießen ist angesagt. Auf der Bühne Ludwigsforum unterhält „Yassmo’s Soul Box“ mit feinster Groove-Musik. Die Treppen zur Lounge zu erklimmen, ist schon weit vor Mitternacht ein Balanceakt. Viele haben sich die beste Aussicht auf das ersehnte Feuerwerk gesichert. Und so staksen die Besucher die Stufen hoch und runter – immer achtsam, nicht über die Sitzenden zu stolpern.
Gigantisches Musikfeuerwerk am Nachthimmel
Ein paar Meter weiter, an der Brückenecke, geht völlig aberwitzig die Post ab. Eine begeisterte Menge genießt „The Four Shops“. Der Schlagzeuger sitzt in einem umgebauten Einkaufswagen und trommelt, was das Zeug hält. Ein anderer fordert die Zuschauer zum Tanzen auf. „Je länger man wartet, umso peinlicher wird es“, sagt er. Die Besucher lassen sich nicht lumpen und tanzen, andere klatschen im Rhythmus. Beste Stimmung.
Auf der Bühne am Hafenforum spielt kurz vor Mitternacht Aedon. Die Zeit vorher ging es in die Hamburger Chef-Rock-Studios, um Songs aufzunehmen, die sie heute Abend präsentieren. Dann setzt ein paar Minuten vor null Uhr eine Art „Massenflucht“ Richtung The Curve und der „Eurogate“-Fläche am Holzhafen ein. Niemand will das gigantische Musikfeuerwerk verpassen. Wer um diese Uhrzeit doppelt sieht, muss nicht zu viel getrunken haben. Die riesigen blauen, roten und goldenen Sterne spiegeln sich in dem glatten Hafenwasser wider. Eine unbezahlbare, kostenlose Show für die Besucher. Für Janine aus Münster und Kerstin aus Recklinghausen hat sich die Anreise gelohnt. „Man hat leider zu wenig Zeit, um sich viel bei der Extraschicht anzugucken“, bedauern sie.
Ganz besonders ist der Abend für Tanja Schwarz. Pünktlich um Null Uhr und während es knallt, pfeift und zischt, schallt auch schon der Männerchor durch die Nacht: „Happy Birthday To You, Happy Birthday To You...“. Küsschen hier und Küsschen da. Reinfeiern in den 32. Geburtstag mit pompösem Ambiente. „Es ist schon öfter passiert, dass die Extraschicht an meinem Geburtstag stattfand. Das ist unglaublich schön“, sagt die Duisburgerin und strahlt. „Ich bin hier direkt in der Nähe aufgewachsen“, erzählt das Geburtstagskind. In der Hansastraße. Immer, wenn sie zum Innenhafen kommt, ist sie zu Hause.
Nachts im Museum mit der „Extraschicht“
Für Roland Wolf aus dem Kultur- und Stadthistorischen Museum hat um 0.36 Uhr endlich die letzte Schicht begonnen. Er führt in traditioneller Tracht eines Wissenschaftlers in der Renaissance durch die Hallen und erklärt den Besuchern das Leben und die Sichtweise auf die Welt des Universalgelehrten Mercator. „Unglaublich viel Interesse für die Führungen war heute da“, sagt er. Irgendwann nach ein Uhr endet auch für ihn die Extraschicht.