Duisburg-Ruhrort. Rund um den Neumarkt in Duisburg-Ruhrort gelten neue Verkehrsregeln. Bei den Nachbarn sind die Fronten deshalb verhärtet. So reagiert die Stadt.
In Ruhrort gibt’s Zoff: Vor zwei Wochen hat die Stadt Duisburg am Neumarkt einen Verkehrsversuch gestartet und die Verkehrsführung für Autofahrer geändert. So wurde eine Straße für die Durchfahrt gesperrt. Ein Hochbeet steht nun dort, wo sonst Pkw kurvten. Auch Parkplätze fallen auf der Seite, wo sich etwa der Traditionsfriseur Westerhelweg und das „Plus am Neumarkt“ befinden, weg. Stattdessen wurden auf der anderen Seite, die noch für die Durchfahrt geöffnet ist, Stellplätze quer markiert. Insgesamt soll der zentrale Platz im Hafenstadtteil belebt werden. Auf zwei Jahre ist der Verkehrsversuch angelegt, doch schon nach zwei Wochen ist der Unmut bei einigen Ruhrortern groß.
Das sagen die Gegner des Verkehrsversuches aus Duisburg-Ruhrort
„Schon nach zwei Wochen merke ich, dass Kunden wegbleiben. Zu mir kommen viele Ältere, teilweise schon seit Jahrzehnten. Doch gerade die sind nicht mehr so mobil und möchten gerne vor der Tür aussteigen“, schildert Friseurin Anja Westerhelweg. Auch Hörgeräte-Akustiker Klaus-Peter Leppkes muss nun mehr Hausbesuche machen. „Außerdem wird immer argumentiert, dass das besser für die Umwelt sein soll, wenn hier nicht so viele Autos durchfahren. Die würden nun ums große Karree fahren und nicht nur ums kleine. „Die Leute fahren hier kreuz und quer, weil sie nicht mehr wissen, wo es lang geht“, ärgert sich Mario Adams und sagt, er kenne sich in seinem Stadtteil nun wirklich aus. „Ich würde gerne mal wissen, wonach die Stadt bemessen will, ob dieser Verkehrsversuch ein Erfolg wird. Wenn das so weitergeht, dann sind die verbliebenen Geschäfte auch bald weg“, sagt Anja Westerhelweg.
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„Wir sind ja gar nicht gegen eine Veränderung am Neumarkt, aber wir sind dagegen, dass so viele Parkplätze wegfallen“, betont Wolfgang Elsenpeter, Inhaber der Adler-Apotheke, die direkt am Neumarkt liegt. Gemeinsam mit seinen Nachbarn hat er Unterschriften gesammelt. Innerhalb weniger Tage seien 500 zusammengekommen. Die Listen haben sie dem Bezirksbürgermeister Hans-Joachim Paschmann übergeben. Ansonsten habe es bisher keine Reaktion vonseiten der Stadt gegeben. „Es gab zwar eine Bürgerversammlung, aber da war vorher schon alles klar. Keine unserer Anregungen wurde aufgenommen“, sagt Apotheker Elsenpeter.
In einem Begleitschreiben zur Unterschriftenkampagne heißt es denn auch: „Wir begrüßen Maßnahmen, die die Aufenthaltsqualität auf dem Neumarkt erhöhen sollen. Wir begrüßen Maßnahmen, die es gastronomischen Unternehmern ermöglichen und erleichtern, auf dem Neumarkt initiativ zu werden.“ Aber: „Vorgetragene Bedenken von Anwohnern, die sich berechtigterweise fragen, wo sie künftig ihre Pkw abstellen sollen, werden in diesem Plan nicht berücksichtigt.“
So reagieren die Befürworter der neuen Verkehrssituation
„Ich finde es ehrlich gesagt gut, dass ich nicht mehr ständig auf Autos gucke“, sagt Veit Overdick, der vor kurzem ein kleines Geschäft für Vintage-Möbel am Neumarkt eröffnet hat. Auch seine Nachbarin, Caren Grimone, kann der neuen Situation etwas abgewinnen. Die Inhaberin des Weingeschäfts „Vinotico“ wartet auf die Genehmigung der Stadt, dass sie künftig Tische und Bänke nach draußen stellen kann, damit die Ruhrorter dort bei einem Glas Wein zusammensitzen können. „Und auch für die Kinder ist es toll, dass sie jetzt auf der Straße spielen können.“ Klar, Inlineskaten auf Kopfsteinpflaster birgt so seine Herausforderungen – „aber wer es hier lernt, der kann es auch“, sagt Veit Overdick und grinst.
Auch Michael Hollmann, Betreiber des Kult-Kiosks am Neumarkt, findet die Verkehrsberuhigung „super“. Allerdings würde er sich wünschen, dass der Neumarkt vielleicht mal durch einen Feierabendmarkt belebt werden könnte.
So schätzen die Markthändler die Situation ein
Momentan gibt es mittwochs allerdings gerade mal zwei Händler, die Ruhrort ansteuern. Freitags kommt nur noch der Fischstand – und offiziell sei der Freitag auch gar kein Markttag mehr in Ruhrort. „Ich würde mich freuen, wenn noch weitere Händler dazukommen, dann lohnt sich das auch.“ Der Obst- und Gemüsehändler Andreas Borgmann, dessen Familie schon seit Jahrzehnten nach Ruhrort fährt, steuert den Neumarkt allerdings nur noch aus alter Verbundenheit an – und weil er sich morgens in Kaßlerfeld auf dem Großmarkt mit Waren eindeckt. „Ich fahr lieber über die Dörfer am Niederrhein. Dort wohnen die Leute, die früher einmal in Duisburg waren.“ Bei seinen Kunden sei die neue Verkehrsregelung das Gesprächsthema. Auch Borgmann muss seinen Anhänger nun etwas anders platzieren. „Das funktioniert aber.“
Der Marktveranstalter „Duisburg Kontor“ bremst auf Nachfrage unserer Redaktion allerdings die Hoffnungen, dass der Wochenmarkt eine größere Rolle spielen könnte, um den Neumarkt zu beleben. „Grundsätzlich beabsichtigt Duisburg Kontor, die Wochenmarktstandorte in Duisburg mit einem möglichst vollumfänglichen Frischeangebot auszustatten. Leider stehen keine Wochenmarktbetreiber mehr zur Verfügung, daher können wir den Neumarkt nur mit sehr eingeschränktem Angebot beschicken. Neben den allgemeinen Problemen in der Branche haben in Ruhrort die Personalreduzierung bei örtlichen Unternehmen, Homeoffice-Regelungen bei Dienstleistern und der allgemeine Rückgang der Nachfrage zu dieser Entwicklung geführt“, erklärt Stadtsprecher Malte Werning. Der Obst- und Gemüsehändler, der den Wochenmarkt bis Ende 2022 freitags ansteuerte, sowie der Blumenhändler hätten den Betrieb wegen fehlenden Kaufinteresses aufgegeben und damit den Metzger dazu veranlasst, von Freitag auf Mittwoch zu wechseln.
Stadt Duisburg: So soll der Verkehrsversuch ausgewertet werden
Vor der Ankerbar hat Gastronomin Jenny Breitkopf ein Klappschild aufgestellt. „Fußgängerzone“ steht dort in Kreide geschrieben. In den ersten Tagen sind die Autofahrer nämlich trotzdem durch die Straße gefahren. Demnächst, erläutert Werning, soll dort allerdings ein Poller eingebaut werden. „Bei der Ankerbar konnten keine Hochbeete aufgestellt werden, da die Feuerwehr und Müllabfuhr die Durchfahrt nutzen muss“, so Werning. Er verspricht: „Wir werden den Versuch fortlaufend begleiten. Eine Verkehrszählung vor den Sommerferien ist bereits eingeplant.“ Zudem soll es auch eine weitere Beteiligung der Ruhrorter geben.
Die wünscht sich auch Dirk Grotstollen, Vorsitzender des Ruhrorter Bürgervereins. Im Bürgerverein selbst gebe es unterschiedliche Meinungen zu dem Verkehrsversuch. Seine persönliche sei, dass die Umsetzung der Verkehrsregeln nicht ganz gelungen sei. Aus seiner Sicht könnten Anfang der Woche weiterhin auf beiden Seiten Parkplätze zur Verfügung stehen und freitags, samstags, sonntags ein Bereich verkehrsberuhigt werden.
Wie geht es nun weiter?
„Die Unterschriften sind eingegangen, die Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort/Baerl wird sich damit in der nächsten Sitzung beschäftigen“, bestätigt Malte Werning. SPD-Bezirkspolitikerin Heike Krause erinnert daran, dass der Beschluss, den Verkehrsversuch einzuführen und den Neumarkt zu beleben, von allen Parteien einstimmig beschlossen wurde. „Wir müssen nun schauen, wie das in der Praxis funktioniert. Wenn sich herausstellt, dass das ein Schlag ins Wasser war, muss man Sachen wieder ändern.“
Derweil hat das Kreativquartier Ruhrort für Freitagabend zu einem „Tag der Nachbarn“ eingeladen. Ab 19 Uhr will man sich auf dem Neumarkt treffen. Straßenmusiker sollen Musik machen. „Vielleicht entdeckt der eine oder andere auch das Gummitwist neu?“, fragt Mit-Organisator Heiner Heseding. Er könnte sich ohnehin vorstellen, dass künftig vor dem „Plus am Neumarkt“ eine kleine Bühne aufgebaut wird, damit dort regelmäßig Straßenmusiker kleinere Konzerte geben können. „Vielleicht wollen die Nachbarn einfach auch mal ihre Ruhe haben?“, gibt einer der Kritiker zu bedenken.
Malte Werning blickt voraus: „Die Liegestühle sind nur ein erstes Signal, dass der Platz neue Aufenthaltsbereiche bekommen soll. Weitere Projekte wie Workshops und Beteiligungen zur Möblierung und Aufwertung sollen folgen.“ Die Bezirksverwaltung und die Bezirkspolitik seien ebenfalls schon mit Partnern vor Ort im Gespräch und unterstützten diese mit finanziellen Mitteln.