Duisburg. Nach dem Mord an einer 84-Jährigen in Duisburger stand erst die Mitbewohnerin unter Tatverdacht. Ärztin berichtet von deren Zeit in der Forensik.

Im Prozess um die ermordete 84-Jährige aus dem Duisburger Innenhafenbeschuldigt die angeklagte Nachbarin die demente Mitbewohnerin des Opfers. Doch war die 89-Jährige überhaupt zu so einer brutalen Tat fähig?

Rückblick: Am 23. August 2022 wird in einem Mehrfamilienhaus an der ruhigen Stresemannstraße Inga H. mit 29 Messerstichen tödlich verletzt. Ein Stich ist dabei so massiv, dass er eine Rippe der Seniorin durchtrennt. Zunächst sehen die Ermittler in der Mitbewohnerin die Täterin. Die beiden Frauen lebten im Erdgeschoss zusammen, waren seit 50 Jahren befreundet. Inga H. kümmerte sich um die 89-Jährige, seitdem deren Körper und Geist massiv abbaute.

Am Tag nach der Bluttat wird die 89-Jährige in eine bekannte forensische Klinik eingeliefert. Die zuständige Psychiaterin erinnert sich am fünften Verhandlungstag an die Tage im Spätsommer: Die weit fortgeschrittene Demenz der 89-Jährigen sei dabei allgegenwärtig gewesen. Die Dame habe keine Vorstellung davon gehabt, wo sie sei. Sie wähnte sich in einem Kur-Hotel. Allerdings: Dass es schwere Vorwürfe gegen sie gab, habe sie registriert, berichtet die Medizinerin. „Sie stritt alles ab und konnte sich an gar keinen Tathergang erinnern.“

Mord im Duisburger Innenhafen: Demenzerkrankung der 89-Jährigen weit fortgeschritten

Nicht nur bei Konzentrationsübungen und Merktests fiel ihr schlechter Gesundheitszustand auf: Nach Berichten aus der LVR-Klinik habe sie beim Essen versucht, Teebeutel zu kauen. Was Nahrung ist und was nicht, habe sie kaum unterscheiden können. „Bei allen Alltagshandlungen war sie auf Hilfe angewiesen.“ Die Seniorin sei am Rollator „wackelig“ unterwegs gewesen. Allerdings erst dann, wenn man ihr den richtigen Gebrauch der Gehhilfe zeigte.

Die Schilderungen decken sich mit den Einordnungen, die an den vorherigen Verhandlungstagen ein psychiatrischer Sachverständiger, und Altenpflegerinnen machten. Die Ärztin sagte ebenfalls, dass sie ihre Patientin nie aggressiv erlebt hätte.

In den Befragungen möchte die fünfte Große Strafkammer ein genaues Bild davon bekommen, ob das Tatszenario, das die 46 Jahre alte Angeklagte schildert, möglich gewesen sein könnte. Die Frau streitet die Mordvorwürfe gegen sich ab und sagt stattdessen: Sie habe die 84-Jährige beim Betreten der Wohnung blutüberströmt auf dem Bett vorgefunden. Die Mitbewohnerin des Opfers habe mit einem Messer im Bad gestanden und dann auch sie angegriffen. Sollte sich die Tat so zugetragen haben, müsste sich die 89-Jährige vor dem Eintreffen der Polizei gründlich gewaschen und Spuren beseitigt haben. Denn: An ihr und ihrem Nachthemd wurden keine Blutspuren gefunden. Für die behandelnde Psychiaterin ist das „schwer vorstellbar“. „Eigentlich ist das aufgrund ihrer fehlenden Planungs- und Handlungsfähigkeit unmöglich“, sagte sie aus.

Wusste die 46-Jährige von dem Banktermin?

Die 89-Jährige blieb nicht in der Forensik, denn eine spektakuläre Wende in den Ermittlungen entlastete sie. Stattdessen rückte die 46-Jährige in den Fokus. Sie kümmerte sich um die Seniorinnen-WG, putzte, begleitete die Frauen zu Ärzten und Behörden, ging einkaufen – und erledigte auch die Bankgeschäfte.

Die Angeklagte (rechts) mit ihrem Verteidiger und ihrer Verteidigerin beim Prozessauftakt in Duisburg.
Die Angeklagte (rechts) mit ihrem Verteidiger und ihrer Verteidigerin beim Prozessauftakt in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Die dreifache Mutter soll aus Habgier und Heimtücke gemordet haben. Nach Überzeugung der Ermittler soll die Duisburgerin monatelang unberechtigt Geld vom Konto der Seniorin abgehoben und im Casino Duisburg „verzockt“ haben – insgesamt rund 30.000 Euro. Am Tattag hätte die 84-Jährige einen Banktermin gehabt, bei dem alles hätte auffliegen können. Ob die 46-Jährige von dem Termin wusste, ist noch nicht gänzlich klar.

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>> Freundin beschreibt die Angeklagte (46)

  • Eine Freundin beschrieb die 46-Jährige in einer Befragung vor Gericht als „netten“ und „hilfsbereiten“ Menschen.
  • Die beiden Frauen seien auch mehrfach zusammen im Casino gewesen und hätten dort an Spielautomaten gespielt. Dabei hätten sie sich selbst Limits von 50 oder 150 Euro gesetzt.