Duisburg. Immer mehr Abiturienten in Duisburg schließen ihre Prüfungen mit einer 1 ab. Sind sie schlauer, das Abitur einfacher oder gibt es andere Gründe?
Wird das Abitur immer leichter? Werden die Abiturienten immer schlauer? Seit zwanzig Jahren steigt in Duisburg die Zahl der Abschlüsse mit einer 1 vor dem Komma. Welche Aufschlüsse ein Blick in die Statistik gibt, was Schulleiter sagen und ob Einser-Noten inflationär vergeben werden.
2002 beendeten fünf von 1054 9Schülern mit der Spitzennote 1,0 ihre Schulzeit, im vergangenen Jahr waren es 47 von 1798, das ist zugleich auch der Spitzenwert in zwei Jahrzehnten. Duisburgs beste Abiturientin hat sogar einen Abischnitt von 0,7 geschafft.
Die 1er-Abis haben sich laut Statistik des Schulministeriums in 20 Jahren verdreifacht: von 130 auf 450. Einen Höhepunkt gab es 2013, der allerdings auch mit der höchsten Schülerzahl des Zeitraums korrespondiert: Damals machten von 2833 Jugendlichen 602 ein Einser-Abitur, 20,5 Prozent des Jahrgangs. Die Werte des aktuellen Abitur-Jahrgangs liegen noch nicht vor.
Abiturprüfungen: In Duisburg fallen im NRW-Vergleich mehr Schüler durch
Die Zahl der nicht bestandenen Abiturprüfungen bewegt sich in einem großen Auf und Ab – ohne erkennbares Muster binnen 20 Jahren zwischen 44 (2012) und 136 Schülern (2015). Prozentual betrachtet fallen in Duisburg mehr Schüler durch als landesweit. In den vergangenen zehn Jahren sind in NRW zwischen zwei und drei Prozent durchgefallen, in Duisburg liegt der Anteil zwischen fünf und sechs Prozent der Prüflinge.
Der Notenschnitt liegt zwischen Walsum und Großenbaum kontinuierlich zwischen gut und befriedigend (2,5 bis 2,8), im vergangenen Jahr haben die Abiturienten durchschnittlich mit 2,47 abgeschlossen und liegen damit erstmals seit 20 Jahren über diesem Durchschnitt. Im landesweiten Vergleich sind Duisburger Absolventen allerdings ein bisschen schlechter: In NRW lag der Notenschnitt zwischen 2,43 und 2,68, in den vergangenen zwei Jahren sogar bei 2,36.
Warum gibt es so viel mehr 1er-Abis?
Die Kritik an der „Inflation der Einser-Noten“ kennt Ralf Buchthal, Leiter des Steinbart-Gymnasiums, gut. Ehemalige Abiturjahrgänge aus den 70er oder 80er Jahren würden häufiger sagen, dass „ihr Abi mehr wert ist als das heutige“. Buchthal teilt diese Einschätzung nicht.
Zur Überprüfung servierte er einem Bio-Grundkurs seine Abi-LK-Prüfung aus den 80er Jahren zum Thema Genetik, „die haben sie mit links gelöst“. Das Abitur sei „nicht leichter oder schwerer, es ist ein Abbild seiner Zeit und in dieser auch gleich schwer, nur eben anders.“ Früher sei mehr lexikalisch gelernt worden, heute gehe es mehr um Problemlösungskompetenzen, um Strategien, „alles andere haben wir über Wikipedia im Telefon“.
Abiprüfungen der Vorjahre zum Üben per Download
Früher habe er während der Weihnachtsferien Abiaufgaben formuliert und bei der Bezirksregierung eingereicht. Heute sei alles zentralisiert und parallelisiert. Und da die Abiturprüfungen der Vorjahre zum Download bereitstehen, könnten Schüler die Aufgabenformate „so gut üben, dass nichts mehr schief gehen kann“, so sie denn hinreichend üben. Noten würden „nicht verschenkt“.
Buchthal betont aber, dass das seine persönliche Erklärung für das auch bundesweit zu beobachtende Phänomen der steigenden 1er-Abis ist. „Wissenschaftlich ist das noch nicht untersucht, das könnten Unis ja mal anpacken“, findet er.
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„In Mathematik werden die Aufgaben immer schwerer“
Christof Haering, der Leiter des Landfermann-Gymnasiums, kann spontan keine allgemeingültige Erklärung geben, warum es aktuell so viel mehr Einser-Abis gibt. In Mathe habe er selbst in diesem Jahr zum ersten Mal eine 1 plus vergeben, „in meiner Mathe-Welt ist das sonst eher selten“. Er habe „nicht den Eindruck, dass die Prüfungen leichter geworden sind, in Mathematik ist es eher umgekehrt, die Aufgaben werden immer schwerer“.
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An seiner Schule gab es in diesem Jahr auch erstmals auffällig mehr Nachprüfungen für Schülerinnen und Schüler, die im ersten Anlauf durch die Abiturprüfung gerauscht sind. Auch mit Blick auf seine Schülerschaft fallen ihm keine Besonderheiten auf, die bessere Noten begründen würden, kein Mehr an Akademikerkindern etwa. „Wir haben immer mehr Kinder aus Seiteneinsteigerklassen“, sagt Haering, „viele von ihnen sind sehr ehrgeizig.“
Zentralabitur sorgt für mehr Chancengleichheit
Matthias Lambert, Pressereferent im Schulministerium, erklärt, dass die Einführung des Zentralabiturs 2007 dafür gesorgt habe, „dass für Schülerinnen und Schüler mehr Chancengerechtigkeit bei der Erlangung der allgemeinen Hochschulreife gegeben ist“.
Durch den gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder würden bundesweit einheitliche Standards gesetzt. Durch die Transparenz in den Anforderungen und individuelle Förderung sowohl in der Sekundarstufe I als auch in der gymnasialen Oberstufe seien „bestmögliche Voraussetzungen für Schülerinnen und Schüler geschaffen worden“, das Abitur erfolgreich zu absolvieren.
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Seit Einführung des Zentralabiturs seien die Mittelwerte der Abiturgesamtnote relativ konstant auf einem guten Niveau geblieben, zuletzt habe es sogar eine geringe positive Verschiebung gegeben.
Besondere Regeln für die Corona-Jahrgänge
Für die Prüfungsjahre 2021, 2022 und 2023 wurden durch die pandemiebedingte Ausnahmesituation, die zu Einschränkungen des Unterrichts geführt hat, von der Kultusministerkonferenz Maßnahmen verabschiedet, die Länder ergreifen konnten, um einerseits dieser Ausnahmesituation Rechnung zu tragen und anderseits das Niveau der Abiturprüfung aufrecht zu erhalten, erklärt Lambert. So sollte die bundesweite Anerkennung dieses Abschlusses gesichert werden.
„Diese Maßnahmen und weitere Faktoren aus diesen Pandemiejahren können dazu beigetragen haben, dass es einen überschaubaren Zuwachs an Bestnoten gegeben hat“, analysiert der Referent. Die Nichtbestehensquoten liegen in normalen Schwankungsbreiten.
>> DAS ABITUR - ABSCHLÜSSE IN NRW
- In NRW haben im vergangenen Jahr 82.418 Schülerinnen und Schüler ihr Abitur gemacht. 2525 schlossen mit 1,0 ab, ein Einser-Abitur machten 23.462, fast jeder vierte Schüler also. Der Notenschnitt lag bei 2,36.
- 3100 haben nicht bestanden, das sind 3,8 Prozent aller Prüflinge.