Duisburg. Die Stahlbelegschaften der Duisburger Betriebe beteiligten sich am Aktionstag der IG Metall. Was die Beschäftigten in Duisburg umtreibt.
Der Test der Warnsirenen kommt für Karsten Kaus zur rechten Zeit. „Es ist Alarm in Deutschland“, ruft der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Duisburg/Dinslaken über 2000 Stahl-Beschäftigten zu. Sie haben sich am Dienstagmorgen vor dem Tor 3 der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) in Duisburg versammelt, um für Investitionen in die Transformation und konkurrenzfähige Industriestrom-Preise Druck auf die Politik und die Vorstände der Konzerne zu machen.
Karsten Kaus: „Grüner Stahl aus Duisburg, das ist die Zukunft“
Neben den Beschäftigten von HKM und Thyssenkrupp-Süd sowie Bao-Steel in der Nachbarschaft kamen Delegationen von Arcelor-Mittal aus Ruhrort und den TKS-Betrieben im Duisburger Norden sowie aus Bochum, vom Grobblech- und Röhrenwerk Mannesmann.
Mit besonderem Applaus begrüßte die Menge die Gruppe vom Vallourec-Werk in Düsseldorf, das vor der Schließung steht. „Steelworkers for green Steel“ prangte auf grünen Westen der Demonstranten. „Grüner Stahl aus Duisburg, das ist die Zukunft“, ruft Kaus.
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Mit der Auftragsvergabe für die erste Direktreduktionsanlage (DR), die ab 2026 den ersten Hochofen in Hamborn ersetzen soll, gab Thyssenkrupp Steel (TKS) in der vergangenen Woche den Startschuss für eine CO2-arme Stahlproduktion. Die IG Metall drängt nun auf weitere Entscheidungen. „Wir erleben ein Ping-Pong-Spiel. Einer wartet auf den anderen“, kritisiert Kaus das Zögern in der Politik und in den Führungsetagen der Konzerne.
Marco Gasse (HKM): Brauchen endlich Klarheit über Investition in DR-Anlage
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Das besorgt auch die rund 3000 Mitarbeitenden der HKM. In vier Jahren könnte die Reise des ersten der zwei Hochöfen enden, das Unternehmen hofft ebenfalls auf den Bau einer DR-Anlage.
„Bei unseren Gesellschaftern TKS und Salzgitter sind die Weichen dafür gestellt. Auch wir brauchen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten endlich Klarheit“, mahnt Marco Gasse, der Vorsitzende des Betriebsrats. Ohne das Bekenntnis der Gesellschafter zur Transformation werde die Hütte im Süden zum Auslaufmodell, fürchtet er.
Vom integrierten Hüttenwerk, das an seinen Energieüberschüssen durch die Verstromung von Gichtgas aus der Kokerei verdient, werden die Duisburger Standorte perspektivisch zum Stromabnehmer. Ohne wettbewerbsfähige Strompreise für den Betrieb von DR-Anlagen und die Produktion riesiger Mengen Wasserstoff aus Windstrom werde es die milliardenschweren Investitionen nicht geben, mahnt nicht nur Marco Gasse.
Arcelor-Mittal: Noch keine Entscheidung über neuen Elektro-Ofen in Ruhrort
Ebenfalls in Sorge ist die Belegschaft von Arcelor-Mittal in Ruhrort. Dort soll eigentlich bis 2026 ein Elektro-Lichtbogenofen gebaut werden.
„Die Förderanträge sind noch immer nicht bewilligt, der Konzern zögert mit der Entscheidung“, berichtet Vertrauenskörper-Leiter Thomas Sander. Die DR-Anlage von Arcelor-Mittal in Hamburg sei außer Betrieb – wegen der hohen Strompreise. Investitionen in weitere Anlage könnten deshalb im Ausland erfolgen, fürchtet Sander: „Wir sind ein international tätiger Konzern.“ Es müsse deshalb „Schluss sein mit Schnittchen-Terminen und Konjunktiven“, ruft er in Richtung Politik.
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Der Auftragsvergabe für die erste DR-Anlage bei TKS müssten weitere folgen, mahnt auch Ali Güzel, stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. „Das reicht nicht. Fünf weitere Hochöfen in Duisburg sind noch nicht transformiert.“ Die Bedeutung gehe weit über die Hütten hinaus, erinnert Marco Gasse: „Wenn die Erzeuger wegbrechen, ist auch die verarbeitende Industrie gefährdet.“
Das stählerne Herz Duisburgs dürfe nicht aufhören zu schlagen, sagt Sören Link. Der Oberbürgermeister sieht die Branche vor einer Zeitenwende. „Deshalb müssen jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen werden, nicht nur für Thyssenkrupp Steel. Ich möchte, dass es hier auch in den nächsten Jahrzehnten noch viele gute Jobs in der Stahlindustrie gibt.“
>> BUNDESWEITER AKTIONSTAG DER GEWERKSCHAFTEN
- Die Gewerkschaften IG Metall und IGBCE riefen am Dienstag zum bundesweiten Aktionstag der energieintensiven Betriebe der Stahl-, Aluminium-, Chemie- und Zementindustrie auf. Kundgebungen gab es nach Gewerkschaftsangaben an bundesweit 50 Standorten.
- Gleichzeitig war ursprünglich ein Treffen der „Konzertierten Aktion“ gegen steigende Preise im Bundeskanzleramt mit Spitzen der Gewerkschaften und Arbeitgeber geplant. Die Aktion hatte Kanzler Scholz Ende Februar aber ausgesetzt – Deutschland sei dank Energiepreishilfen, Direktzahlungen und Inflationsprämien gut durch den Winter gekommen.
- Die Gewerkschaften verweisen auf Preise für Industriestrom, die international und auch in anderen EU-Staaten deutlich unter den deutschen Tarifen liegen. Sie fordern verlässliche Zusagen für die Zukunft, um Investitionen in die Transformation zu einer klimafreundlichen Produktion auf der Basis von Wasserstoff und grünem Strom möglich zu machen.